Auf seinen Triumph über die freie Stadt Braunschweig ließ Herzog Rudolph August 1679 in Zellerfeld Löser (Mehrfachtaler) zu 6, 5, 4 und 3 Reichstaler prägen. Der Löser zu 6 Reichstaler zeigt vorderseitig die nach rechts gewandte drapierte Büste des Herzogs mit Allonge-Perücke und nennt die Umschrift "D[ei] G[ratia] RUDOLPH AUGUSTUS DUX BRUNS[vigensis] ET LU[neburgensis]" (Rudolf August von Gottes Gnaden Herzog von Braunschweig und Lüneburg). Rückseitig sehen wir ganz oben ein nach rechts fahrendes „Staatsschiff“ mit Segeln und Rudern und darunter die Stadtansichten von Braunschweig und von Wolfenbüttel. Im Abschnitt erscheint das Emissionsjahr und dazwischen eine im Oval eingepunzte 6 als Wertangabe in Taler. Über dem Staatsschiff oben findet sich zudem ein Strahlenkranz der Sonne mit dem Wort "JAHWE" in Hebräisch darin und darüber die Aufschrift "REMIGIO ALTISSIMI" (Durch das Steuern des Höchsten). (Abb. 1)
Abb. 1: Braunschweig-Wolfenbüttel. Löser zu 6 Reichstaler 1679, Silber 173,08 g, Ø 78 mm, Münzstätte Zellerfeld. Bildquelle: F. R. Künker, Auktion 350 (29. Juni–1. Juli 2021), Los 620.
Nachdem Herzog Heinrich der Löwe 1180 Sachsen und Bayern verloren hatte, war den Welfen nur noch ihr eigener Besitz zwischen Weser und Elbe geblieben. Diesen erhielt dann 1235 Otto I., das Kind, als Herzogtum Braunschweig-Lüneburg. Auf Grund der Teilungen von 1267, 1285/86, 1428 und 1495 waren die Fürstentümer Lüneburg, Calenberg, Göttingen, Grubenhagen und Wolfenbüttel entstanden. Die Stadt Braunschweig wiederum war seit 1432 unabhängig und frei.
Nun waren die Bürger dieser großen, reichen und freien Stadt Braunschweig schon immer bemüht gewesen, ihre verbrieften Freiheitsrechte zu bewahren, doch diesen Interessen standen jene der welfischen Herzöge entgegen, die ihre Landesherrschaft auch gegenüber den Städten in ihren Territorien durchsetzen wollten. Zu diesem machtpolitischen Ringen gesellte sich dann nach der Reformation noch ein religiöser Streit hinzu. So gelangte Braunschweig, das sich 1528 der protestantischen Bewegung angeschlossen hatte, damit in Konflikt mit Herzog Heinrich dem Jüngeren (1514–1568), zumal das Schmalkaldische Bündnis, zu dem auch Braunschweig gehörte, Herzog Heinrich 1542 aus seinem Land vertrieb und dieser später sogar in protestantische Gefangenschaft geriet. Erst der Sieg Karls V. bei Mühlberg (1547) befreite ihn und erlaubte ihm eine Rückkehr an die Schalthebel der Macht. Danach belagerte er Braunschweig zweimal, konnte die Stadt aber nicht einnehmen. 1553 im Frieden von Wolfenbüttel musste Braunschweig die Landeshoheit von Herzog Heinrich dennoch anerkennen und eine hohe Kriegsreparation an ihn leisten.
Abb. 2: Zeugnis städtischer Autonomie - die eigenständige Talerprägung während des Schmalkaldischen Krieges. Stadt Braunschweig. Taler 1546, Silber 28,72 g, Ø 40 mm, Münzstätte Braunschweig. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202038, 28.03.2024.
