top of page
Dietmar Kreutzer

Das knappe Gold des Bettelfürsten

An die Staatsbesuche von Nikola I., des letzten Fürsten von Montenegro, hatte der russische Finanzminister Sergei Juljewitsch Witte nur unangenehme Erinnerungen:

„Er kam nach Petersburg, um unter allen möglichen Vorwänden sich Geld zu schaffen. Als ich Finanzminister wurde, erhielt er Mittel aus dem ‚Geheimfonds‘ zur Aufrechterhaltung des Heeres in Montenegro, und zwar immer unter der Erklärung, dass Nikita ja der einzige Freund des Zaren sei. (…) Ich war nicht imstande, den Zaren dazu zu bringen, seine ständigen Betteleien abzuschlagen, da er stets darin von seiner Tochter Anastasia, die mit dem Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch verheiratet war, unterstützt wurde. Diese schrieb nämlich stets gleichzeitig Briefe an den Zaren, dass wir ja nicht die Bitten ihres Vaters abschlagen möchten.“ (1)

König Nikola I. von Montenegro (1841-1921) – Bildquelle: Reddit, cesha777.


Der Wortlaut spiegelt nicht nur die Eigenheiten von Nikola, sondern auch die wirtschaftliche Situation von Montenegro wider. Das kleine und rückständige Adria-Fürstentum war ohne fremde Hilfe nicht lebensfähig. Der Schuldenstand erreichte im Jahr 1912 annähernd das Dreifache der jährlichen Staatseinnahmen. Der Fürst war daher von Zuwendungen abhängig, in erster Linie aus Russland, als dessen treuester Verbündeter er sich bezeichnete. Mit diesen „Spenden“ war er letztlich sogar in der Lage, eine eigene Währung einzuführen.


1 Para (Montenegro, 1906, Bronze, 1,7 Gramm, 17 mm) – Bildquelle: Numismatic Guaranty Company.


Im Lande kursierten im 19. Jahrhundert vor allem österreichische Münzen. Aus diesem Grund dachte man an eine Währungsunion mit Österreich-Ungarn. Montenegros Finanzminister Niko Matanović brachte im Jahre 1895 aus Wien die Nachricht mit, dass die dortige Regierung einverstanden sei, wenn sich der kleine Nachbar eine Währungseinheit zulege, deren Wert der österreichischen Krone entspreche. Eine offizielle Währungsunion, bei der das Geld auch von den österreichischen Staatskassen akzeptiert würde, komme jedoch nicht in Frage. Weil die sich allmählich entwickelnde Wirtschaft einen zunehmenden Finanzbedarf hatte, wurde das Projekt trotzdem weiterverfolgt. Der permanente Mangel an kleinteiligen Zahlungsmitteln bewirkte, dass die Währungsreform mit einem Ersatz des Kleingeldes begann:

„Durch den Erlass von Fürst Nikola vom 11. April 1906 wurde das Finanzministerium ermächtigt, Nickel- und Bronzemünzen im Wert von 200.000 Kronen zu prägen (letztendlich wurden 209.000 Kronen geprägt). Obwohl die Münzen eigentlich in Paris und in russischen Münzstätten hergestellt werden sollten, wurden sie letztendlich in Wien geprägt.“ (2)

Das österreichische Kleingeld konnte durch die neuen Münzen zu einem, zwei, zehn sowie 20 Para jedoch nur teilweise verdrängt werden. Daher kam es im Jahre 1908 zu einer Nachauflage von Münzen dieser Wertstufen. Das kleine Montenegro bekam eine eigene Währung!

