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Claudius und die Säulen seiner Macht

Horst Herzog

Nach nicht ganz vier Jahren Herrschaft wurde Caius Caesar Germanicus, den wir besser unter dem Namen Caligula kennen, am 24. Januar 41 von einer Gruppe Prätorianer und Senatoren ermordet. Dieser Verschwörung fiel aber nicht nur der allgemein verhasste Kaiser zum Opfer, sondern auch dessen Ehefrau Milonia Caesonia und ihre gemeinsame Tochter Iulia Drusilla wurden umgebracht. Alles deutete darauf hin, dass nicht nur der engste Kreis um Caligula, sondern die gesamte kaiserliche Familie getötet werden sollten. Dazu gehörte auch Tiberius Claudius Drusus (Abb. 1). Dieser war ein Enkel von Livia

Drusilla, der dritten Ehefrau des Augustus. Geboren war Claudius am 1. August 10 v. Chr. in Lugdunum. Claudius litt an zahlreichen physischen Gebrechen, gleichzeitig war er als Historiker tätig. Claudius wurde zwar im öffentlichen Leben Roms wahrgenommen, stand aber in der Rangfolge als potentieller Kaiserkandidat gefühlt in der allerletzten Reihe. Niemand von den einflussreichen Persönlichkeiten im Senat und im Heer hatte Claudius als neuen Herrscher „auf dem Schirm“.


Abb. 1 Porträt des Claudius, Marmor, Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen


Wir wissen nicht, ob Claudius von der Verschwörung wusste. Fest steht jedoch, dass er kurz vor der tödlichen Attacke auf Caligula den Ort des Geschehens verlassen hatte. Der römische Historiker Sueton beschreibt die Szene wie folgt: „Nachdem er [Claudius] unter solchen Verhältnissen den größten Teil seines Lebens verbracht hatte, kam er in seinem fünfzigsten Jahr durch einen äußerst merkwürdigen Zufall zur Regierung. Als die Verschwörer ihn samt allen übrigen von Gaius [Caligula] unter dem Vorwand fern hielten, dass dieser allein sein wolle, hatte er sich in den sogenannten Pavillon des Hermes zurückgezogen. Nicht lange darauf kroch er, durch den Lärm des Mordes erschreckt, auf die nächstgelegene Terrasse und verbarg sich zwischen den Vorhängen der Tür. In diesem Versteck fand ihn zufällig ein gemeiner Soldat, der vorbeieilte, weil er seine Füße bemerkte: er wollte wissen, wer er sei, erkannte ihn, zog ihn aus seinem Versteck hervor und begrüßte ihn, obwohl er ihm zu Füßen fiel, als Imperator“. (Sueton, Claudius, 10; dt. A. Stahr).


Nach Flavius Josephus hieß der Prätorianer, der Claudius entdeckte und zum Imperator erhob, Gratus. Noch am selben Tag wurde Claudius von den Prätorianern in deren Lager, in das er mit mehr oder minder sanfter Gewalt gebracht worden war, zum Kaiser ausgerufen. Die „Treue“ der Soldaten ließ sich Claudius fünfzehntausend Sesterzen pro Soldat kosten. Er war damit der erste römische Kaiser, der sich seine Erhebung durch das Militär mit Geld erkaufte. Der Senat war zunächst uneins über die Nachfolge des Caligula, stand aber durch die Entscheidung der Prätorianer vor vollendeten Tatsachen und musste notgedrungen einen Tag später, am 25. Januar 41, Claudius als Augustus anerkennen. Prätorianer und Senat waren die „Säulen der Macht“ des Claudius, und diese spiegeln sich, wie die folgenden Münzbeispiele zeigen, deutlich in der Münzprägung dieses Kaisers wider.


