Das Jahr 1806 war ein Jahr der Umbrüche, ein Jahr, in dem der Rheinbund gegründet wurde und das Heilige Römische Reich deutscher Nation sein Leben aushauchte. Preußens König Friedrich Wilhelm III. hatte mit seinen Verbündeten leichtsinnig einen Krieg gegen den neuen starken Mann in Europa, Frankreichs Kaiser Napoleon I., begonnen und ihn haushoch verloren. Der Sieger erlegte dem um die Hälfte geschrumpften Hohenzollernstaat harte Friedensbedingungen auf. Mit französischer Rückendeckung legten sich deutsche Kurfürsten Königskronen zu, Herzöge wurden Großherzöge, Grafen nannten sich jetzt Fürsten und Fürsten schmückten sich mit dem Herzogstitel. Völker und Länder bekamen neue Herrscher und mussten dem Kaiser der Franzosen ewige Treue geloben und Tribut leisten.
4 Dukaten aus dem letzten Jahr des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation, noch mit Reichskrone und der Herrschertitulatur: "FRANCISCVS II". Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?lang=de&id=18204763&view=rs.
Das Ende des alten römisch-deutschen Reichs hatte sich seit Jahren angekündigt. 1803 wurde im Zusammenhang mit dem vom damaligen Ersten Konsul in Frankreich, Napoleon Bonaparte, initiierten Reichsdeputationshauptschluss zahlreiche geistliche und weltliche Fürstentümer sowie reichsfreie Städte von der Landkarte gestrichen. Die vor allem in Süddeutschland gelegenen Territorien wurden jenen Fürstentümern zugeschlagen, die Land rechts des Rheins an Frankreich verloren hatten. Einer der Profiteure dieses Ländertauschs war Preußens König Friedrich Wilhelm III., der 1806 im Krieg gegen Frankreich ein schreckliches Desaster erlebte und 1813, auf Bitten seiner Untertanen, das Signal für die Befreiungskriege gab.
Mit der Verkündung jenes Reichsdeputationshauptschlusses hatte der römisch-deutsche Kaiser Franz II. seinen politischen Rückhalt verloren. Viele Fürstentümer und reichsfreie Städte standen zu seiner Unterstützung nicht mehr zur Verfügung. Weitaus schlimmer indes war für den Habsburger der Austritt zahlreicher Fürsten vor allem in Süddeutschland aus dem Reichsverband und ihr Eintritt in den Rheinbund, der unter dem Protektorat Napoleons I. stand. Dieser Schritt versetzte dem alten Reich nach 844jährigem Bestehen den eigentlichen Todesstoß. In Wien sah sich Kaiser Franz II. am 6. August 1806 genötigt, die deutsche Kaiserkrone niederzulegen und unter dem neuen Namen Franz I. die Würde eines österreichischen Kaisers anzunehmen.
Veränderungen im Status von Franz II./I. lassen sich gut an seinen Münzen ablesen. Dieser Taler aus Prag trägt die Titulatur "FRANCISCVS I" und die Reichskrone wurde durch die Rudolfskrone ersetzt. Bildquelle: https://www.ikmk.at/object?lang=de&id=ID160730&view=rs.
Ausgangspunkt seiner von den einen mit Frohlocken und von anderen mit Bedauern zur Kenntnis genommenen Erklärung war der 23. Dezember 1805 abgeschlossene Frieden zu Pressburg, dem heutigen Bratislava, durch den Österreich bedeutende Landesteile an das von Napoleon I. beherrschte Königreich Italien sowie an Bayern abtreten musste. Die „eingetretenen Umstände“, das heißt die Bildung des Rheinbundes am 12. Juli 1806, würden es ihm, Franz II./I. unmöglich machen, die Reichskrone weiterhin zu tragen. „Bei der hierdurch vollendeten Überzeugung, von der gänzlichen Unmöglichkeit, die Pflichten Unseres kaiserlichen Amtes länger zu erfüllen, sind Wir es Unsern Grundsätzen und Unserer Würde schuldig, auf eine Krone zu verzichten, welche nur so lange Werth in Unsern Augen haben konnte, als Wir dem von Churfürsten, Fürsten und Ständen und übrigen Angehörigen des deutschen Reichs Uns bezeigten Zutrauen zu entsprechen und den übernommenen Obliegenheiten ein Genüge zu leisten im Stande waren“, heißt es in der Erklärung.
Kaiser Napoleon I. schlug Russland und Österreich am 2. Dezember 1805 bei Austerlitz in Böhmen und feierte die so genannte Drei-Kaiser-Schlacht mit einer Medaille. Bildquelle: https://www.parismuseescollections.paris.fr/fr/musee-carnavalet/oeuvres/bataille-d-austerlitz-2-decembre-1805-0#infos-principales.