5 Perpera (Montenegro, 1912, 925er Silber, 24,0 Gramm, 36 mm) – Bildquelle: Gorny & Mosch, e-auction 255, Los 4674.


Nun sollten auch die ausländischen Gold- und Silbermünzen ersetzt werden. Der neue Finanzminister Jovanovic schlug den Namen Perper als Bezeichnung der neuen Währung vor. Dank einer serbischen Anleihe, die mithilfe französischer Banken in Paris gezeichnet werden konnte, erschienen bald die ersten Silbermünzen:

„Am 4. Mai 1909 erließ Fürst Nikola ein Dekret über die Ausgabe von Silbermünzen. Dieses Dekret enthielt auch zum ersten Mal den Namen des montenegrinischen Geldes: Perper. Es wurden Silbermünzen im Wert von 800.000 Perpera in Umlauf gebracht, die dem Wert von 800.000 Silberkronen entsprachen.“ (3)

Die Münzen in den Wertstufen von einem und fünf Perpera wurden diesmal in Frankreich geprägt. Nun fehlte nur noch eine Serie von Goldmünzen, die jenen entsprachen, die in Österreich-Ungarn hergestellt wurden. Im Jahr 1910 kamen erstmalig die in Wien geprägten Goldmünzen zu zehn und 20 Perpera sowie einige hundert Exemplare zu 100 Perpera heraus, die Repräsentationszwecken dienten:

„Der Entwurf für das Münzdesign stammt von dem Künstler Ilija Šobajić. Die Stempel fertigte der Wiener Professor Stefan Schwartz.“ (4)

Anlässlich des 50. Jahrestages seiner Regierungsübernahme ließ sich Fürst Nikola zum König von Montenegro erheben. Zur Feier des Ereignisses erschien eine zweite Serie von Goldmünzen. Auf ihr ist das Porträt von Nikola mit einem Lorbeerkranz versehen. Der Stempel für die Vorderseite stammt erneut von Stefan Schwartz, jener für die Rückseite von Rudolf Neuberger. Mit einem Dekret von Dezember 1910 wurde zum Jahresbeginn 1911 der Goldstandard eingeführt.


100 Perpera (Montenegro, 1910, 900er Gold, 33,9 Gramm, 37 mm) – Bildquelle: Heritage Auctions, WCS Auction New York 3081, Lot 32308.


Im Oktober 1912 löste Montenegro den Ersten Balkankrieg gegen das Osmanische Reich aus. Der Krieg endete mit einem von den europäischen Großmächten erzwungenen Rückzug von den besetzten Territorien und damit einem schweren Prestigeverlust für König Nikola und seine Regierung. Im Zweiten Balkankrieg trat das Land dann nur noch als ein unbedeutender Verbündeter Serbiens in Erscheinung. Der Goldstandard konnte angesichts dieser Entwicklungen nicht lange aufrechterhalten werden. Die hohen materiellen Verluste zwangen den König sogar, einer Fusion zu einem Bundesstaat mit Serbien zuzustimmen. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Im August 1914 zog Montenegro als Verbündeter der Serben gegen Österreich-Ungarn in den Ersten Weltkrieg. Doch auch diesmal gab es keinen Erfolg zu bejubeln. Im Januar 1916 besetzten deutsche und österreichische Truppen die montenegrinische Hauptstadt Cetinje. Nach Kriegsende ging das Land im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen auf (später: Jugoslawien). König Nikola, der bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges weiterhin regelmäßig Zuwendungen aus Russland erbettelt hatte, musste Montenegro verlassen. Am 1. März 1921 verstarb er im französischen Exil. In einem Nachruf hieß es, dass der „Bettelfürst“ nicht nur in Russland ein einnehmendes Wesen hatte, sondern überall, wo gerade Geld zu holen war. Sogar bei den Österreichern:

„Als nämlich die österreichisch-ungarische Monarchie zusammenbrach, fand man zwischen Papieren eine Quittung des Fürsten Nikita, der vom Kaiser Franz Joseph eine Million erhalten hatte.“ (5)    

Dietmar Kreutzer


Quellenangaben:

  1. Graf Witte über den verstorbenen König Nikita; in: Posener Tageblatt, 19.03.1921.

  2. Nikola Fabris: The History of Money in Montenegro; in: Journal of Central Banking Theory and Practice, Heft 4/2015, S. 9.

  3. Ebenda, S. 10.

  4. Money in Montenegro through History, auf: cbcg.me/en/currency/money-museum.

  5. Posener Tageblatt, 19.03.1921.

Comments


bottom of page