Doch war der Konflikt damit längst nicht ausgestanden, zumal die Braunschweiger Herzog Heinrich Julius (1589–1613) und dem Reich überkommene Rechte verweigerten, was dazu führte, dass der Herzog 1605 versuchte die Stadt im Handstreich zu nehmen, was aber mißlang. Kaiser Rudolf II. verhing 1606 die Reichsacht über Braunschweig, woraufhin dieses sich in der Folge nach neuen Bündnispartnern umsah. 1611 schloss Braunschweig ein Bündnis mit den niederländischen Generalstaaten. Diese konnten dann 1615 die dreimonatige Belagerung Braunschweigs durch Herzog Friedrich Ulrich (1613–1634) erfolgreich beenden. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, d. h. nach 1648, kamen die Auseinandersetzungen zwischen den Welfenherzögen und Braunschweig allerdings zu einem unerwarteten und jähen Ende.
1671 jedoch schlossen sich die Braunschweig-Lüneburger Herzöge – also Georg Wilhelm vom Fürstentum Lüneburg, Johann Friedrich vom Fürstentum Cahlenberg sowie Rudolf August und Anton Ulrich vom Fürstentum Wolfenbüttel – militärisch zusammen, um gegenüber Münster ihre Ansprüche auf Höxter durchzusetzten. Mit ihrem starken und geeinten Heer rückten sie dann im Juni 1671 auch gegen Braunschweig vor und eroberten die Stadt nach dreiwöchiger Belagerung. Im Anschluss daran verzichteten die Herzöge und Fürsten von Lüneburg und Calenberg auf ihre Rechte an Braunschweig, gegen territoriale Entschädigungen und Zimelien (Kostbarkeiten). Die eroberte Stadt fiel somit an Wolfenbüttel und seine Fürsten Rudolf August (1627–1704) (Abb. 3) und Anton Ulrich (1633–1714).
Abb. 3: „Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel“ (vor 1700). Gemälde von Hans Hinrich Rundt (1660–1750). Bildquelle: Wikimedia Commons.
Diese besetzten Braunschweig mit einer 5000 Mann starken Garnison und entzogen der Stadt ihr gesamtes Vermögen. Parallel dazu lösten sie den bestehenden Stadtrat auf und ersetzten ihn durch einen neuen Rat aus herzoglichen Anhängern und einer herzoglichen Stadtkommission. Auf diese Weise büste Braunschweig seine städtische Freiheit endgültig ein, wurde später aber Residenzstadt von Braunschweig-Wolfenbüttel.
Übrigens, Rudolf August, der älteste Sohn von Herzog August dem Jüngeren und Dorothea von Anhalt-Zerbst, war seinem Vater 1666 als Herzog zu Braunschweig-Lüneburg und Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel im Amt gefolgt. Ein Jahr später, 1667 also, berief er seinen 6 Jahre jüngeren, machtbewussten Bruder Anton Ulrich zu seinem Statthalter. In der Folge zog sich Rudolf mehr und mehr von den Regierungsgeschäften zurück und überließ diese seinem Bruder. Er selbst widmete sich seiner umfangreichen Privatbibliothek, der Jagd und entwickelte zudem eine rege Bautätigkeit. 1695 ließ er beispielsweise die Wasserburg in Vechelde zum fürstlichen Landschloss Vechelde umbauen und zwischen 1695 und 1702 ließ er die Seesener Hof- und Schlosskirche St. Andreas erbauen. 1685 ernannte er Anton Ulrich zum Herzog von Braunschweig-Lüneburg und zum gleichberechtigten Mitregenten. 1704 verstarb Rudolf August und Anton Ulrich regierte als Alleinherrscher bis zu seinem Tode im Jahre 1714.
Der in Abb. 1 gezeigte Löser zu 6 Reichstalern, der extrem selten ist, gelangte im Juli 2021 in der 350. Auktion von F. R. Künker zur Versteigerung. Sein Schätzpreis betrug 50.000,– Euro. Der Zuschlag erfolgte bei 125.000,– Euro.
Michael Kurt Sonntag
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