Am 14. Juni 1935 feierte der alte König mit einem großen Umzug durch London sein silbernes Thronjubiläum. Wolfgang zu Putlitz, Mitarbeiter an der deutschen Botschaft, war dabei: „Georg V. in seiner roten Feldmarschalluniform, mit seinem angegrauten Spitzbart, überdies schon von schwerer Krankheit gezeichnet, war keine besonders imponierende Erscheinung. Müde und automatisch hob er in regelmäßigen Abständen seine weißbehandschuhte Rechte zum militärischen Gruß. Umso majestätischer wirkte seine links neben ihm sitzende Gattin, die Königin Mary.“ (Wolfgang Gans Edler Herr zu Putlitz: Unterwegs nach Deutschland – Erinnerungen eines ehemaligen Diplomaten, Berlin 1966, S. 176) Wenn die Königin lächelnd die Ovationen der Besucher aus aller Welt entgegennahm, bewegten sich ein wenig die großen Straußenfedern an ihrem Hut. Mit diamantfunkelnden Händen winkte sie der jubelnden Menge links und rechts der Straßen zu. Über ihrem Spitzenkleid trug sie einen zartvioletten Seidenumhang: „Von ihrem Hals bis auf den Schoß schlangen sich die Reihen ihrer Perlen, einige davon groß wie Taubeneier. Nirgends mehr auf der Welt gab es in unserem zwanzigsten Jahrhundert einen Königshof von solchem traditionellen Glanz wie den englischen.“ (Ebenda) Zum 25. Jahrestag der Thronübernahme von Georg V. waren Medaillen mit dem Porträt des Königspaares in Gold, Silber und Bronze erschienen. Im Mutterland kam eine Jubiläums-Crown mit dem Heiligen Georg zu Pferde auf der Rückseite heraus. In Kanada erschien anlässlich des Jubiläums erstmals der berühmte Silberdollar, der einen Pelzhändler und einen Indianer im Kanu zeigt. Auf der Vorderseite prangt das von einer besonderen Umschrift umgebene Porträt des Königs.
Wegen der Lungenkrankheit von Georg V. übernahm Mary bald viele seiner Termine. Wolfgang zu Putlitz war nun interessiert, den Prinz von Wales kennenzulernen, den voraussichtlichen Nachfolger: „Seit Jahren war bereits darüber geredet worden, dass er keine Lust für den steifen und langweiligen Königsberuf spürte, sondern sich lieber im mondänen Leben der hohen internationalen Plutokratie im Ausland amüsierte.“ (Ebenda, S. 184) Bei einem Empfang, den Königin Mary in Buckingham Palace gab, konnte Putlitz sehen, was die Briten nach einer Thronübernahme durch den Prinzen erwartete. Während die drei jüngeren Söhne der Königin in korrekter Haltung angetreten waren, stützte sich der älteste auf die Lehne seiner Mutter und tänzelte mal auf dem linken, mal auf dem rechten Bein herum. Nach einer Weile ergriff die Königin seine Hand und flüsterte ihm leise einige Worte zu. Erst nach dieser mutmaßlichen Ermahnung benahm sich der junge Mann. Am 20. Januar 1936 starb König Georg V. Nach seiner Inthronisation als König Eduard VIII. im Juni 1937 konnte sich der Prinz von Wales der weiteren Aufsicht der Mutter entziehen: „Auf den wenigen Cours und Levers, die er überhaupt abgehalten hat, ließ er sich die schlechte Laune deutlich anmerken. Er würdigte die vorbeidefilierenden Gäste oft nicht eines Blickes, räkelte sich herum oder spielte sogar mit den Fingernägeln.“ (Ebenda, S. 185) Die Affäre mit einer zweimal geschiedenen Amerikanerin bot ihm die Chance zum Thronverzicht: „In einer rührseligen Rundfunkrede über ‚the woman I love‘ – die Frau, die ich liebe – nahm er von seiner Krone und seinem Volk Abschied.“ (Ebenda, S. 186)
Während seiner kurzen Amtszeit waren vielfältige Initiativen zur Herstellung neuer Münzen ergriffen worden. Für das Mutterland wurde eine Serie von Umlaufmünzen mit Motiven aus der heimischen Fauna vorbereitet. Der König entschied sich jedoch für überwiegend heraldische Motive auf den Rückseiten. Auch repräsentative Goldmünzen mit dem berühmten Drachentöter, die nicht für den Umlauf vorgesehen waren, sollten erscheinen. Ausgegeben wurden die Münzen jedoch nicht mehr. Zwei Wochen vor Ausgabe der ersten Münzen dankte Eduard VIII. ab. In einigen Teilen des Kolonialreiches waren dagegen schon erste Münzen erschienen. In Britisch-Westafrika, heute Nigeria, kam neues Kleingeld in Millionenauflage heraus. Für die Fidschi-Inseln und Neuguinea, heute Papua-Neuguinea, waren bereits große Stückzahlen an Pennies erschienen. Das Porträt des Königs trugen diese Münzen jedoch nicht. Die wenigen erhaltenen Proben der geplanten Ausgaben für Großbritannien erzielen daher auf Auktionen traumhafte Preise. Dies gilt auch für die Goldmünzen, von denen sich einige wenige in Museen sowie im Besitz der Queen befinden. Ein kompletter Satz, bestehend aus drei Teilen sowie ein einzelner Sovereign sollen sich in Privatbesitz befinden. Die meisten mit dem Porträt des Königs angebotenen Stücke sind spätere Nachprägungen.
Als Konsularchef der Deutschen war Wolfgang zu Putlitz im Juni 1937 zum Hofball anlässlich der Thronübernahme durch König Georg VI. geladen, den jüngeren Bruder des abgetretenen Königs. Der Ball fand in Buckingham Palace statt: „Er bot in der Tat ein märchenhaftes Schauspiel. Die Kostbarkeit der Kleider und Juwelen übertraf jede Vorstellung. […] Auf Schritt und Tritt glaubte man Gestalten aus Tausendundeiner Nacht vor sich zu sehen.“ (Ebenda, S. 204f.) Am Buffet stand der Deutsche neben dem Maharadscha von Jaipur, der ein juwelenbesetztes hellrosa Seidenkostüm trug. Den Turban krönte eine mit Amethysten besetzte Agraffe, in deren Mitte ein riesengroßer Rubin leuchtete. Sein goldener Dolch war mit Rubinen und Diamanten verziert. Der König von Nepal trug einen gelben Seidenschirm auf dem Kopf, der von einer Saphirbrosche mit Perlenfeder abgeschlossen wurde und an dessen Rändern etwa zwei Dutzend Smaragde hingen. Beim Walzer trat von Putlitz aus Versehen auf einen hinter ihm stehenden Fuß: „Ich drehte mich um. Es war der junge König Faruk von Ägypten. Er beruhigte mich jedoch und rief mir zu: ‚Never mind!‘ – es war nur halb so schlimm.“ (Ebenda, S. 205) Mit dem raschen Thronwechsel waren die etwa 200 fertigen Münzstempel mit dem Porträt von Eduard VIII. nun überflüssig. Der jüngere Bruder Georg VI. übernahm immerhin die geplanten Münzbilder der Rückseiten. So konnte schon wenig später eine komplett neue Münzserie vom Farthing bis zum Fünf-Pfund-Stück erscheinen. Die höchsten Preise erzielen auch hier die wenigen zur Repräsentationszwecken geprägten Goldmünzen.
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