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Horst Herzog

Das Münzportät des Kaisers Elagabal (218-222)

Als die beim syrischen Raphanea stationierte legio III Gallica am 16. Mai 218 den 14-jährigen Varius Avitus zum Kaiser erhebt, gelangt ein Knabe auf den römischen Kaiserthron, der sowohl von den zeitgenössischen, als auch von den späteren römischen Historikern mit zu den schändlichsten Kaisern gezählt wird, die jemals in Rom regierten.

Varius Avitus, der uns besser unter dem Namen Elagabal bekannt ist, war der Enkel von Iulia Maesa, der Schwester der Kaiserin Iulia Domna. Er fungierte vor seiner Erhebung zum Kaiser in Emesa (Homs) als Oberpriester des Gottes Elagabal, der in Form eines heiligen Steines, eines Bätyls, verehrt wurde. Auf dem Aureus (Abb. 1) ist auf der Rückseite eine sich nach links bewegende Quadriga abgebildet. Auf dem Wagen befindet sich ein konischer Stein, davor ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen. Dies ist die einzige Darstellung des Kultsteins von Emesa auf offiziellen Prägungen der Münzstätte Rom.

Abb. 1, AV, Rom, 220, RIC 61c. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18203807.


Schon vor seiner Kaiserproklamation gab es Gerüchte, die besagten, Varius Avitus sei ein illegitimer Sohn des beim Militär äußerst beliebten Caracalla. Demzufolge übernahm der neue Kaiser auch den offiziellen Namen seines angeblichen Vaters Caracalla: „Marcus Aurelius Antoninus“. Die Herrschaft des neuen Kaisers war allerdings nicht von langer Dauer. Bereits am 11. März 222 wird er in Rom zusammen mit seiner Mutter Iulia Soaemias von Prätorianern ermordet.

In der stadtrömischen Münzstätte, und nur auf diesen Prägeort wollen wir uns hier konzentrieren, beginnt die Münzprägung des Kaisers Elagabal noch vor dessen offizieller Anerkennung durch den Senat, d. h. noch vor dem 14. Juli 218. Sie endet mit der Ermordung des Kaisers am 11. März 222. Die in Rom emittierten Münzen Elagabals lassen sich durch die Angabe der tribunicia potestas (TR P) und des Konsulates (COS) datieren. Elagabal hatte während seiner Herrschaft jedes Jahr die tribunizische Gewalt inne: "TRP I" im Jahr 218 bis "TRP V" im Jahr 222. Viermal bekleidete Elagabal das Amt des Konsuls: "COS" im Jahr 218, "COS II" im Jahr 219, "COS III" im Jahr 220 und "COS IIII" im Jahr 222. Daneben gibt es natürlich auch viele undatierte Prägungen, die aber aufgrund der Averslegenden und der Münzporträts in eine relativ enge zeitliche Abfolge gebracht werden können.

Die ersten Emissionen Elagabals lassen sich nur schwer von frühen Münzen seines angeblichen Vaters Caracalla unterscheiden. Die Titulatur ist identisch mit der des Caracalla und das Porträt Elagabals auf der Münzvorderseite gleicht dem des jugendlichen Caracalla hinsichtlich Kopfform, Profil und Frisur (Abb. 2). Auf dem kurzen, kräftigen Hals, der diagonal verlaufende Falten zeigt, sitzt der im Profil kugelförmige Kopf. Das Haar ist in kurze, gleichmäßig fallende Locken gegliedert. Die nach rechts fallenden Stirnlocken bilden mit dem Schläfenhaar einen stumpfen Winkel. Das Ohr ist frei, die Stirn glatt und leicht fliehend. Unter dem runden Brauenbogen liegt das Auge recht tief. Dagegen tritt der Augapfel zwischen Ober- und Unterlid stark hervor. Die spitz zulaufende Nase ist durch eine leichte Einkerbung an der Nasenwurzel von der Stirn abgesetzt. Die Lippen sind voll, die Oberlippe ragt etwas über die Unterlippe. Das nicht weit hervortretende Kinn endet in einem engen Bogen. Dieses Münzporträt, das, wie die Abb. 2-5 deutlich zeigen, während der ersten Jahre der Regierung Elagabals beibehalten wird, ist das Abbild eines jungen Mannes, nicht das eines vierzehnjährigen Knaben. Für die erste Emission (Abb. 2) könnte man noch von der Unkenntnis der römischen Stempelschneider über das konkrete Aussehen Elagabals ausgehen, da die Zeit zwischen der endgültigen Machtübernahme Elagabals bis zur ersten Prägung der Münzstätte Rom in der Tat sehr kurz war, um ein offizielles Kaiserporträt zu kreieren und dieses nach Rom bringen zu lassen. Aber spätestens nach der Ankunft Elagabals in Rom im Sommer 219 sollte auch hier das reale Aussehen des Kaisers bekannt gewesen sein. Trotzdem hielt man weiterhin an dem „fiktiven“ Münzporträt fest. Eine Erklärung könnte sein, dass die Stempelschneider dazu veranlasst wurden, die physische Ähnlichkeit zwischen dem angeblichen Vater Caracalla und seinem Sohn herzustellen, um die Abstammung Elagabals nicht nur durch den offiziellen Namen, sondern auch im Bild zu manifestieren.

