Nicht jede in Sammlerhand gelangte Münze ist perfekt geprägt. Manche sind sogar mit technischen und gestalterischen Fehlern behaftet, doch das macht sie für Sammler interessant. Gelegentlich verdanken Münzen ihre Prominenz auch technischen Unzulänglichkeiten und fehlender Aufmerksamkeit bei den Herstellern. So wurde 1904 in Hamburg ein Fünf-Mark-Stück ohne den vorgeschriebenen Perlkranz auf der Vorderseite geprägt. Das erregte das Missfallen der zuständigen Behörden in Berlin. Sie verlangten, dass die Auflage eingezogen und vernichtet wird und noch einmal geprägt wird.
Das Bremer Fünf-Mark-Stück von 1904 avancierte wegen des fehlenden Perlkreises zu einer Top-Rarität der deutschen Kaiserzeit. Bildquelle: Caspar.
Einige der beanstandeten Stücke gelangten auf verschlungenen Wegen an Sammler und Händler, außerdem wurde die Peinlichkeit durch Meldungen in den Zeitungen und Zeitschriften öffentlich gemacht. Das trieb die Preise für das Silberstück in die Höhe, und wenn ein Original ohne Perlkreis heute angeboten wird, ist ihm eine bedeutende Summe sicher. Wenn man sich umschaut, wird man unschwer weitere Beispiele für solche verunglückten Münzen finden. Das gilt auch für Verprägungen, die eigentlich die Münzanstalten nicht verlassen dürften, es gelegentlich ungeachtet strenger Kontrollen aber doch tun. Würde man die Münzgeschichte nach weiteren Stücken dieser Art durchforsten, bekäme man eine stattliche Anzahl aus politischen oder formalen Gründen abgewiesener oder auch schlicht missratener Prägungen zusammen.
Neben solch seltener "Ausschussware" und eingezogenen Münzen von fehlerhaft geschnittenen Stempeln gab es jedoch auch Stücke die ihrer Zeit voraus waren. Mitunter kamen solche numismatischen Innovationen jedoch nicht über einige wenige Proben hinaus. Gehen wir ein wenig in die ältere Münzgeschichte zurück, dann sehen wir, dass es unter der Regentschaft von König Friedrich Wilhelm III. vielfältige Bestrebungen gab, das preußische Münzwesen zu reformieren und es durch Herstellung neuartiger Prägestempel mit komplizierten Gravuren auch gegen vielfältige Angriffe von Fälschern sicherer zu machen. Die Berliner Stempelscheneider Daniel Friedrich Loos und sein Sohn Friedrich Wilhelm Loos legten der Generalmünzdirektion Werkzeuge vor, „deren Nachahmung für die gemeinen Falschmünzer unmöglich, für die künstlerischen [also technisch versierteren Graveure, H. C.] aber mit den größten Schwierigkeiten verknüpft sein würde“.
Der für den Bergbau und das Münzwesen zuständige Minister Friedrich Anton von Heinitz lobte gegenüber dem König die Leistungen des „sehr geschickten Hof-Medailleurs“, der sich an den neuartigen Pennies „englischer Produktion“ und französischen Ausgaben orientiert. Die von Loos entwickelten Friedrichsdors repräsentierten durch ihre ungewöhnliche Art, gleichzeitig erhaben und vertieft zu prägen, in Preußen einen neuen technischen Standard, betonte der Minister. Er halte die Nachahmung solcher Stempel selbst durch den geschicktesten Falschmünzer für unmöglich. Heinitz bat Friedrich Wilhelm III., die „successive Anfertigung“ ähnlicher Stempel für doppelte und halbe Friedrichsdors sowie Reichstaler, Acht-, Vier- und Zweigroschenstücke „gnädigst befehlen“ zu wollen. Die gleichzeitige Verwendung erhabener und vertiefter Schriften, Zahlen, Bilder und Wappen für ein probehalber geprägtes goldenes Fünftalerstück von 1799 und weitere Werte lag damals im Trend. Neben England stellten auch Frankreich und Italien Münzen mit diesen Vorzügen her. Erhabene Reliefs zu erzeugen, war nicht schwierig, das Problem waren die vertieften Elemente auf der fertigen Münze. Dazu brauchte man einen Stempel, bei dem die später vertieft erscheinenden Details erhöht heraustreten.
