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Caligula und seine Familie

Horst Herzog

Am 16. März 37 verstarb der amtierende Kaiser Tiberius im Alter von 78 Jahren in Misenum am Golf von Neapel. Noch am gleichen Tag wurde Gaius Caesar Germanicus, den wir besser unter dem Namen Caligula kennen, von den in Misenum anwesenden Prätorianern auf Betreiben ihres Präfekten Quintus Macro zum Imperator ausgerufen. Zwei Tage später erfolgte dann die Erhebung des Caligula zum Augustus durch den Senat, der sich wie so oft vor vollendete Tatsachen gestellt sah. Nach seiner Ankunft in Rom am 28. März 37 wurde Caligula vom Senat mit allen Vollmachten ausgestattet.


Abb. 1 Vereinfachter Stammbaum des Kaisers Caligula


Die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der iulisch-claudischen Dynastie sind etwas verworren. Auf Caligula bezogen ergibt sich folgendes Bild (Abb. 1): Er war mütterlicherseits ein Urenkel des Augustus und väterlicherseits ein Urenkel von Livia [Drusilla], der dritten Ehefrau des Augustus. Und er war Großneffe und Adoptivenkel des Tiberius. Geboren wurde Caligula am 31. August 12 in Antium. Seine Mutter war Agrippina maior, mit vollständigem Namen Vipsania Agrippina, eine Tochter von Agrippa und Iulia, der Tochter des Augustus.

Abb. 2 D, 37 - 38, Rom, RIC I2 Nr. 14


Auf der Rückseite des Denars (Abb. 2) sehen wir die nach rechts gerichtete, drapierte Büste der Agrippina maior, der Mutter des Caligula. Agrippina maior trägt die typische iulisch-claudische Frauenfrisur: ausgehend von einem Mittelscheitel fallen die Haare in fein gewellten Strähnen zur Seite und nach hinten. Diese werden im Nacken zu Zöpfen geflochten und dort mittels einer Perlschnur zu einer Schlaufe gebunden. Hinter dem Ohr fallen zudem einige korkenzieherartige Locken bis auf die Schulter herab. Das maskulin wirkende Gesicht zeigt kaum Mimik, es wirkt streng und alterslos. Auffallend sind das klar konturierte Kinn, der volllippige Mund, die spitze Nase und das übergroße Auge. Das Münzporträt wird durch die Reverslegende „AGRIPPINA MAT C CAES AVG GERM“ (Agrippina Mater Caii Caesaris Augusti Germanici - Agrippina, Mutter des Kaisers Gaius Caesar Germanicus) eindeutig benannt. Agrippina maior wurde von Tiberius zusammen mit ihrem ältesten Sohn Nero Caesar wegen angeblicher Verschwörung auf die Insel Pandataria verbannt, wo sie 33 den Hungertod starb. Eine der ersten Amtshandlungen Caligulas war die Rückführung der sterblichen Überreste seiner Mutter von Pandataria nach Rom und deren Bestattung im Augustus Mausoleum.



Abb. 3 D, 37 - 38, Rom, RIC I2 Nr. 18


Den Vater des Caligula, Nero Claudius Drusus Germanicus, finden wir auf dem Revers des Denars (Abb. 3) dargestellt. Der nach rechts gerichtete, rechteckige Kopf trägt die für männliche Angehörige der iulisch-claudischen Dynastie typische Haarkappe. Von einem imaginären Haarwirbel am Hinterkopf fallen kurze, sichelförmige Strähnen nach vorne, zur Seite und weit in den Nacken. Die Gesichtsoberfläche ist glatt und alterslos. Wie bei Agrippina maior sind Kinn, Mund, Nase und Auge besonders betont. Durch die Reversumschrift „GERMANICVS CAES P C CAES AVG GERM“ (Germanicus Caesar Pater Caii Caesaris Augusti Germanici - Germanicus Caesar, Vater des ….) wird das Porträt klar identifizierbar. Den Titel „Caesar“ erhielt Germanicus mit der Adoption durch Tiberius im Jahr 4 v. Chr. Der als Feldherr sehr erfolgreiche Germanicus sollte nach dem Willen des Augustus Tiberius im Amt beerben. Allerdings verstarb Germanicus am 8. Dezember 19 in Daphne beim syrischen Antiochia unter ungeklärten Umständen, die Rede war von einem Giftanschlag durch den Statthalter der Provinz, Cnaeus Calpurnius Piso. Seine letzte Ruhestätte fand Germanicus im Mausoleum des Augustus.



Abb. 4 AV, 37 - 38, Rom, RIC I2 Nr. 15


Auch Augustus, der Begründer der iulisch-claudischen Dynastie und Urgroßvater des Caligula, findet sich auf Prägungen Caligulas abgebildet, so z. B. auf der Rückseite des Aureus (Abb. 4). Das wiederum alterslose Idealporträt des Augustus trägt die Strahlenkrone, ein Attribut, das zu Beginn der römischen Kaiserzeit neben dem Sonnengott Sol auf Münzen nur verstorbenen Kaisern vorbehalten war. Erst unter Nero erscheint dann der Strahlenkranz auf Münzen mit doppeltem Wert. Die Legende „DIVVS AVG PATER PATRIAE“ (der vergöttlichte Augustus, Vater des Vaterlandes) führt neben der Vergöttlichung lediglich einen der zahlreichen Titel des Augustus auf. Mit dem Münzbild und der entsprechenden Umschrift wird die dynastische Verbindung zwischen Caligula und seinem Urgroßvater nochmals herausgestellt.



