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Helmut Caspar

Aus Glockenmetall und erobertem Geschütz – Was sich hinter dem Begriff „Reliktmedaillen“ verbirgt

Medaillen mit Inschriften wie „Aus erobertem Geschütz“ oder „Aus der Bronze der zerstörten Kronleuchter der zerstörten Kirche“ fristen in manchen Sammlungen ein Mauerblümchendasein. Man schaut sie an und legt sie beiseite, dabei haben es diese Prägungen oder Gussstücke im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Wer nach ihnen systematisch sucht, wird bald eine kleine, aber feine Kollektion zum Thema „Reliktmedaillen“ zusammenstellen können.

Während der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 hat der preußische König Friedrich Wilhelm III. nicht nur das von ihm gestiftete und von Karl Friedrich Schinkel gestaltete Eiserne Kreuz an tapfere Offiziere, einfache Soldaten und verdienstvolle Zivilisten verliehen, sondern auch Medaillen aus der Bronze eroberter Kanonen. Man hätte auch anderes Material nehmen können, aber die Verwendung von Metall aus Feindeshand hatte etwas Rührendes, und manch ein Träger wird sich noch nach Jahren mehr oder weniger angenehm an Kanonendonner und Pulverdampf erinnert haben. Auch nach dem Krieg von 1870/71 gegen Frankreich, aus dem das deutsche Kaiserreich als Sieger hervorging, wurden solche am Band zu tragenden Auszeichnungen verliehen.


Auf dem Rand der preußischen Kriegsmedaille von 1870/71 ist vermerkt, dass sie „AUS EROBERTEM GESCHÜTZ“ besteht. Wer sich auf die Suche macht, wird viele ähnliche Beispiele für die Zweitnutzung von Waffen und anderen Erzeugnissen finden. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].



Der Oberbegriff für diese und weitere Ausgaben lautet Reliktmedaillen. Mit ihnen sind Erinnerungsstücke gemeint, die aus der Bronze eingeschmolzener Kanonen und Glocken sowie aus Resten von kupfernen Kirchen-, Schloss- und anderen Dächern gefertigt wurden, die durch Brand und Beschießung zerstört wurden. Es gibt auch Medaillen mit dem Vermerk, dass sie aus dem Metall zerstörter Kirchenleuchter oder ehemaliger Orgelpfeifen bestehen. In einem Buch mit Texten von Eberhard Auer (Numismetallogica - Ausgewählte Aufsätze aus Anlass seines 80. Geburtstages) sind einige Beispiele für die aus Metallresten gefertigten Medaillen erwähnt.

Sie bilden ein bei uns noch recht wenig beachtetes, in den USA und Großbritannien aber recht populäres Sammel- sowie Forschungsgebiet.


Diese Medaille besteht aus der Bronze, die in den Trümmern des 1871 niedergebrannten Pariser Tuilerien-Palastes geborgen wurde. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].



Unter den Relikt- oder auch Phönix-Medaillen werden Objekte mit besonderem Erinnerungswert verstanden, weil das Metall, wie erwähnt, aus zerschmolzenen Kirchendächern, ehemaligen Glocken oder auch Kanonenkugeln besteht. Manche Medaillen wurden gegen Spenden für den Wiederaufbau der betreffenden Gebäude verkauft. Ergänzt sei, dass Kaiser Wilhelm II. 1916 verfügte, dass die Buchstaben der seinerzeit umstrittenen Inschrift DEM DEUTSCHEN VOLKE im Eingangsgiebel des Berliner Reichstagsgebäudes aus der Bronze eroberter französischer Kanonen zu bestehen haben.


Aus der Bronze von zwei eroberten Kanonen aus Frankreich ließ Kaiser Wilhelm II. 1916 die Widmung am Portal des Berliner Reichstagsgebäude gießen. Der Entwurf der Buchstaben stammt von dem Architekten und Designer Peter Behrens. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].



Eberhard Auer erwähnt unter anderem Medaillen, die an den großen Stadtbrand in Hamburg 1842, den 1867 abgebrannten Dom zu Frankfurt am Main oder die aus erbeuteten französischen Kanonen gegossenen Medaillen mit der Ansicht einer für den Kölner Dom bestimmten Glocke gefertigt wurden. Das Geläut wurde noch 1918, im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs, der deutschen Rüstungsindustrie geopfert. Aus ihren Resten hat man 1924 spezielle Reliktmedaillen geschaffen.


Die Medaille aus dem Kupfer der 1842 ausgebrannten Hamburger Petrikirche gibt der Hoffnung Ausdruck, dass sich das Gotteshaus durch vereinte Kraft würdig erheben wird. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].



Nach der Erstürmung der Pariser Bastille am 14. Juli 1789 hat der ortsansässige Bauunternehmer François Palloy damit begonnen, mithilfe angeheuerter Männer die verhasste Zwingburg einzureißen. Er tat das nicht nur aus Ablehnung der Königsherrschaft und Liebe zur Revolution, sondern weil sich die Relikte als Andenken an eine untergegangene Zeit im ganzen Land gut vermarkten ließen. Und so war es nur natürlich, dass er auch Medaillen aus dem Eisen von den Ketten der Zugbrücke der Bastille herstellen ließ.



Aus den Ketten der Zugbrücke zur 1789 gestürmten Bastille in Paris wurde diese Eisenmedaille gefertigt. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].



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