Warum Belagerungsmünzen aus zerschnittenem Tafelsilber gefertigt wurden und was sie so selten macht
Belagerungsmünzen sind ein ausgesprochen spannendes Thema. Sie kommen regelmäßig in Auktionskatalogen und Preislisten des Münzhandels vor und liegen in Münzkabinetten und vielen Privatsammlungen. Das am meisten zitierte Werk zu diesem Thema stammt von August Brause-Mansfeld und hat den schlichten Titel „Feld-, Noth- und Belagerungsmünzen“. Die beiden Bände erschienen 1897 bis 1903 in Berlin und sind aufwändig, ja ausgesprochen prächtig mit Zeichnungen des Verfassers nach Originalvorlagen ausgestattet. Wenn ab und zu der zur Bestimmung fraglicher Stücke so wichtige „Brause“ vom Münzhandel angeboten wird, sind ihm stattliche Preise sicher. Das gilt noch viel mehr für die vier- und mehreckigen, runden oder sonst wie geformten Notmünzen, die in belagerten Städten und Festungen oder auch von den Belagerern selbst hergestellt wurden. Mit dieser technisch einfachen Methode versuchte man, den Geldmangel in einer belagerten Festung oder Stadt zu beheben, denn schlecht bezahlte Truppen und in Not geratene Zivilisten kämpfen ungern und können sogar dazu neigen, sich den Feinden zu ergeben, was ab und zu tatsächlich geschehen ist.
Die Landauer Belagerungsmünze von 1713 zu 12 Gulden und 4 Kreuzer weicht klar von der üblichen runden Form ab [Künker 337/1228].
Die Exklusivität dieser und weiterer Belagerungsmünzen und ihr besonderer historischer Hintergrund machte sie schon im 19. Jahrhundert zu begehrten Sammelstücken. Dies rief Fälscher auf den Plan, die die wenigen Originale nachgeahmt haben, weshalb Angebote immer auch auf ihre Authentizität geprüft werden müssen. Bei „Schnäppchen“ ist sowieso stets Vorsicht geboten.
Die zum Elsass gehörende, nach dem Wiener Kongress (1815) an das Königreich Bayern gefallene Reichsstadt Landau besaß zwar kein Münzrecht, ging aber in die Kriegs- und Geldgeschichte durch Belagerungsklippen der Jahre 1702 und 1713 ein, von denen im „Brause“ und anderen Katalogen unterschiedliche Werte und Versionen vorgestellt sind. Durch den Westfälischen Frieden von 1648, mit dem der Dreißigjährige Krieg beendet wurde, fielen Landau und andere Städte des Elsass an Frankreich. Das römisch-deutsche Reich und sein in Wien residierender Kaiser waren zur Abwehr der Truppen von des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. zu schwach und mussten die neuen Herrschaftsverhältnisse hinnehmen. 1688 bis 1691 wurde Landau vom französischen Baumeister Vauban aufwändig zur Festung ausgebaut. Während des Spanischen Erbfolgekriegs (1701–1714) wechselte die mehrfach belagerte Stadt und Festung ihre Besitzer.
An den religiös motivierten, mit vielen Opfern verbundenen Straßburger Konkordienstreit erinnert diese Halbtalerklippe aus dem Jahr 1592 [Künker 323/2767].
Die Klippe zu 1 Gulden erinnert daran, dass auch Ulm im Jahre 1704 belagert wurde
[Künker 335/4418].
Da in Landau das Geld knapp wurde, sahen sich die Kommandanten 1702 und 1713 gezwungen, Notmünzen in Klippenform zu prägen. Das Material bestand aus zerschnittenem Tafelsilber, aber auch aus gewalztem Gold. Während die Klippen von 1702 ihren Wert in Livres und Sols ausdrücken, tun die Stücke von 1713 es mit dem Hinweis auf Doppia, unter der man einen doppelten Dukaten verstand, sowie Gulden. Die meist einfache Machart und die hohen Preise führten zu Fälschungen, gegen die man sich durch Beratung in den Münzkabinetten und im Münzhandel sowie Konsultation mit der einschlägigen Literatur schützen kann. Oft genügt schon ein aufmerksamer Blick durch die Lupe auf fragliche Stücke, um die Frage nach „echt oder falsch“ beantworten zu können.
Nicht nur Silbergeschirr wurde zerschnitten, um daraus Notmünzen zu fertigen, sondern auch Objekte aus Gold, wie die Dukatenklippe anlässlich der Belagerung von Wien im Jahr 1529 zeigt [Künker 336/6397].
Bei den Landauer Belagerungsklippen von 1702 ist unschwer zu erkennen, dass ein Franzose der Festungskommandant war. In der Mitte erkennt man ein mit den königlichen Lilien geschmücktes Wappenschild, die Ränder und Ecken sind durch Lilien markiert, um ein Beschneiden der Stücke zu erschweren und zu zeigen, ob sich jemand an ihnen zu schaffen gemacht hat. Auch der kaiserliche Heerführer Karl Alexander von Württemberg ließ 1713 in seiner Eigenschaft als Kommandant sein Tafelgeschirr zerschneiden und daraus Geld fertigen. Die Stücke sind mit dem herzoglichen Wappen in der Mitte sowie mit eingestempelten Monogrammen und Wertstempeln gezeichnet.
Als Stadtgeld deklariert ist das Zwölf-Groschen-Stück, das 1629 anlässlich einer Belagerung von Magdeburg geschlagen wurde. Zwei Jahre später wurde die Stadt an der Elbe von kaiserlichen Truppen furchtbar verwüstet und ausgeraubt. Die Zeichnung stammt aus dem Buch von August Brause-Mansfeld.
Wie die Landauer Klippen sind auch andere Belagerungsmünzen begehrte Sammelstücke, und manche sind ausgesprochene numismatische Raritäten, die uns viel von Kriegen in vergangenen Zeiten erzählen. Zu diesen Sonderlingen gehören Straßburger Talerklippen aus dem Jahr 1592. Die 80-Kreuzer-Stücke und kleinere Werte sind einseitig mit drei Wappen in einem Lorbeerkranz geschmückt. Sie erinnern an einen bewaffneten Streit, den die mehrheitlich protestantische Bürgerschaft mit dem in der Stadt residierenden Fürstbischof ausfocht. Es kam sogar zur Doppelwahl eines protestantischen und eines katholischen Bischofs. Die hier vorgestellte Klippe vereinigt das Wappen des Protestanten Johann Georg von Brandenburg mit dem der Stadt und dem Domkapitel. Der Streit um die Macht dauerte mehrere Jahre und forderte viele Todesopfer. Letzten Endes konnte sich die katholische Partei im so genannten Straßburger Konkordienstreit durchsetzen, und so blieben das Fürstbistum und ein Teil seines Umlandes der katholischen Kirche verbunden. Wer sich damit nicht abfinden konnte und wollte, war gezwungen, auszuwandern und sich woanders eine neue Existenz aufzubauen. Den Straßburger Notmünzen sieht man nicht an, welche Not und welches Blutvergießen mit ihnen verbunden sind.
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