Franz II. sah das Band, welches ihn bis jetzt an den Staatskörper des deutschen Reichs gebunden hat, als gelöst an. Er entband Kurfürsten, Fürsten und Stände und alle Reichsangehörigen, insbesondere auch die Mitglieder der höchsten Reichsgerichte und die übrige Reichsdienerschaft, von ihren Pflichten, „womit sie an Uns, als das gesetzliche Oberhaupt des Reichs, durch die Constitution gebunden waren.“ Gegründet im Jahre 962 von Kaiser Otto dem Großen, hatte das Heilig Römische Reich deutscher Nation 1806 sang- und klanglos sein Leben ausgehaucht. Der in Regensburg tagende Reichstag nahm die Kunde mit Bestürzung auf, enthielt sich aber des Protestes. Die Gesandten reisten wortlos ab.
Wenn man österreichische Münzen des frühen 19. Jahrhunderts genau betrachtet, wird man im kaiserlichen Titel einige bemerkenswerte Veränderungen feststellen können. Der 1768 in Florenz geborene Erzherzog Franz war ein Enkel von Franz I. Stephan und Maria Theresia und Sohn von Kaiser Leopold II., der von 1790 bis 1792 regierte. Nach dessen unerwarteten Tod trat er als Franz II. die Herrschaft in den habsburgischen Erblanden an und wurde zum römisch-deutschen Kaiser gewählt. Er konnte nichts dagegen unternehmen, als seine Tante, die aus Österreich stammende Marie Antoinette und deren Gemahl König Ludwig XVI. von Frankreich 1793 in Paris enthauptet wurden. Die gegen das revolutionäre Frankreich angetretene Koalition mit Österreich und Preußen an der Spitze musste eine Niederlage nach der anderen einstecken. Kaiser Franz II. gelang es nicht, dass Rad der Geschichte auf den Stand von vor 1789 zurückzudrehen.
Das seit Jahrhunderten in unzählige weltliche und geistliche Fürstentümer und reichsfreie Städte zersplitterte Römisch-deutsche Reich, befand sich in einem jammervollen Zustand, ja es wurde von Zeitgenossen als lebender Leichnam bezeichnet. Durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 schrumpfte die Zahl der geistlichen und weltlichen Fürstentümer stark. Nicht weniger als 112 deutsche Reichsstände rechts des Rheins wurden beseitigt. Damit verbunden, verloren viele Herrschaften und Kommunen das Recht zur Ausgabe eigener Münzen verloren. Die verwirrende Vielfalt des Münzwesens wurde mit der Zeit übersichtlicher, und es wurden erste Schritte zur deutschen Münzeinheit getan.
Kaiser Franz II. erfuhr 1804, dass sich der Erste Konsul Napoleon Bonaparte zum Kaiser der Franzosen proklamieren und krönen will. In eigener Machtvollkommenheit rief der Habsburger das Erbkaisertum für seine österreichischen Territorien aus. Franz II., wie er sich noch nannte, ließ vorsorglich die alte römisch-deutsche Kaiserkrone und die anderen Insignien aus Nürnberg nach Wien holen, um sie vor Bonapartes Zugriff zu entziehen. Der neue Kaiser von Österreich und seine Nachfolger schmückten sich von nun an mit der so genannten Hauskrone, die Kaiser Rudolf II. anno 1602 in Prag hatte anfertigen lassen. Beide Kronen kann man mit weiteren Insignien und anderen Hinterlassenschaften der Habsburger in der Wiener Schatzkammer betrachten.
Die aus dem Mittelalter stammende Reichskrone und weitere in Aachen beziehungsweise Frankfurt am Main bei Krönungen verwendete Insignien sind in der Kaiserlichen Schatzkammer in Wien ausgestellt. Bildquelle: (Gryffindor) CSvBibra - Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7849382.
Da Franz II. für knapp zwei Jahre den Titel des römisch-deutschen und des österreichischen Kaisers trug, wurde dies auch auf den zwischen 1804 und 1806 geprägten Münzen kund getan. Offiziell lautete sein Titel in der damaligen Diktion so: „Franz der Zweyte, von Gottes Gnaden erwählter römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, erblicher Kaiser von Österreich, König in Germanien, zu Ungarn und Böhmen etc.; Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Lothringen, Venedig und Salzburg“. Auf Münzen sind die kaiserlichen Titel in lateinischer Sprache wiedergegeben, wobei der lateinische Hinweis "HAER" als Imperator haereditus (Erbkaiser) zu lesen ist. Das neue Kaiserreich umfasste sämtliche deutsche Provinzen und Reichsländer der Habsburger, die Königreiche Böhmen und Ungarn sowie weitere Gebiete. Mit seiner Erhebung zum Kaiser von Österreich setzte Franz I., wie er sich jetzt nannte, einen Kontrapunkt gegenüber dem neu geschaffenen französischen Kaisertum.
Der Mailänder Scudo von 1827 zeigt, dass Teile von Italien einst zur k. und k.-Monarchie gehörten. Der auf dem seltenen Geldstück abgebildete Fanz I. starb nach 43jähriger Herrschaft 1835 und wurde in der Wiener Kapuzinergruft bestattet. Bildquelle: https://www.ikmk.at/object?lang=de&id=ID227594&view=rs.
Helmut Caspar
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