In seinem Roman Der Funke Leben zeichnet der mit Im Westen nichts Neues berühmt gewordene Schriftsteller Erich Maria Remarque das Bild eines deutschen Konzentrationslagers im Zweiten Weltkrieg. Während sich SS-Offiziere bereicherten, kämpften die Häftlinge mit allen erdenklichen Mitteln ums Überleben: „Der Waschraum war bereits ein Platz für den etwas besseren schwarzen Markt. Auf der Latrine wurden höchstens Brotkrusten, Abfall und ein paar Zigarettenstummel umgesetzt. Der Waschraum dagegen war schon ein Ort für die kleinen Kapitalisten.“ (Erich Maria Remarque, Der Funke Leben, Köln 2018, S. 146).
Eines Tages hatte der Häftling Lebenthal aus Baracke 22 eine Kostbarkeit dabei, die nicht registrierte Goldkrone eines verstorbenen Häftlings. Dafür würde er mehr als das Übliche eintauschen können. Zwei potenzielle Abnehmer hatte er an der Hand. Ein Vormann aus einem der Außenkommandos offerierte ihm einige Pfund Kartoffeln und ein Pfund Fett. Ein schwuler Kapo namens Bethke schien jedoch mehr anzubieten. Er brauchte ein Geschenk für die Liebesdienste eines Jünglings. Einer der Küchenbullen stand neuerdings in Konkurrenz um die Gunst des jungen Mannes. Der hatte ihm Nahrungsmittel zu bieten.
„Hast du den Zahn bei dir?“ fragte Bethke.
„Nein.“
Sie standen draußen. „Ich kaufe nichts, was ich nicht sehe.“
„Eine Krone ist eine Krone. Backenzahn. Schweres, solides Friedensgold.“
„Mist! Erst sehen! Sonst ist nichts zu wollen.“ (…)
„Schön, dann nich“, sagte er ruhig. „Andere Leute sind nicht so schwierig.“
„Andere Leute! Quatschkopf! Finde erstmal welche.“
„Ich weiß welche. Gerade jetzt war einer da.“ (…)
Bethke stutzte. „Wer? Der Küchenbulle?“ (…)
„Du Gauner!“ sagte Bethke wütend. „Du Erzgauner!“ (Ebenda, S. 150f.)
Fünfundsiebzig Reichsmark nannte Lebenthal als Preis für die Goldkrone. Der Kapo lehnte den zunächst routinemäßig ab. Er bot den Häftlingen kaum noch bekannte Naturalien: Einen echten Hasen wollte er besorgen, dazu einen Laib Brot! Lebenthal schlug ein.
Die Fakten für seinen Roman bezog Remarque unter anderem von Eugen Kogon. Dieser war zwischen 1939 und 1945 als NS-Gegner im Konzentrationslager Buchenwald interniert. Im Jahr 1946 veröffentlichte er sein Buch Der SS-Staat, das bis heute als Standardwerk zum System der Konzentrationslager gilt. Zur Geldwirtschaft heißt es im dortigen Kapitel über die Rolle des Geldes: „Der Geldempfang beschränkte sich je Häftling und Monat auf 30 Mark. Etwa ein Drittel der Insassen der KL waren auch tatsächlich in der Lage, Geld von ihren Angehörigen zu bekommen. Der Rest lebte, soweit es ging, auf Kosten der anderen, was ebenfalls einen Teil der in den Lagern überall herrschenden Korruption erklärt. Das Geld wurde dem Häftling auf einem Konto in der Häftlingsgeldverwaltung gutgeschrieben. Die Auszahlung erfolgte zwei- bis vierwöchentlich, oft nach Willkür. Man musste unter allen möglichen Schikanen stundenlang anstehen, besonders vor hohen Feiertagen wie Weihnachten, wo die Auszahlung zwei bis drei Tage Warten in der Kälte erforderte. Niederwerfen in den Dreck, halbstundenweise auf dem Bauch liegen, kehrtmachen, so dass die ersten Reihen, die bereits bis zu vier und fünf Stunden angestanden waren, die letzten wurden, das waren so die Begleitumstände der Geldauszahlung. Dass in der Schnelligkeit, in der dem Häftling die Beträge am Schalter hingeworfen wurden, mancher Schein und manches Fünfmarkstück fehlte, verstand sich fast von selbst, bis die Häftlinge selbst die Abwicklung der Auszahlung in die Hand bekamen.“ (Eugen Kogon, Der SS-Staat, Reinbek 1974, S. 123).
Mit dem empfangenen Geld konnte in speziellen Läden eingekauft werden. In einem Fall wurden Münzen aber auch zu Erinnerungsstücken verarbeitet: Der französische Häftling Pierre Provost (1896-1985) gravierte in Buchenwald heimlich Medaillen, die er an Mithäftlinge verschenkte. Auf ihnen sind Gefangene zu sehen, die einen Leichenkarren ziehen, ein Steinträger, ein Gehängter und immer wieder das Lager aus der Vogelperspektive. Im Jahr 2015 gab es eine Sonderausstellung im Gebäude der ehemaligen Desinfektion auf dem Gelände der Gedenkstätte Buchenwald. Auf der Website der Gedenkstätte heißt es: „Heimlich gravierte er auf gefundene und bearbeitete Materialien wie 5-Reichsmark-Münzen oder Löffel Lagermotive und symbolische Darstellungen, fertigte Medaillen und Plaketten.“ (www.buchenwald.de/1322/).
Nach der Befreiung des Lagers kehrte der Häftling mit der Nummer 39705 nach Frankreich zurück. Eine erste offiziell geprägte Medaille von Provost erschien im Jahr 1946 anlässlich des 1. Kongresses der Überlebenden der Konzentrationslager. Das großformatige Stück aus Bronze mit der Inschrift EUROPE UNDER HITLER 1939 1945 wurde in einer Auflage von 232 Exemplaren an der Monnaie de Paris geprägt.
Eine Medaille, die anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung des KZ Buchenwald erschien, zeigt die Zeremonie des Schwurs, den die Überlebenden am 19. April 1945 zum Gedenken an die Toten leisteten. Das Original hatte Provost noch wenige Tage vor seiner Abreise aus Buchenwald graviert.
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