Die nach englischem Vorbild hergestellten Fünf-Taler-Stücke von 1799 schafften es nicht zur Massenprägung, die wenigen Probestücke erzielen im Handel hohe Preise.
Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18203896.
Wie so oft, klafften zwischen Wunsch und Wirklichkeit große Lücken, und der löblichen Plan, das preußische Münzwesen durch ungewöhnlichen Stempelschnitt vor Betrügern zu schützen, konnte wegen technischer Probleme bei der Vervielfältigung der neuartigen Prägewerkzeuge, wegen Unzulänglichkeiten in den einzelnen Münzstätten, hoher Kosten und schwieriger Zeitumstände, nicht verwirklicht werden. Der König nahm die ihm vorgelegten Probemünzen zwar zustimmend zur Kenntnis, aber der Auftrag zur Umstellung kam nicht, weil die Investitionen für das Auswechseln der bisherigen Gepräge gegen solche mit dem neuartigen Design denn doch zu hoch waren. So sind aus dieser Zeit nur wenige interessante Proben als Zeugnisse für das Bestreben erhalten, das preußische Münzwesen auf eine neue Qualitätsstufe zu heben.
Bemerkenswert an den Kupfermünzen von 1812 ist nicht nur die das Land segnende Borussia, sondern auch, dass sie das erst viel später eingeführte Zehnersystem vorwegnehmen. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18214557.
Preußen, das durch die napoleonische Bedrückung und die Befreiungskriege von 1813 bis 1815 finanziell und politisch aufs höchste strapaziert war, musste sich noch eine Weile mit den relativ einfach hergestellten Münzen behelfen. Das Münzdepartement ließ aber nicht locker und verlangte neue Stempel. Probemünzen von 1812 mit sitzender Borussia besitzen den technischen und gestalterischen Standard der Loos`schen Goldstücke von 1799. Allerdings setzte die Ökonomie dem verständlichen Wunsch enge Grenzen, die neuen Münzen massenhaft zu prägen.
Nach neuestem Standard erhaben und vertieft geprägt, dienten englische und französische Münzen aus dem späten 18. Jahrhundert preußischen Stempelschneidern als Vorbild.
Hier ein sogenannter Cartwheel (Wagenrad)-Penny (2 Pence) von 1797 aus Großbritannien.
Bildquelle: Eduard Petrov, wikimedia commons.
Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 waren die Zeit reif und auch die Möglichkeiten vorhanden, sich langsam von altem Geld zu trennen. Die Wirtschaft nahm einen beträchtlichen Aufschwung. Der vor allem von Heinitz initiierte Einsatz von Dampfmaschinen und bald schon die Eisenbahn begannen ihren Siegeslauf in einem Land, das nun zu den Großmächten in Europa zählte. Im Zuge der preußischen Münzreform wurden große Massen neuen Geldes gebraucht. Die Münzstätten liefen auf Hochtouren und wandelten das eingezogene Geld in neues um. Man prägte im Ring, und auch das Problem des Absenkens kompletter Vorder- beziehungsweise Rückseiten in Arbeitsstempel wurde gemeistert. Jede Münze sah gleich aus, egal, wo sie hergestellt wurde. Eine solche Standardisierung und Gleichförmigkeit stand im Wunschkatalog der Münztechniker von jeher immer obenan. Für Preußen schlug 1817 die große Stunde der Münztechnik, als Diederich Uhlhorns Kniehebelpresse in Berlin und Düsseldorf eingeführt wurde.
Mittels solcher Kniehebelpressen konnte die Prägestätte in Berlin 1817 auf den neusten Stand der Technik gebracht werden. Bildquelle: Caspar.
Helmut Caspar
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