links: Abb. 2, D, Rom, 218, RIC 8b; mitte: Abb. 3, D, Rom, 218, RIC 3b; rechts: Abb. 4, A, Rom, 219, RIC 22f. Bildquellen: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID7401 (2); =ID7400 (3); =ID7407(4).


Der Denar Abb. 6 ist aufgrund seiner Rückseitenlegende "P M TR P III COS III P P" genau in das Jahr 220 datiert. Die oben beschriebenen Grundzüge des Porträts werden zwar nach wie vor beibehalten, jedoch taucht hier ein Merkmal auf, das im darauffolgenden Jahr 221 voll zum Tragen kommt: die Länge der Koteletten. Während bei den bisherigen Beispielen die Koteletten nur knapp über den Ohransatz reichen, erstrecken sie sich bei dem Denar Abb. 6 fast über die gesamte Ohrlänge.

links: Abb. 5, D, Rom, 219, RIC 16; mitte: Abb. 6, D, Rom, 220, RIC 28b; rechts: Abb. 7, D, Rom, 221, RIC 45a. Bildquellen: https://numid.ku.de/object?id=ID111 (5); =ID112 (6); https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID7419 (7).


Im Jahr 221 setzt sich, wie die Denare Abb. 7 - 9 beispielhaft zeigen, diese Tendenz weiter fort: die Koteletten werden länger und ein Schnurrbärtchen kommt hinzu. Ende 221 mündet diese Entwicklung schließlich in einen Vollbart (Abb. 9). Doch nicht nur der Bartwuchs lässt das Kaiserporträt altern, sondern auch die immer tiefer werdenden Naso-Labial-Falten und leichte Falten auf der Stirn tragen dazu bei. Das Porträt auf dem Denar Abb. 10 vom ersten Viertel des Jahres 222 zeigt das Bild eines gealterten Mannes und nicht das eines 18 Jahre alten Jünglings. Dieses Altersbildnis war natürlich kein Zufall, sondern volle Absicht. Hier wollte man von offizieller Seite zeigen, dass das Imperium Romanum nicht von einem unerfahrenen Jüngling, sondern von einer gestandenen, reifen Persönlichkeit regiert wird.

links: Abb. 8, D, 221/222, RIC 87; mitte: Abb. 9, D, Rom, 221/222, RIC 88, rechts: Abb. 10, D, Rom, 222, RIC 52. Bildquellen: https://numid.uni-mainz.de/object?id=ID571 (8); https://numid.ku.de/object?id=ID114 (9); http://ikmk.ruhr-uni-bochum.de/object?id=ID624 (10).


Abschließend möchte ich noch kurz auf das Gebilde eingehen, das bei den Denaren Abb. 8 - 9 ausgehend vom obersten Blatt des Lorbeerkranzes sich wie ein gebogener Finger nach vorne neigt. Dieses Gebilde, das ab 221 ausschließlich auf Münzen Elagabals vorkommt, wird in der Numismatik seit H. Cohen in Anlehnung an die Ammonhörner hellenistischer Herrscher als Horn bezeichnet. Allerdings sind die Ammonhörner ganz anders gestaltet. Da auf den Rückseiten dieser Münzen meist der opfernde Kaiser dargestellt ist, liegt der Schluss nahe, dass dieses Horn in einem Zusammenhang mit dem Elagabal-Kult steht. Die antiken Schriftquellen geben hierzu allerdings keinen Lösungsansatz. In einem 1997 erschienen Aufsatz wollte Elke Krengel in diesem Horn die Spitze eines Stierpenis sehen. Dieser Theorie wurde teils heftig widersprochen, teils wurde sie anerkannt. Eine völlig schlüssige Identifizierung scheint mir nach wie vor nicht gegeben.

Horst Herzog


Abkürzungen:

A Antoninian

AV Aureus

D Denar

RIC Roman Imperial Coinage. Spink & Son, London 1923 ff.

 

Ein Großteil der Bilder stammt aus dem sammlungsübergreifenden Internetportal IKMK. Einen Artikel in unserem Blog zu diesem Projekt finden Sie hier.

 

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