Schaut man in die Münzgeschichte der Neuzeit, dann fallen einem da und dort Stücke meist aus Silber auf und manchmal sogar in die Hände, die so beliebt waren, dass man sie lange Zeit nach ihrem ersten Erscheinen nachgeprägt hat. Dies geschah nicht in betrügerischer Absicht, sondern um Wünsche des Publikums nach solchen Erinnerungsstücken zu befriedigen. Ein treffliches Beispiel für Verehrung dieser Art geprägten Metalls sind die Kölner Dreikönigs- oder Ursulataler aus dem frühen 16. Jahrhundert: Die bretonische Prinzessin Ursula soll auf der Rückfahrt von einer Pilgerreise nach Rom mitsamt 11.000 Gefährtinnen von bösen Hunnen ermordet worden sein, die Köln belagerten. Den im Stil der Gotik gestalteten Talern schrieb man Schutz vor Unglücksfällen, Krankheit und „bösem Blick“ zu. Auf der Vorderseite sind die auch Weisen aus dem Morgenland genannten Heiligen drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar dargestellt, wie sie gleichsam das Kölner Wappen bewachen und segnen. Auf der Rückseite steht die Heilige Ursula in Begleitung der Jungfrauen an Bord eines Segelschiffs. Die Heiligsprechung der frommen Prinzessin und Märtyrerin trug ihr ehrendes Gedenken in Köln, den Bau einer Kirche und Verehrung durch Gemälde, Skulpturen und eben auch die Ursulataler ein. Die Vielzahl der Varianten unterstreicht, welch hohen Rang man den Ursulatalern als Amulett und Beleg für eine Pilgerfahrt zuschrieb. Dass auf ihnen auch ein Papst mit seiner dreifachen Krone dargestellt ist, geht auf die Legende zurück, dass dieser mit weiteren Kirchenfürsten an der Rückfahrt von Rom teilgenommen hat.
Die mit den Jahreszahlen 1512 und 1516 versehenen Ursulataler [Gorny & Mosch 281/1306] wurden rund um den Kölner Dom an Pilger verkauft. Von ihnen kommen Doppelstücke sowie ganze und halbe Taler, Zweidrittelstücke und weitere Werte vor, und es gibt auch besonders kostbare Abschläge aus Gold.
Da mit der Zeit die Zahl der aus dem frühen 16. Jahrhundert geprägten Münzen ausgegangen war, haben geschäftstüchtige Unternehmer sie zwischen 1610 und 1630 in altem Stil nachgeprägt, allerdings ohne Jahreszahl. Bei ihnen handelt es sich um ein interessantes Zeugnis für die Beliebtheit von Münzen jenseits ihrer Verwendung als Zahlungsmittel. Sammler können sich glücklich schätzen, wenn sie einen dieser Raritäten besitzen. Der Münzhandel bietet ab und zu Originale und spätere Nachprägungen an.
Die kursächsischen Sophiendukaten von 1616 [Künker 354/5238] waren so beliebt, dass man sie bis 1872 nachgeprägt hat.
Jede Menge Nachprägungen wert waren die sächsischen Sophiendukaten. Kurfürstin Sophie ließ die Goldstücke 1616 für ihre Kinder zum Weihnachtsfest prägen. Da aber die mit dem Monogramm der frommen Landesmutter unterm Kurhut sowie der göttlichen Taube und der Umschrift HILF DV HEILIGE DREYFALTIGKEIT geschmückten Goldmünzen sehr beliebt waren, hat man sie fast unverändert bis 1872 geprägt. Allerdings mussten die Stempel immer wieder neu geschnitten werden, was zu kleinen Abweichungen von den Originalen führte. Die Umschrift WOL DEM DER FREVD AN SEINEN KIND: ERLEBT war sicher der Grund dafür, dass sich die Goldstücke auch als Taufgeschenke eigneten. Dem „Handwörterbuch der gesammten Münzkunde“ von Carl Christoph Schmieder (Halle 1811) kann man entnehmen, dass die Dukaten „neuerlich“ auch in Nürnberg nachgeschlagen wurden. Da es damals kein Copyright für das Design gab, mussten die Fabrikanten nicht befürchten, dass man sie wegen Bruch der Urhebergesetze belangt.
Eine Nachprägung aus dem 17. Jahrhundert ist der von den Wiedertäufern geprägte Taler mit der Jahreszahl 1534 [Künker 249/1838].
