Glaubt man dem Hobby-Schriftsteller Peter Hars, standen sich während der Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.) ein Grieche namens Harpakos und ein namenloser persischer Krieger gegenüber. Als letzterer floh, traf Harpakos ihn mit der Lanze an der linken Schulter. Der Perser wandte sich mit vom Schmerz verzerrtem Gesicht um. Es kam es zu einem Zweikampf. Harpakos parierte einen Hieb des Gegners und stieß ihm dann zweimal sein Schwert in den Leib. Der Perser taumelte zurück und glitt zu Boden. Die Hände vor das Gesicht gepresst, wurde der Sterbende von wilden Zuckungen geschüttelt. Harpakos kniete sich neben ihn. Dabei fiel sein Blick auf den Hals des Toten:
„Dort liegt, vom Lederwams halb verdeckt, ein kleiner lederner Beutel. Harpakos‘ Augen glänzen. Er ergreift den Beutel und streift dem Toten den Lederriemen über den Kopf. Schweiß tritt ihm auf die Stirn, der Beutel ist schwer. Er öffnet ihn hastig, er sieht Gold und Silber glänzen, eine Handvoll Münzen. Kniend schüttet er sie in seine linke Hand und betrachtet sie fasziniert. Es sind schwere Silbermünzen und drei Goldmünzen, zwei kleinere und eine große. Alle bis auf die große Goldmünze fallen in den Beutel zurück. Die Goldmünze hält Harpakos nah an sein Gesicht. Er ist wie berauscht. Ein Krieger hält einen Bogen in der Hand, einen Bogen in der Art, wie er ihn soeben erbeutet hat. Die Sehne ist gespannt, der Pfeil ist drohend auf einen unsichtbaren Feind gerichtet.“ (1)
Die Schlacht von Marathon (Italien/Frankreich/USA 1959) – Bildquelle: Metro Goldwyn Meyer.
Die Art der Schilderung erinnert an jene aus Abenteuerromanen der Kinderzeit. Doch diese hier ist realistischer. Nach der Unterwerfung des griechischen Reiches der Lyder durch den persischen König Kyros (559-529 v. Chr.) verbreitete sich nämlich eine Variante der lydischen Goldmünzen in ganz Persien. Nach seinem Nachfolger Dareios I. (521-485 v. Chr.) benannt, wurden sie unter dem Namen Dareiken bekannt:
„Sie stellen den persischen Großkönig im Knielaufschema dar (auf einem Knie ruhend), einen Pfeil mit dem Bogen schießend, weshalb man sie auch als toxotai (Bogenschützen) bezeichnete. Sie sind die ersten Großgold- und Welthandelsmünzen des Altertums und wiegen acht Gramm. (…) Die Dareiken sind in ungeheuren Mengen ausgegeben worden und dienten im Perserreich, das vom Hellespont bis zum Persischen Golf, vom Kaspischen Meer bis zum Nil reichte, als Umlaufmittel.“ (2)
Mindestens einen Dareikos soll ein persischer Söldner im Monat verdient haben. Ein Feldzug kostete etwa vier Millionen Dareiken. Als Wechselgeld dienten silberne Sigloi. Auf einen Dareikos kamen 20 von ihnen. Das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber lag wie bei den Lydern bei 1 : 13 1/3. Etwa 200 Jahre lang dienten die unverändert ausgegebenen Dareiken als Zahlungsmittel, bis zum endgültigen Untergang des Perserreiches durch Alexander der Großen im Jahre 331 v. Chr. Dieser fand bei der Einnahme von Persepolis riesige Mengen von ihnen vor. Auch andernorts gab es Hortstätten. Die meisten Münzen wurden eingeschmolzen.
Persische Krieger am Palast des Darius in Susa – Bildquelle: World History Encyclopedia.
