Belgiens König Albert I. und Joseph Guillemot nach dessen Olympiasieg (1920) – Bildquelle: Wikimedia, Le Miroir des sports
Die Olympischen Spiele von Antwerpen im Jahre 1920 hätten beinahe gar nicht stattgefunden. Ein Teil der Schlachten des Ersten Weltkrieges war nämlich auf dem Territorium von Belgien ausgetragen worden. Der Amerikaner Gustavus T. Kirby kümmerte sich nach Kriegsende im Auftrag der US-Regierung um die Versorgung der hungernden Belgier mit Lebensmitteln. Kirby war zugleich Präsident des Nationalen Olympischen Komitees der USA. Um ein Zeichen für den Neuanfang zu setzen, kümmerte er sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele in dem von schweren Kriegszerstörungen gezeichneten Land. Die Spiele verliefen jedoch anders als vor dem Krieg: „Bei öffentlichen Terminen während der Olympischen Spiele trug der König seine Militäruniform. Nach der Eröffnungsfeier besuchte er verwundete Soldaten in einem Krankenhaus. Und er legte Wert auf den Austausch mit Sportlern. Zum Beispiel mit dem französischen Läufer Joseph Guillemot. Der war im Krieg schwer verletzt worden. Trotzdem gewann er in Antwerpen über 5.000 Meter.“ [1] Auf den letzten Metern war es ihm gelungen, den legendären norwegischen Langstreckenläufer Paavo Nurmi zu überholen. Auf einem zeitgenössischen Foto sieht man, wie Guillemot aus der Hand des Königs eine Siegerstatuette sowie die Goldmedaille erhält. Die kunstvoll gestaltete Medaille von Josuë Dupon war allerdings nur aus vergoldetem Silber. Das war in Stockholm acht Jahre zuvor noch anders. Trotz der umfangreichen Sparmaßnahmen im Vorfeld der Spiele gingen die Organisatoren mangels Publikum aber bereits während der Veranstaltung pleite.
Silbermedaille auf die Olympischen Spiele von Antwerpen 1920. 86 g, 60 mm
[Bonham Network, Bruun Rasmussen Auctioneers]
Nach seiner Gründung im Jahre 1830 war Belgien zum ersten Industrieland auf dem europäischen Kontinent aufgestiegen. Als Mitglied der Lateinischen Münzunion produzierte es Unmengen an Goldmünzen. Im Jahr 1900 galt es als achtgrößte Industrienation der Welt. Die Zerstörungen waren daher ein gravierender Rückschlag: „In Belgien war das ganze Staatsgebiet in Mitleidenschaft gezogen, die Ernten ruiniert, das Land für die Bebauung untauglich, Fabriken, Bergwerke und Häuser vernichtet. […] Etwa 100.000 Häuser, entsprechend sechs Prozent des Bestandes von 1914, wurden zerstört oder unreparierbar beschädigt, drei Viertel des Bestands an rollendem Material der Eisenbahn und ein Fünftel des festen Lagervorrats unbrauchbar gemacht, und zur Zeit des Waffenstillstandes befanden sich nur 80 Lokomotiven in einem leidlichen Betriebszustand; etwa die Hälfte der Stahlwerke waren völlig vernichtet, der Rest größtenteils schwer beschädigt. Die Lage auf dem Land sah nicht viel anders aus. Artilleriefeuer hatte über 97.000 ha Land für die Bebauung untauglich gemacht und den Viehbestand dezimiert.“ [2] Im Versailler Vertrag war Belgien zwar eine Wiedergutmachung in Höhe von zwei Milliarden Goldmark zugesichert worden. Doch die Zahlungen aus Deutschland kamen immer wieder ins Stocken. Der Aufbau des Landes wurde daher vor allem über die Notenpresse finanziert. So kam es zu einer galoppierenden Inflation und einer Kapitalflucht aus Belgien. Die ab 1923 produzierten Nickelmünzen mit geringen Nennwerten wurden mithilfe des Vermerks „gut für“ als Zwischenlösung ausgewiesen. Infolge des Niedergangs kündigte Belgien im Jahre 1925 seine Mitgliedschaft in der Lateinischen Münzunion.
