Danziger Flüchtlingstreck im Februar 1945 [Wikimedia, Bundesarchiv]
Die Geschichte, die der polnische Autor Paweł Huelle über einen Deutschen erzählt, der bei einem Wohnungsmieter in Danzig klingelt, hätte so passiert sein können. Als der Deutsche in der Tür stand, war Herr Anusewicz überrascht, schreibt Huelle. „Ich bin Winterhaus“, sprach ihn der fremde Mann in gebrochenem Polnisch an. „Kann ich mit ihnen sprechen?“ Herr Anusewitsch bat ihn ins Esszimmer. Winterhaus erklärte dem Bewohner des alten Gebäudes: „Ich habe hier gewohnt. Bis zum Ende des Krieges.“ Damals sei er noch ein Kind gewesen. Es ginge ihm jedoch weniger um das Auffrischen alter Erinnerungen: „Mein Vater hat einen Schatz hinterlassen, in dem Küchenbuffet, das neben dem Ofen stand.“ Herr Anusewitsch versuchte sich zu erinnern. Er war nicht der erste Mieter der Wohnung nach dem Krieg gewesen. Doch, richtig. Ein Ofen mit einer Eisenplatte stand viele Jahre lang in der Küche! Und im Esszimmer gab es auch ein Buffet. „Waren da viele“, fragte Anusewitsch interessiert. „Goldene womöglich?“ – „Ich weiß nicht, sagte Winterhaus. „Wissen Sie, er sammelte Münzen, die in Danzig geprägt wurden, das heißt, in Gdańsk“, korrigierte er sich. „Er hat es immer geheim gehalten vor meiner Mutter und vor mir und seinem Bruder. Er vergrößerte die Sammlung ständig. Und je größer sie wurde, umso größer wurde auch die Angst, dass meine Mutter entdecken könnte, dass er immer noch für so etwas Geld ausgab. Er fürchtete sich so sehr, dass er die Sammlung nicht aus dem Versteck herauszunehmen wagte, als wir fliehen mussten, weil wir sonst gesehen hätten, wo er so viele Jahre sein Geld gelassen hat. Verstehen Sie?“ Erst viele Jahre später habe Winterhaus senior seinem Sohn eröffnet, welchen Schatz er in Danzig zurückgelassen habe. Im mittleren Teil des Buffets habe der Vater die Münzen verborgen.
Danzig. Taler von 1577. 26,6 g, 41 mm
[Antykwariat Numizmatyczny 37/283. Zuschlag: 60.000 Zlotych (ca. 12.787 Euro)]
Anusewitsch erinnerte sich, wem er das alte Buffet vor Jahren vermacht hatte. Seinem Schwager! Und dort stand es auch noch – in einem Schuppen. Unter einer Leinendrapierung von blauer Farbe fanden sie den Schrank. Anusewitsch war ein wenig erregt: „Wo soll der Schatz sein?“ – „Hier unten“, zeigte Winterhaus. „Man muss die erste Schicht vom Boden abschlagen.“ Sie fanden einen Hammer und einen Meißel, lösten mehrere übereinander liegende Schichten von Sperrholz ab. Eine Reihe von schmalen Fächern zeigte sich darunter, in denen in Verbandsmull eingewickelte Münzen lagen. Als Winterhaus die Stücke auswickelte, zitterten seine Hände. Als erstes fiel eine Silbermünze in der Größe eines Dollars auf den Tisch. „So was, so was“, flüsterte Anusewitsch. Die Rückseite trug eine Darstellung von Christus in einem langen Gewand, mit dem Reichsapfel in der Hand. Um ihn herum wand sich die bittende Sentenz DEFENDE NOS CHRISTE SALVATOR. Auf der Vorderseite reckten sich zwei Löwen, die das Wappen der Stadt hielten, umrankt von den Worten MONETA NOVA CIVI GEDANENSIS. Über den Mähnen der Tiere war überdies das Datum zu sehen: 1577. „Das ist aus dem Krieg“, erklärte Winterhaus, „da prägten sie statt des polnischen Königs ein Bild von Jesus auf die Münzen.“ Die nächste Stück, das der Deutsche auswickelte, war kleiner und älter, zudem stark abgenutzt: „Das ist eine Münze des pommerschen Prinzen. Sehen Sie den Greifen hier? Und da steht: DANCEKE DOMINI ZWANTOPELK. Schauen Sie.“ Winterhaus öffnete schon die nächsten Päckchen. Auf den Tisch fielen Groschen, Taler, halbe Taler, Dreier, Donatywen, Örtel. Hin und wieder blinkte inmitten des Silberregens auch ein Stück aus Gold. Dubletten gab es nicht. Nur eine goldene Fünf-Dukaten-Münze mit dem Brustbild König Wladislaws und dem Panorama der Stadt auf der Rückseite war in drei, im Übrigen auch nicht identischen Exemplaren vorhanden. (Paweł Huelle: Silberregen – Danziger Erzählungen; Berlin 2000, S. 65ff., in Kurzform nacherzählt)
Danzig. 5 Dukaten mit Johann III. Sobieski (1674–1696). 986er Gold, 17,4 g, 41 mm
[Künker 323/2914. Zuschlag: 70.000 Euro]
Anhand der auf so wundersame Weise entdeckten Stücke lässt sich bruchstückhaft die Geschichte der Stadt nachvollziehen. Das Danziger Land an der Küste der Ostsee war vor über tausend Jahren von dem frühpolnischen Herrscher Mieszko I. erobert worden. Eine Burgsiedlung entstand, die in einer Quelle von 997 als Urbs Gyddanyzc bezeichnet wurde. Nach der Übernahme der Herrschaft durch den Deutschen Orden im 14. Jahrhundert kam es 1454 unter polnische Oberhoheit. Im gleichen Jahr erlaubte König Kasimir IV. den Städten Danzig, Elbing und Thorn für die Zeit des Krieges mit dem Deutschen Orden die Münzprägung. Drei Jahre später erhielt die Stadt Danzig das Münzrecht für „immerwährende Zeiten“ eingeräumt. Die Stadt hat ausgiebig von diesem Recht Gebrauch gemacht. Die Danziger Schillinge mit Namen König Kasimirs von Polen sind zahlreich und kommen in vielen Varianten vor. Als der polnische König Stephan Batory die Stadt im Jahre 1577 belagerte, entstanden die oben genannten Taler mit Jesus Christus als Herrscher der Welt. Die lateinische Umschrift bedeutet: „Errette uns, Christus, Erlöser!“ Die vor allem im 16. und 17. Jahrhundert geprägten Dukaten mit den Porträts der verschiedenen polnischen Könige waren Handelsmünzen. Die großformatigen Stücke mit einem Wert bis zu zehn Dukaten dienten der Repräsentation. Nach den polnischen Teilungen am Ende des 18. Jahrhunderts gab es für lange Zeit kaum noch eigenständige Prägungen. Erst die kurze Zeit als Freie Stadt nach dem Ersten Weltkrieg brachte wieder ein breiteres Münzschaffen hervor. Die Resultate sind heute außerordentlich begehrt. Eines der seltenen 25-Gulden-Stück aus Gold ist für 2000 Euro und mehr zu haben. Fünf Gulden aus Silber im Erhaltungsgrad „sehr schön“ kosten ab 400 Euro.
Freie Stadt Danzig. 5 Gulden von 1923. 500er Silber, 15 g, 30 mm
[MA-Shops, Kölner Münzkabinett. Verkaufspreis: 495 Euro]
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