Abb. 2 AV, 41 - 42, Rom, RIC I2 Nr. 11


Der Aureus (Abb. 2) zeigt auf seiner Vorderseite den nach rechts gerichteten Kopf des Claudius mit einem Eichenlaubkranz - deutlich zu sehen an der „gezackten“ Form der Blätter. Der Kranz aus Eichenblättern ist die „corona civica“, die Bürgerkrone. Diese war ursprünglich eine hohe militärische Auszeichnung. Seit Augustus vom Senat mit der „corona civica“ wegen der Beendigung der Bürgerkriege und der „Wiederherstellung der Republik“ geehrt worden war, wird die Bürgerkrone zu einer der kaiserlichen Insignien. Wir werden weiter unten wieder auf die „corona civica“ zu sprechen kommen. Die Averslegende „TI CLAVD CAESAR AVG P M TR P“ (Tiberius Claudius Caesar Augustus Pontifex Maximus Tribunicia Potestas) datiert den Aureus in die Jahre 41/42. Auf der Rückseite des Aureus sind zwei Personen abgebildet: links ein Togatus, rechts ein Soldat. Dieser trägt einen Muskelpanzer über der Tunika und auf dem Kopf einen mit einem Löwenkopf verzierten Helm. Im rechten Arm hält der Soldat einen Rundschild und eine mit einem Adler bekrönte Standarte, d. h. es handelt sich bei dem Militär um einen Träger des Legionsadlers, einen „aquilifer“. Der „aquilifer“ reicht dem Togatus die rechte Hand. Bei dieser Geste handelt es sich um die „dextrarum iunctio“ - wörtlich übersetzt die Verbindung der Rechten. Mit dieser Geste werden Verträge besiegelt, unter anderem auch Heiratsverträge. Nimmt man nun die Reversumschrift „PRAETOR RECEPT“ (Praetorianis receptis - von den Prätorianern empfangen bzw. die Prätorianer [in Treue] erhalten) hinzu, erklärt sich das Münzbild: Der Togatus ist Claudius, der mit dem „aquilifer“ als Vertreter der Prätorianer einen „Vertrag“ schließt. Man könnte das Bild aber auch dahingehend deuten, dass der „Zivilist“ Claudius seine Macht von den Prätorianern erhalten hat. Das Münzbild ist hier sehr zweideutig. Dies wird noch dadurch unterstrichen, dass Kaiser und Soldat, entgegen der sonst üblichen Darstellungsweise, gleich groß abgebildet sind.


Auch unser nächstes Münzbeispiel, ein Aureus aus den Jahren 44/45 (Abb. 3), thematisiert die Machtübertragung an Claudius durch die Prätorianer. Auf dem Avers sehen wir den nach rechts gerichteten Kopf des Claudius, wieder mit dem Bürgerkranz. Beim Münzporträt treten im Vergleich zu dem Aureus (Abb. 2) die Alterszüge des Claudius wesentlich deutlicher hervor. Die „wulstige“ Gesichtsoberfläche ist durch Falten stark gegliedert. Die Umschrift nennt nun die vierte „tribunicia potestas“, durch die der Aureus datiert wird.


Abb. 3 AV, 44 - 45, Rom, RIC I2 Nr. 25


Auf der Rückseite ist ein römisches Lager abgebildet, in dem man zweifellos das Prätorianerlager in Rom sehen darf. Sehr schön zu sehen ist das Quadermauerwerk, das von zwei Toren mit Rundbogen unterbrochen wird. Die Mauer wird von Zinnen bekrönt. Rechts und links vermeint man auf den ersten Blick jeweils einen Turm zu sehen. Beim genaueren Hinschauen bemerkt man jedoch in beiden turmartigen Gebäuden ein Tor. Demzufolge dürften hier keine Türme, sondern die rückwärtige Mauer des Lagers abgebildet sein, die aus dem gleichen Quadermauerwerk aufgeführt ist wie die Vordermauer. In der Mitte erhebt sich ein tempelartiges Gebäude mit Giebeldreieck und Akroterien über den Giebelecken und über der Giebelmitte. Dieses Bauwerk wird allgemein als Lagerheiligtum identifiziert. In diesem Heiligtum ist links eine von einem Adler bekrönte Standarte zu sehen und rechts eine Figur, die sich leider nicht eindeutig bestimmen lässt. Die Figur ist bekleidet und hält in ihrer erhobenen Rechten einen Speer oder ein Zepter. Es ist auch nicht eindeutig klar, ob es sich um eine sitzende oder stehende Figur handelt. In der Literatur wird diese Person als Claudius, als Prätorianer, als Virtus oder als „Fides Praetorianorum“ bezeichnet. Über den beiden Fronttoren ist in großen Lettern „IMPER RECEPT“

(Imperatore Recepto - vom Kaiser empfangen) eingeschrieben. Wir finden auch bei diesem Münzbild einen direkten Bezug zu der Rolle der Prätorianer bei der Ausrufung des Claudius zum Augustus.