Belgien. 2 Francs von 1924. Nickel, 10 g, 27 mm [Coinscatalog]
Als im Frühjahr 1926 bekannt wurde, dass der Versuch einer Stabilisierung der Währung bei einem Kurs von 107 Francs für ein britisches Pfund fehlgeschlagen war, brach Panik aus. Der Wechselkurs rutschte innerhalb kurzer Frist bis auf 230 Dollar ab. Eine neue Regierungskoalition nahm sich des Problems an. Mit Erfolg: „Am 23. Oktober 1926 wurde zwischen der Regierung und einer bedeutenden Gruppe ausländischer Banken eine Anleihe von 100 Millionen Dollar an Belgien vereinbart. Die Anleihe wurde erfolgreich in New York, London, Amsterdam, Zürich und Stockholm platziert.“ [3] Mithilfe der Kreditlinie wurde eine goldgedeckte Währung geschaffen. Die New York Times meldete am 25. Oktober 1926: „Ab heute wird die belgische Währung mit 174,30 Francs zum Pfund und 36 Francs zum Dollar stabilisiert, und es gibt eine neue Währungseinheit, der Belga, die auf Gold basiert und 35 Francs zum Pfund und 7,20 zum Dollar entspricht. Der Belga wird nur im Außenhandel verwendet.“ [4] Der wegen der vorherigen Spekulation auf nur ein Siebtel des Vorkriegswertes angesetzte Wechselkurs erwies sich als segensreich. Das Vertrauen der Investoren kehrte zurück. Der Außenhandel kam auf Touren. Wirtschaftswissenschaftler nannten die Jahre von 1926 bis 1930 „un grande époque“. Der Außenhandel erfolgte auf Goldbasis. Im Inland kamen bald Silbermünzen in den Umlauf: „Ende Dezember 1929 beliefen sich die Summe der ausgegebenen Banknoten auf 13.425 Millionen Franken, die Goldreserven auf 5.875 Millionen Franken und die ausländischen Vermögenswerte auf 2.890 Millionen Franken.“ [5]
Belgien. Albert I. 20 Francs = 4 Belga von 1931. 900er Goldabschlag, 33,94 g, 37 mm
[Numista, Classical Numismatic Club]
Die im Herbst 1929 ausgebrochene Weltwirtschaftskrise schien das wegen des niedrigen Wechselkurses seiner Währung bevorteilte Belgien zunächst zu verschonen: „Die Unterbewertung verzögerte möglicherweise Belgiens Eintritt in die Depression, da die Exporte bis Ende 1929 standhielten. Doch die Industrieproduktion begann schon im Frühjahr 1929 abzuflachen, wenn auch ein klarer Abwärtstrend erst zu Beginn des Jahres 1930 deutlich in Erscheinung trat.“ [6] Um die Währung stabil zu halten, schloss sich Belgien im Juli 1933 dem sogenannten Goldblock an, zu dem auch Frankreich, Italien, Polen, die Schweiz und die Niederlande gehörten. Die „harte“ Währung musste auf dem internationalen Markt jedoch mit starken Preisnachlässen bezahlt werden. Die Auswirkungen der einsetzenden Deflation schädigten die Wirtschaft nachhaltig. Als es daraufhin zu einer Bankenkrise kam, verließ Belgien im März 1935 den Goldblock.
Belgien. Albert I. 20 Francs von 1934. 680er Silber, 11 g, 28 mm [CoinBrothers]
Quellen
Jasper Truyens nach: Olympia 1920 in Antwerpen – Festival der Entbehrung.
Derek H. Aldcroft: Geschichte der Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert – Die zwanziger Jahre. München 1978, S. 32f.
U.S. Department of Commerce: Trade Promotion Series. Washington 1930, Nr. 102, S. 14.
Belgian currency put on a gold basis; in: New York Times. 25.10.1926, S. 1.
Trade Promotion Series, Washington, Nr. 102, S. 19.
Aldcroft, S. 239.
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