Die Zeit der Adoptivkaiser von Nerva bis Marcus Aurelius (98 bis 180) wird allgemein als die glänzendste Periode des römischen Prinzipats angesehen. In dieser Zeitspanne wurde der Nachfolger im Amt jeweils von seinem Vorgänger adoptiert, wobei es sich hierbei - nach offizieller Schreibweise - stets um den geeignetsten Kandidaten gehandelt hatte. Gerade Marcus Aurelius, der Philosoph auf dem Kaiserthron, brach nun mit dieser bewährten Tradition, wohl auch deshalb, weil er im Gegensatz zu seinen Vorgängern einen leiblichen Erben besaß. Dieser einzig überlebende Sohn des Marcus Aurelius sollte als einer der „schlechtesten“ römischen Kaiser in die Geschichte eingehen.
Lucius Aurelius Commodus wurde am 31. August 161 zusammen mit einem schon früh verstorbenen Zwillingsbruder bei Lanuvium geboren. Zu diesem Zeitpunkt war Marcus Aurelius zusammen mit seinem Adoptivbruder Lucius Verus schon Augustus, d. h. Commodus ist „im Purpur geboren“. Wohl auf Anregung des Lucius Verus erfolgte am 12. Oktober 166 die Erhebung des Commodus und seines jüngeren Bruders Annius Verus zum Caesar. Annius Verus verstarb allerdings bereits im Jahr 169,
so dass Commodus der einzige Caesar und somit der präsumtive Nachfolger war. Nachdem Marcus Aurelius gegen die Germanen mehr oder minder erfolgreich war, nahm er 172 den Titel „Germanicus“ an,
den er auch seinem Sohn Commodus verlieh. Anfang 175 wurde Commodus in alle Priesterkollegien aufgenommen. Im Juli des gleichen Jahres erhielt Commodus in Sirmium die „toga virilis“ und den Titel „princeps iuventutis“. Anlässlich des Eintritts des Commodus in das Erwachsenenalter erfolgte ein großes Congiarium, eine Geldspende an das römische Volk. Es handelte sich hierbei um die erste Liberalitas des Commodus und um die sechste des Marcus Aurelius. Dieses Congiarium ist Thema des Aureus in Abb. 1.
Abb. 1 AV, 175, Rom, RIC III Nr. 597
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Auf der Vorderseite sehen wir die nach rechts gerichtete, drapierte Panzerbüste des jugendlichen Commodus. Als Casar trägt er keinen Lorbeerkranz, dieser war dem amtierenden Augustus vorbehalten. Das Porträt des knapp vierzehnjährigen Caesar wird geprägt von der stark gelockten Haarkappe und der ovalen Gesichtsform mit dem übergroßen Auge. Diese Merkmale besitzt auch das Porträt des Marcus Aurelius, nur dass bei diesem noch der „Philosophenbart“ und die Altersmerkmale hinzukommen. Die Legende „COMMODO CAES AVG FIL GERM“ (Commodo Caesari Augusti Filio Germanico - für Commodus Caesar, Sieger über die Germanen, dem Sohn des Kaisers) ist im Dativ gehalten, d. h.
es handelt sich um eine Für-Prägung des Marcus Aurelius für seinen Sohn. Auf dem Revers ist eine „Congiarium-Szene“ dargestellt. Auf einem hohen, reich verzierten Podest sitzt Commodus auf einer „sella curulis“, dem Amtsstuhl des römischen Magistrats. Commodus hat seine rechte Hand vorgestreckt, um einem römischen Bürger, der vor dem Podest steht, die Geldspende zu übergeben. Der Römer hält mit beiden Händen einen Teil seiner Toga ausgebreitet, um den „Geldsegen“ in Empfang zu nehmen. Vorne auf dem Podest steht Liberalitas, die Personifikation der Freigebigkeit und Großzügigkeit, mit ihren
üblichen Attributen Füllhorn und Abakus. Passend zu dem Münzbild ist dann auch die Umschrift „LIBERALITAS AVG“ (Liberalitas Augusti), die sich allerdings auf den Augustus, sprich Marcus Aurelius, bezieht, denn dieser war der eigentliche Veranlasser dieser Liberalitas. Der Aureus war ursprünglich gelocht, das Loch wurde im Nachhinein gestopft.
Abb. 2 AV, 175/176, Rom, RIC III Nr. 605
Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18203700.
Die Averslegende „COMMODO CAES AVG FIL GERM SARM“ (Commodo Caesari AugustiFilio Germanico Sarmatico - für Commodus Caesar, Sieger über die Germanen und die Sarmaten, dem Sohn des Kaisers) des Aureus in Abb. 2 ist wiederum im Dativ gehalten und gegenüber dem Aureus in Abb. 1 durch den Titel „Sarmaticus“ ergänzt. Diesen Titel nahmen Marcus Aurelius und Commodus im Herbst 175 an. Abgebildet ist die nach rechts gerichtete, drapierte und gepanzerte Büste des Commodus. Bei dem Münzporträt ist die Haarkappe deutlich weniger voluminös als bei dem ersten Aureus, so dass sogar das Ohr unbedeckt bleibt. Auch die Gesichtsform ist weniger oval, lediglich das große Auge bleibt unverändert. Der Revers zeigt in Bildmitte ein Tropaeum, ein Siegesmal. An einem langen Holzpfahl sind Rüstungsteile angebracht, deutlich zu erkennen ist der oben aufsitzende Helm, auf der linken Seite auf Armhöhe zwei kreuzförmig angebrachte Langschilde und an gleicher Stelle rechts ein Rundschild. Zu Füßen des Tropaeums sitzen zwei Gefangene mit auf dem Rücken gefesselten Händen. Die Umschrift „DE GERMANIS“ (Der Sieg - nämlich über die Germanen) gibt uns Auskunft, um wen es sich bei den beiden Gefesselten handelt: sie stehen stellvertretend für alle besiegten Germanen! Das Siegesmal in Verbindung mit der Legende zeigt eindrucksvoll, dass sich auf diesem Aureus Legende und Bild zu einer klaren Aussage ergänzen. Am 23. Dezember 176 feierten Marcus Aurelius und Commodus den Triumph über die Germanen und die Sarmaten.