Abb. 5 Dp, 39 - 40, Rom, RIC I2 Nr. 42


Der Ehe von Agrippina maior und Germanicus entstammten neun Kinder, von denen im Jahr 37 nur noch Caligula und seine drei Schwestern lebten. Nero Caesar, geboren im Jahr 6, und Drusus Caesar, geboren im Jahr 7 oder 8, waren ältere Brüder des Caligula und standen demnach in der Rangfolge der „Aspiranten“ auf den Kaiserthron vor Caligula. Nero Caesar fiel während der Regierung des Tiberius den Machenschaften des Prätorianerpräfekten Seian zum Opfer. Im Jahr 30 starb er unter ungeklärten Umständen in der Verbannung auf der Insel Pontia. Ein ähnliches Schicksal erfuhr auch sein Bruder Drusus Caesar. Durch die Intrigen des Seian in den Kerker geworfen, verhungerte Drusus Caesar im Gefängnis im Jahr 33. Mit dem Dupundius (Abb. 5) ehrte Caligula seine beiden verstorbenen Brüder. Die Art der Darstellung - zwei nach rechts galoppierende Reiter in heroischer Nacktheit, lediglich mit einem Mäntelchen bekleidet - erinnert an Münzbilder der Dioskuren Castor und Pollux. Die Legende „NERO ET DRVSVS CAESARES“ (Nero und Drusus Caesar) benennt die beiden Reiter, die als besondere Auszeichnung auch auf dem Avers abgebildet werden. Die andere Seite zeigt im Gegensatz zu den bisher behandelten Münzen nicht das Kaiserporträt, sondern das SC (Senatus Consultum) umgeben von der ausführlichen Umschrift „C CAESAR DIVI AVG PRON AVG P M TR P III P P“ (Gaius Caesar Divi Augusti Pronepos Augustus Pontifex Maximus Tribunicia Potestas III Pater Patriae - Gaius Caesar, Urenkel des göttlichen Augustus, Kaiser, oberster Priester, Inhaber der tribunizischen Gewalt zum dritten Mal, Vater des Vaterlandes).



Abb. 6 S, 37 - 38, Rom, RIC I2 Nr. 33


Nachdem wir bisher nur die toten Familienangehörigen des Caligula auf seinen Prägungen betrachtet haben, bleiben noch die - zumindest in der Anfangsphase von dessen Herrschaft - lebenden Familienmitglieder übrig. Es sind dies seine drei Schwestern Agrippina minor, Drusilla und Iulia Livilla. Alle drei zusammen sind auf dem Revers des berühmten Caligula-Sesterz abgebildet. Die drei einander zugewandten Schwestern sind durch die Inschrift namentlich benannt, gleichzeitig verkörpern sie aufgrund ihrer Haltung und ihrer Attribute römische Personifikationen bzw. Gottheiten. Alle drei Schwestern sind mit einem langen, peplosartigen Gewand bekleidet. Ganz links steht Agrippina minor, die Mutter Neros. Sie stützt sich mit ihrem rechten Arm, in dem sie ein Füllhorn hält, auf eine hüfthohe Säule. Ihre linke Hand liegt auf der Schulter ihrer Schwester Drusilla, der Lieblingsschwester des Caligula. Agrippina minor verkörpert hier Securitas, die Personifikation der Sorglosigkeit und Sicherheit. Die mittig stehende Drusilla hält in der vorgestreckten Rechten eine Opferschale und im linken Arm ein Füllhorn; damit ist sie eindeutig als Concordia, die Personifikation der Eintracht, zu identifizieren. Ganz rechts außen steht Iulia Livilla mit Steuerruder und Füllhorn, beides Attribute der Fortuna, der Göttin des Glücks bzw. des sich oft wandelnden Glücks. Alle drei Schwestern wurden von Caligula zunächst hoch geehrt, sie bekamen sogar die Ehrenrechte der Vestalinnen. Drusilla, die Lieblingsschwester des Caligula, starb bereits im Juni 38 und wurde von Caligula unter die Götter erhoben. Dagegen fielen ihre Schwestern Agrippina minor und Livilla in Ungnade und wurden 39 von Caligula auf die Pontischen Inseln verbannt.


Nahezu das gleiche Reversbild wie auf unserem Sesterz findet sich auf einer gleichzeitigen Bronzeprägung aus Apamea in Bithynien (RPC 2014). Es fehlt lediglich das SC, und die Inschrift über Drusilla lautet nun „DIVA DRVSILLA“. Interessanterweise sind auf dem Avers dieser Münze die einander zugewandten Köpfe von Nero und Drusus Caesar abgebildet, so dass auf dieser Prägung fünf Geschwister des Caligula vereint sind.


Aufgrund der hier angeführten Münzbeispiele könnte man meinen, Caligula wäre ein „Familienmensch“ gewesen, der die Familientradition hoch hielt. Doch dienten diese Prägungen, vor allem die für seine Eltern und die für Augustus, in erster Linie seiner Herrschaftslegitimation. Die Ehrungen für seine Schwestern waren sehr kurz und, wie Fortuna, dann doch sehr wechselhaft!


Horst Herzog

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