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Helmut Caspar

Aus der Zeit gefallen: Erfolglose Hamburger Tola-Proben und Vier-Mark-Stücke

Eine Besonderheit der Hamburger Münzgeschichte aus der Zeit nach der Reichsgründung von 1871 stellen die seltenen Handelspiaster dar, über die es in der zeitgenössischen Fachpresse einiges Rätselraten gab. In den „Berliner Münzblättern“ wurde gefragt, was es mit den seltsamen Prägungen auf sich hat und wo sie hergestellt wurden. Recherchen ergaben, dass die unterschiedlich gestalteten Handelspiaster in den 1870er Jahren eine Antwort auf Vorschläge des aus Hamburg stammenden Göttinger Professors Adolf Soetbeer waren. Dieser forderte, dass parallel zu den Reichsgoldmünzen, die Privatleute aufgrund eingelieferten Goldes neben den staatlichen Ausgaben in den offiziellen Münzstätten bereits schlagen lassen durften, auch silberne Handelsmünzen herzustellen seien. Der prominente Währungspolitiker und Experte für das internationale Edelmetallwesen erinnerte daran, dass Silber im Orient und in Asien, namentlich in Indien und China, sehr beliebt war und großen Zuspruch als Rohstoff für Münzen und Schmuck genoß. Durch die Ausprägung solcher Münzen könne man die inländischen Silbervorräte gut abbauen und parallel zu den österreichischen Maria-Theresien-Talern von 1780 oder den beliebten mexikanischen Reales- bzw. Peso-Münzen mit deutschen Handelsmünzen gute Auslandsgeschäfte tätigen.


Adolf Soetbeer. Bildquelle: Illustrirte Zeitung 2576 vom 12. November 1892, S. 553, wikimedia commons.


Da im neuen Deutschen Reich infolge der Umstellung auf die Mark alte Silbermünzen massenhaft eingezogen und eingeschmolzen wurden, gab es einen Überfluss an diesem Edelmetall und damit verbunden einen Preisverfall. So lag es nahe, diesen Überhang durch Prägung spezieller für das Ausland bestimmter Münzen nach und nach abzubauen und daraus Gewinn zu erwirtschaften. Das Piasterprojekt wurde in der hamburgischen Bürgerschaft und im Senat heiß diskutiert und stieß letztendlich auf wenig Gegenliebe.

Die nach der Reichseinigung von 1871 probeweise geprägten Hamburger Handelstaler blieben numismatische Kuriositäten und erzielen heute Spitzenpreise. Bildquellen: Caspar.


Soetbeer ließ nicht locker, und so kam es zur Prägung von unterschiedlich gestalteten Handelspiastern, die ab und zu im Münzhandel angeboten werden. Da sie ganz anders gestaltet waren als die regulären Fünf-Mark-Stücke, konnten sie mit diesen nicht verwechselt werden und auch nicht mit ihnen konkurrieren. Auf einem dieser Stücke ohne Jahreszahl finden sich, verbunden mit dem hamburgischen Wappen mit den seitlichen Löwen, Angaben über den Feingehalt und das Gewicht.  Auf einer anderen Ausgabe von 1877 erkennt man ein flammendes Sonnengesicht über der hamburgischen Torburg, und ein weiteres Stück mit der Wertbezeichnung 2 ½ Tola ist mit dem Bildnis der Hammonia, der Schutzgöttin der Hansestadt, geschmückt. Tola ist eine in Asien weit verbreitete Maßeinheit, die noch heute in China, Indien und Saudi Arabien verwendet wird. Schon die East India Company legte ihrem Münzfuß die Tola als Richtmaß zugrunde.


Eine numismatische Eintagsfliege war das in Augsburg hergestellte Vier-Mark-Stück von 1904. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?lang=de&id=18265735&view=rs, 22.03.2024.


Die Reichsregierung nahm an den numismatischen Novitäten Anstoß, weil auf ihnen das Wappen der Freien und Hansestadt erscheint, die ja ein zum Deutschen Reich gehörender Bundesstaat war, zum anderen war die Öffentlichkeit wohl nicht für die Neuauflage von Münzen zu begeistern, die im 18. Jahrhundert speziell für den Handel mit Ostasien gefertigt wurden. Vielleicht war auch in Erinnerung, dass ein 1751 mit dem Bildnis  König Friedrich II. von Preußen speziell für die Königlich Preußisch-Asiatische Handelscompagnie und den Chinahandel geprägter Piaster und weitere Silberstücke mehr Kosten als Nutzen verursachten und am Ende nur noch Sammler interessierten. Dessen ungeachtet wurden von den Handelspiastern 5459 Stück für das Hamburger Handelshaus F. W. Burchhard hergestellt, doch dürften die meisten bald wieder eingeschmolzen worden sein, so dass nur ganz wenige Stücke erhalten sind.


