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Michael Kurt Sonntag

Biene von Kyzikos

„Im Moment der Drucklegung erschien ein neuer, unbekannter Münztyp im Handel.“ (So Silvia Mani Hurter und Hans-Joachim Liewald in ihrem Artikel „Neue Münztypen der Kyzikener Elektronprägung“ in: Schweizerische Numismatische Rundschau, Bd. 81, Bern 2002, S. 39, Addendum). Die Aussage bezieht sich auf eine Elektronhekte (1/6 Stater) von Kyzikos, die vorderseitig eine Biene in Draufsicht und rückseitig ein vierfach geteiltes Quadratum incusum trägt.


Kyzikos (Mysien). Hekte (um 370/360-340/330 v. Chr.), Elektron, 2,66 g, 11 mm, Münzstätte Kyzikos. Bildquelle: Roma Numismatics Ltd, E-Sale 55 (18. April 2019), Los 363.

Und in der Tat dieser Münztypus findet sich weder im Standardwerk des Hans von Fritze, Die Elektronprägung von Kyzikos, Nomisma VII, Berlin 1912, noch in der bis 2002 publizierten neueren Literatur zu den Münzen von Kyzikos. Sieht man sich die Biene dieser Elektronhekte genauer an, so fällt dem in der antiken griechischen Numismatik etwas Bewanderten sofort auf, dass sie keine originale kyzikener Schöpfung ist, sondern von den Münzen im ionischen Ephesos entlehnt wurde.


Ephesos (Ionien). Tetradrachmon (370-360 v. Chr.), 15,15 g, 22,66 mm. Bildquelle: Künker, Auktion 204 (12. März 2012), Los 290.


Ephesos (Ionien). Tetradrachmon (350-340 v. Chr.), 15,19 g, 23 mm. Bildquelle: Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 398 (28.-30. April 2009) Los 264.

In Ephesos war die Biene nämlich sowohl Stadtwappen als auch heiliges Tier der Göttin Artemis. So dass man sich auch nicht wundern braucht, wenn die jungfräulichen Priesterinnen der Artemis „Honigbienen“ (MELISSAI) genannt wurden. Und doch war die Biene im ursprünglichen Artemiskult nicht vertreten, sondern entstammte dem Kult der hethitischen Natur- und Muttergöttin Kubaba (in Ionien auch Kybebe genannt). In den Kult der Artemis wurde sie vermutlich erst im 7. Jh. v. Chr. aufgenommen, als die Ionier die Eigenschaften und die heiligen Tiere der Kubaba zum Teil auf Artemis übertrugen.


Woher weiß man aber, dass diese Elektronhekte aus Kyzikos und nicht aus Ephesos stammt? Nun, zum einen fehlen bei ihr die Buchstaben (Epsilon) und (Phi), die die Biene auf den ephesischen Münzen als Stadtkürzel flankieren und zum anderen trägt sie unter dem Bienenmotiv einen schwimmenden Thunfisch, der bekanntlich das Stadtwappen von Kyzikos war.


Folgt man diversen Auktionskatalogen, dann wurde diese kyzikenische Bienen-Hekte zwischen 450 und 400 v. Chr. geprägt. Würde diese Prägeperiode stimmen, dann hätten sich die Stempelschneider aus Kyzikos allerdings an den nachfolgenden Münzen von Ephesos orientieren müssen, da nur sie alt genug gewesen wären, um als Vorbild zu dienen.

Ephesos (Ionien). Tetradrachmon (um 480-450 v.u.Z.), 13,26 g, um 20 mm. Bildquelle: Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 406 (25. April 2012) Los 120.


Ephesos (Ionien). Didrachmon (um 450-420 v.u.Z.), 7,40 g, 17,5 mm. Bildquelle: Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 398 (28.-30. April 2009) Los 261.


Ephesos (Ionien). Tetradrachmon (404-390 v. Chr.), 14,88 g, 28 mm. Bildquelle: Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 398 (28.-30. April 2009) Los 263.

Betrachtet man jedoch diese frühen ephesischen Bienen eingehend, stellt man fest, dass ihre Flügel vom Flügelansatz her bogig und nicht gerade verlaufen und damit überhaupt nicht zu jenen der Hekte passen. Da die Biene der Hekte stilistisch sehr viel mehr Übereinstimmung mit den Bienen der Tetradrachmen aus Abb. 2 und 3 zeigt, wenngleich sie auch keine 1:1 Kopie dieser darstellt, scheint mir eine Datierung der Hekte in die Periode 370/360-340/330 v. Chr. für eindeutig plausibler.

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