Abb. 3 As, 175/176, Rom, RIC III Nr. 1538
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Auf der Vorderseite des As in Abb. 3 finden wir die gleiche Legende wie auf dem vorhergehenden Aureus, wohingegen das Münzporträt eher demjenigen auf dem Aureus in Abb. 1 gleicht. Auf dem Revers sind verschiedene Priestergerätschaften abgebildet: ein Messer (culter), ein Weihwedel (aspergillum), eine Kanne, ein Augurenstab (lituus) und eine Schöpfkelle (simpulum). Ergänzt wird die Darstellung durch die Reverslegende „PIETAS AVG“ (Pietas Augusti - die Pflichterfüllung des Kaisers - nämlich gegenüber Götter, Staat und Familie). Sicherlich nimmt diese Prägung Anlehnung an die oben bereits erwähnte Aufnahme des Commodus in alle Priesterkollegien- Lediglich das Amt des Pontifex Maximus blieb ihm bis zu seiner Machtübernahme versagt. Unten im Abschnitt ist noch das „SC“ für „senatus consultum“ zu erkennen.
Abb. 4 As, 175/176, Rom, RIC III Nr. 1544
Bildquelle: https://numid.uni-mainz.de/object?id=ID365.
Die Vorderseite des As in Abb. 4 bietet hinsichtlich Legende und Münzbild nichts Neues. Die Reversdarstellung zeigt ein für potentielle Thronfolger gebräuchliches Bild. Wir sehen die nach links gerichtete Spes, die Personifikation der Hoffnung, die in ihrer erhobenen rechten Hand eine Blüte hält, während die Linke auf Hüfthöhe das Gewand rafft. Die für den zeitgenössischen Betrachter bekannte Figur wird durch die Legende „SPES PVBLICA“ (die öffentliche Hoffnung) noch genauer beschrieben. Gemeint sind hier sicherlich die Hoffnung und das Vertrauen des römischen Volkes auf die Fürsorge des zukünftigen Kaisers. Links und rechts der Spes sind die für Aes-Nominale üblichen Buchstaben „SC“ zu
lesen.
Abb. 5 As, 177, Rom, RIC III Nr. 1550
Bildquelle: https://www.univie.ac.at/ikmk/object?id=ID1102.
Durch seine Averslegende „COMMODO CAES AVG FIL GERM TR POT COS“ (Commodo Caesari Augusti Filio Germanico Tribunicia Potestas Consul) wird das As in Abb. 5 schon ins Jahr 177 datiert. In diesem Jahr bekleidete der erst fünfzehnjährige Commodus zum ersten Mal das Amt des Konsuls - er war somit der bisher jüngste Konsul - und er hatte zum ersten Mal auch die „tribunicia potestas“ inne. Beim Münzporträt des Commodus lässt die strähnige bzw. wild gelockte Haarkappe wiederum das Ohr frei, die Gesichtszüge sind ebenmäßig, wobei das große Auge heraussticht. Auf der Rückseite ist eine nach links schwimmende Galeere abgebildet. Die vielen kleine Wellen, die das Schiff umgeben, stehen symbolisch für das Meer, genau genommen für das „mare nostrum“, das Mittelmeer. Am Bug ist sehr schön der tiefliegende Rammsporn zu sehen, über dem Bug weht ein kleines Vorsegel. Darauf folgt die Reihe der Ruderer, von denen insgesamt sechs mit Oberkörper und Kopf abgebildet sind. Allerdings ist die Zahl der Ruder nahezu doppelt so groß wie die der Ruderer. Auf dem Heck sitzt eine Figur, die sich nicht näher identifizieren lässt. Es könnte der Kaiser, der Caesar, der Steuermann oder der Kapitän sein. Über dem Heck weht wiederum ein kleines Segel und dahinter steht ein Feldzeichen. Die Schiffsdarstellung wird ergänzt durch die zweizeilige Inschrift im oberen Abschnitt der Münze: „FELICITATI CAES“ (Felicitati Caesaris - dem Glück bzw. der glücklichen Heimkehr des Caesars). Das Münzbild, das wir auch auf Prägungen des Marcus Aurelius finden, lässt sich mit einem konkreten Ereignis verbinden. Bei der Fahrt von Athen nach Brindisi Anfang November 176 gerieten Marcus Aurelius und sein Sohn in die üblichen Winterstürme, erreichten aber trotz des stürmischen Wetters glücklich den sicheren Hafen auf dem italienischen Festland.
Die hier angeführten Münzbeispiele zeigen eindrucksvoll, dass Marcus Aurelius seinen Sohn trotz seines jugendlichen Alters der Öffentlichkeit als potentiellen Nachfolger präsentierte. Er ließ hier Bildmuster verwenden, die sich im üblichen Rahmen bei der Präsentation von Thronfolgern bewegen. Hierunter fallen sicherlich die Bilder der Spes, der Priestergerätschaften, des Congiariums und des Tropaeums. Die Darstellung des Siegesmals spielt auf die Sieghaftigkeit und die militärische Eignung des jungen Caesar an und schuf somit die wichtige Verbindung des Thronfolgers zum Militär. Lediglich die Schiffsdarstellung fällt aus dem Rahmen, da sie sich auf ein zeitgenössisches Ereignis bezieht.
Horst Herzog
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