Versehen mit dem Kopf von Kaiser Wilhelm II. und der Umschrift "BEITRAG ZUR MÜNZGESCHICHTE" zeigt eine als Viermarkstück deklarierte Silberprägung aus Augsburg auf der Rückseite die Angabe "4 MARK" in einem Kranz aus Eichenblättern sowie die Umschrift "FÜNFMARKSTÜCK LEBE WOHL. LEBT WOHL IHR THALER ALLE!" Um Nachahmer abzuschrecken, haben die Urheber dieser „Münze“ unter dem Kaiserkopf "GES. GESCH." vermerkt und damit betont, dass sie gesetzlich geschützt ist. Hersteller war die Augsburger Medaillenanstalt Carl Drentwett, die seit dem 19. Jahrhundert Deutschland und weitere Staaten mit geprägtem Metall belieferte. Ihr Inhaber Heinrich Schmidt hatte 1904 dem Reichsschatzamt in Berlin Probeabschläge des Viermarkstücks geschickt. Die Behörde antwortete, dass an der Ausgabe einer solchen Münze nicht gedacht wird. Eine weitere Eingabe der Firma von 1907 wurde ebenfalls abschlägig beschieden.


Heinrich Schmidt unterstrich im Brief vom 3. Mai 1907 an das Reichsschatzamt, er habe mit der Erstellung des „Viermärkers“ lediglich den Beweis über die Handlichkeit einer solchen Geldsorte erbringen wollen, „weil sie gar nicht so übel in das Dezimalsystem einpasst.“ Er wies darauf hin, dass die Münze gut zwischen dem Taler im Wert von drei Mark und dem Fünf-Mark-Stück passen würde. Er verstehe nicht, betonte er, warum das Reichsschatzamt den Gedanken „kurzer Hand zurückgewiesen hat.“ Das Viermarkstück liege doch „so appetitlich“ zwischen beiden Sorten.


Auch für Umlaufmünzen ausgeführte Entwürfe stießen nicht immer auf Gegenliebe. Die Gestaltung des 25-Pfennigstücks von 1909 (Jaeger 18) war wohl doch zu avantgardistisch, weshalb es unmittelbar nach deren Einführung Stürme der Entrüstung gab. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?lang=de&id=18203937&view=rs, 22.03.2024.


Damit waren das damals in der Planung befindliche, offiziell aber erst durch einen Zusatz vom 19. Mai 1908 zum Münzgesetz von 1873 aus der Taufe gehobene Drei-Mark-Stück und das wegen seiner Größe und Handlichkeit unbeliebte Fünf-Mark-Stück gemeint. Laut Beschluss des Bundesrates erhielt die neue Drei-Mark-Münze wie der alte Vereinstaler einen Durchmesser von 33 mm und wurde im Ring mit der vertieften Randschrift "GOTT MIT UNS" und auf der Rückseite mit dem Reichsadler, der Jahreszahl und der Wertbezeichnung "DREI MARK" geprägt. Über das Aussehen des neuen Nominals gab es keine Vorgaben, nur dass auf der Rückseite der Reichsadler erscheinen sollte und die Prägeanstalten die Herstellungskosten mit 1,1 Prozent erstattet bekommen.


Dass der Abschied vom Vereinstaler und die Ankunft der Drei-Mark-Münze in der Öffentlichkeit interessiert beobachtet und kommentiert wurden, zeigen Artikel in den Zeitungen, aber auch Scherzpostkarten sowie einige zu diesem Anlass geprägte Medaillen. Eine "DEM ALTEN THALER ZU EHREN" geprägte Medaille von 1904 bildet auf der Vorderseite die unter den preußischen Königen von Friedrich dem Großen bis Wilhelm I. geprägten Taler ab und merkt auf Rückseite an "DES STAATES VERNUNFT BEDROHT DEINE ZUNFT DOCH IN VOLKES GEMÜT DIR ANHÄNGLICHKEIT BLÜHT". Zumindest was die weitere Verwendung des Namens Taler für die vier Jahre später ausgebrachten Drei-Mark-Münzen betraf, stimmte diese Voraussage.

Die Medaille von 1904 mit Bildern preußischer Münzen von Friedrich II. bis Wilhelm I. würdigt das Ende des guten alten Talers. Bildquelle: Horna.


Die Bestrebungen der Reichsregierung dürften dem Medaillenfabrikanten Schmidt bekannt gewesen sein, wonach eine Münze zwischen zwei und fünf Mark geschaffen werden soll. Er versuchte, seinen Vorschlag dem Reichsschatzamt mit diesen Worten schmackhaft zu machen: „Mein Produkt sollte lediglich bezwecken, auf das ,Ei des Kolumbus’ hinzuweisen, und gab ich ihm die scherzhafte Umschrift anstatt ;Deutsches Reich’, damit ihm der Charakter eines wirklichen Geldstückes, zu dessen Prägung Private unberechtigt, etwas benommen sei. Der Vermerk ,Gesetzlich geschützt’ ist auch auf keiner Geldsorte zu lesen, und habe ich es natürlich nicht schützen lassen.“ Indem Schmidt dem Reichsschatzamt zwei Probestücke überließ, sprach er die Hoffnung auf dessen Interesse an seinem Vorschlag aus. Da sich aber die dem Reichskanzler unterstehende Behörde gegen das Vier-Mark-Stück entschied, blieb es bei den Proben, die in den Reichsmünzkatalogen nicht vermerkt sind.

In der Kaiserzeit und danach haben Künstler zahlreiche Münzproben geschaffen, die es allerdings aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zur Massenprägung schafften. Der Münzhandel bietet das eine oder andere Stück an.


Helmut Caspar

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