Nachgeprägt wurden auch beiderseits mit Inschriften versehene Taler, die an das im westfälischen Münster aufgerichtete Königreich der Wiedertäufertaler erinnern. Die Propagandamünzen dienten als Erkennungszeichen der „Aposteln“, die ausgesandt wurden, um Bewohner benachbarter Städten zu missionieren und um Hilfe für die belagerte Stadt zu bitten. Dass die aus Gold und Silber gefertigten Wiedertäufertaler auch als spätere Nachprägungen vorkommen, zeigt, dass die Ereignisse von 1534/35 auch später noch sehr präsent waren. Spezialisten können sie einzelnen Stempelschneidern anhand von Signaturen und anderen Merkmalen zuordnen. Im 17. Jahrhundert beschafften sich Gesandte bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden nach dem Dreißigjährigen Krieg solche Souvenirs, die der Münzmeister Engelbert Ketteler mit einem „K“ zeichnete. Andere Nachprägungen mit dem Buchstaben „P“ weisen auf den münsterschen Münzmeister Hermann Potthof, der Originalstempel verwendet hat.
Eine der erfolgreichsten Silbermünzen der Neuzeit ist der Maria-Theresien-Taler, benannt nach der österreichischen Erzherzogin, die von 1740 bis 1780 regierte [Maria-Theresien-Taler: Künker 335/4783; Punze: KHM Wien, Inv.-Nr. ST 543; Stempel: KHM Wien, Inv.-Nr. ST 538]
Von den hochwertigen Maria-Theresien-Talern mit der Jahreszahl 1780 stammen die wenigsten tatsächlich noch aus dem späten 18. Jahrhundert. Die meisten sind, da man sie immer wieder mit unveränderten Porträt der 1780 verstorbenen Titularkaiserin und dem gekrönten Doppeladler nachgeprägt hat, viel jünger. Die Maria-Theresien-Taler konnten sich gegen starke Konkurrenz als Handelsmünze für den Orient, vertrieben unter anderem durch Augsburger Kaufleute, auf der Beliebtheitsskala ganz oben behaupten. Versehen mit der lateinischen Randschrift "Justitia et Clementia" (Gerechtigkeit und Milde), war die Münze bis 1858 in Österreich offizielles Zahlungsmittel, klingelte aber auch lange danach in den Geldbeuteln und Kassen des Vielvölkerstaates und in anderen Ländern. Weitere Beispiele für die Nachprägung beliebter Münzen sind die Vier-Dukaten-Stücke von 1915 mit dem Bildnis des österreichischen Kaisers Franz Joseph, aber auch niederländische Dukaten, die seit dem 18. Jahrhundert unverändert bis heute mit einem stehenden Ritter und einer Schrifttafel geschmückt sind.
Als Anlagemünze und manchmal auch heute noch als Goldschmuck verwendet werden die österreichischen Vier-Dukaten-Stücke [Sincona 83/3437], die mit der Jahreszahl 1915 bis heute nachgeprägt werden.
Nach der Oktoberevolution, durch die 1917 in Russland die Bolschewiki unter Lenins Führung an die Macht kamen und radikal und sehr blutig mit der alten Zarenherrschaft abrechneten, dauerte es bis 1921, dass neue sowjetrussische Münzen ausgegeben wurden. Die Bilder auf den Werten zwischen einem Rubel und zehn Kopeken unterschieden sich in der Gestaltung fundamental von denen, mit denen man bisher bezahlte. Das neue, aus Hammer und Sichel bestehende Sowjetwappen symbolisiert die Einheit von Arbeiterklasse und Bauernschaft, wie man damals sagte. Die Zahlen im fünfzackigen Stern auf den Rubel- und Fünfzig-Kopeken-Stücken geben den jeweiligen Wert an. Die ins Deutsche übersetzte Umschrift „Proletarier aller Länder, vereinigt euch“ ist ein Zitat aus dem Kommunistischen Manifest von Marx und Engels aus dem Jahr 1848. Zu den silbernen Rubel- und Kopekenwerten gesellten sich 1923 Goldmünzen im Wert von zehn Rubeln. Die so genannten Tscherwonzen wurden nur kurze Zeit vor allem zur Bezahlung von Rechnungen im Ausland hergestellt. In späten Sowjetzeiten hat man diese seltenen Goldstücke mit neuen Jahreszahlen nachgeprägt. Über sie haben sich jene Münzsammler gefreut, für die die seltenen Originale von 1923 unerreichbar waren.
Der aus der frühen Sowjetunion stammende Tscherwonez wurde 1980 nachgeprägt und kann daher mit dem Original von 1923 nicht verwechselt werden [Künker eLive Auction 73/7534].
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