Abb. 4 AV, 41 - 42, Rom, RIC I2 Nr. 15


Nachdem die ersten beiden Aurei das Verhältnis zwischen Claudius und den Prätorianern widergespiegelt hatten, beziehen sich die beiden folgenden auf das Verhältnis von Claudius zum Senat. Auf dem Avers des Aureus (Abb. 4) sehen wir wieder den nach rechts gerichteten Kopf des Claudius. Die Art seines Kranzes ist nicht ganz eindeutig, doch scheint es sich auch hier aufgrund der Blattbreite wiederum um eine „corona civica“ zu handeln.


Die Legende „TI CLAVD CAESAR AVG GERM P M TR P“ (Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus Pontifex Maximus Tribunicia Potestas) nennt den vollen offiziellen Namen des Claudius mit dem Amt des Oberpriesters und der Würde der „tribunicia potestas“. Auf dem Revers ist eindeutig der Eichenlaubkranz - die Bürgerkrone - abgebildet. Innerhalb dieser Krone ist die dreizeilige Inschrift „EX S C / OB CIVES / SERVATOS“ (Ex Senatus Consultu Ob Cives Servatos - aufgrund eines Senatsbeschlusses [wurde die

Krone verliehen] wegen der Rettung der Bürger) eingeschrieben. Ob die Bürgerkrone wirklich an Claudius vom Senat verliehen wurde, und das schon zu diesem frühen Zeitpunkt seiner Herrschaft, darüber schweigen die Quellen. Der schon zitierte römische Historiker Sueton berichtete, dass Claudius bei seinem Triumph über die Britannier im Jahr 43 unter anderem auch eine „corona civica“ am Giebel seines Hauses anbringen ließ, dies sicherlich in Analogie zu seinem großen Vorbild Augustus. Nur wurde diesem 27 v. Chr. die Bürgerkrone offiziell per Senatsbeschluss verliehen.


Abb. 5 AV, 50 - 51, Rom, RIC I2 Nr. 53


Der Aureus (Abb. 5) zeigt auf seiner Vorderseite den nach rechts gerichteten Kopf des Claudius, nunmehr mit Lorbeerkranz. Die im Gegenuhrzeigersinn verlaufende Umschrift „TI CLAVD CAESAR AVG P M TR P X IMP P P“ (Tiberius Claudius Caesar Augustus Pontifex Maximus Tribunicia Potestas X Imperator Pater Patriae - …… zum zehnten Mal Inhaber der tribunicia potestas, oberster Feldherr, Vater des Vaterlandes) ist sehr ausführlich gehalten. Den Titel „Vater des Vaterlandes“ nimmt Claudius Anfang des Jahres 42 an, nachdem er vorher die Annahme verweigert hatte. Auf der Münzrückseite ist wieder die Bürgerkrone mit einer dreizeiligen Inschrift dargestellt. Diese entspricht jedoch nicht der des Aureus (Abb. 4), sondern ist etwas abgeändert: „SPQR / PP / OB CS“ (Senatus Populusque Romanorum Pater Patriae Ob Cives Servatos - der Senat und das Volk der Römer [haben verliehen den Titel] Vater des Vaterlandes [und die Bürgerkrone] wegen der Rettung der Bürger). Die Inschrift und das Münzbild machen deutlich, dass Claudius die „imaginäre“ Verleihung des Titels „pater patriae“ und der Bürgerkrone durch den Senat, und hier auch noch durch das römische Volk, ganz bewusst publik macht.


Die Aussage der beiden letztbesprochenen Aurei zeigt ein sehr einvernehmliches Verhältnis zwischen Kaiser und Senat. Der Kaiser wird, wie ehemals Augustus, mit Ehren und Titeln „überhäuft“. Dies entspricht jedoch nicht ganz der Realität. Claudius wurde erst auf Druck der Prätorianer vom Senat als Kaiser anerkannt. Und trotz mancher versöhnlichen Geste des Claudius gegenüber dem Senat gab es stets Spannungen zwischen Claudius und den Senatoren. Diese gingen soweit, dass Claudius den Senat nie ohne ausreichenden Schutz betreten hat.


Die eine Säule der Macht des Claudius, die Prätorianer, wird im Münzbild der Realität entsprechend eindrucksvoll wiedergegeben. Dagegen ist das Bild der zweiten Säule, des Senats, in der Münzprägung eher Wunsch als Wirklichkeit.


Horst Herzog

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