Einige Dareiken sind jedoch erhalten geblieben. Wie es dazu gekommen sein könnte, verrät Peter Hars in dem erwähnten Buch:
„Erstaunlicherweise hat die Münze in 2.500 Jahren weniger als sechzigmal ihren Besitzer gewechselt, Erbschaften eingeschlossen. Das hat mehrere Gründe. Fast 500 Jahre lag die Münze unter den Trümmern von Jerusalem. Ihr Besitzer hatte sie vergraben, war aber bei der vollständigen Zerstörung der Stadt im Jahre 70 n. Chr. ums Leben gekommen.“ (3)
Als der oströmische Kaiser Justinian im Frühjahr 537 n. Chr. ein Hospiz in Jerusalem errichten ließ, wurde in der Baugrube ein Beutel mit 30 Münzen gefunden. Unter ihnen befand sich auch der Dareikos. Der in Jerusalem residierende Statthalter hielt die Münzen für jene 30 Silberlinge, mit deren Hilfe einst Jesus Christus verraten wurde. Der Allmächtige habe die Stücke aus Silber wohl zwischenzeitlich in Goldmünzen verwandelt. Kaiser Justinian ließ daraufhin für die Hauptkirche Hagia Sophia ein Juwelenkreuz anfertigen. In den Sockel arbeitete der Goldschmied die 30 Münzen ein. Der Kirchenschatz gelangte später als Geschenk des Kaisers in die Hände von Karl dem Großen. Bei einem Überfall der Wikinger auf Aachen wechselte das Kreuz mit den Münzen noch einmal den Besitzer. Während eines Sturmes versank das Schiff der Wikinger aber in der Nordsee.
Dareikos (Persien, Münzstätte Sardes, 425-400 v. Chr., Gold, 8,4 Gramm, 16 mm) – Bildquelle: museum-digital baden-württemberg.
Für das letzte Kapitel seines Buches hat sich Peter Hars ein packendes Finale ausgedacht:
„Harpeios‘ Dareikos lag mehr als ein Jahrtausend in vierzig Meter Tiefe auf dem Grund der Nordsee. Vermutlich läge er dort noch heute, wenn nicht im Jahre 1944 ein deutsches U-Boot an ebendieser Stelle von einem englischen Kampfflugzeug versenkt worden wäre.“ (4)
Siglos (Persien, Münzstätte Sardes, ca. 420 v. Chr., Silber, 5,4 Gramm, 16 mm) - Bildquelle: Wikimedia, Dalibri.
Als das Boot gehoben wurde, entdeckte ein Taucher zufällig die Überreste eines viel älteren, benachbarten Wracks. Unter den von Sand bedeckten Relikten fand sich auch der Dareikos. In den Handel gebracht, wurde die Münze an einen Sammler veräußert. Dessen Erben ließen die Sammlung später versteigern:
„So kam der Verfasser in den Besitz von Harpakos‘ Dareikos.“ (5)
Der Verfasser aber ist niemand anders als Peter Hars, der Autor des Buches über das mögliche Schicksal dieses Dareikos. Bereits in der Einleitung seines Werkes hatte Hars darauf hingewiesen, dass sich ein Dareikos in seiner Sammlung befinde. In einer Buchrezension heißt es, dass Hars einen einigermaßen passablen Roman vorgelegt habe:
„Der Dareikos steht an keiner Stelle wirklich im Mittelpunkt der Handlung, sondern dient eher als nebensächlicher Vorwand für die Verkettung der einzelnen Episoden.“ (6)
Den Schwerpunkt legte Hars auf seine geschichtlichen Episoden. Um einen guten Spannungsbogen um die Münze zu konstruieren, verfiel er auf die abenteuerliche Idee, dass sie von den Römern verschüttet worden ist und Jahrhunderte später neben einem deutschen U-Boot wieder auftauchte.
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
Peter Hars: Der Dareikos – Schicksale um eine Goldmünze; Stuttgart 1992, S. 35f.
Arthur Suhle: Die Münze; Leipzig 1970, S. 13.
Hars, S. 10.
Ebenda, S. 327.
Ebenda, S. 328.
Der Dareikos von Peter Hars; auf: hist-rom.de
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