Mit Staatsakten, Paraden, Denkmalweihen, Büchern, Bildern und Medaillen wurde am 22. März 1897 im Deutschen Reich der einhundertste Geburtstag des preußischen Königs und deutschen Kaisers Wilhelm I. gefeiert. Sein Enkel Wilhelm II. legte größten Wert auf ehrenvolles Gedenken an „Wilhelm den Großen“. Der von ihm angeordnete Ehrenname setzte sich im Unterschied zu Friedrich II., dem Großen, nicht durch.
Wilhelm II. ließ eine Erinnerungsmedaille aus erbeuteter Kanonenbronze mit dem nach rechts gewandten Brustbild des greisen Kaisers auf der Vorderseite sowie den Insignien seiner in Versailles am 18. Januar 1871 erworbenen neuen Würde prägen. Der Kaiser hatte die Ehrung des im Drei-Kaiser-Jahr 1888 verstorbenen Monarchen zur Chefsache gemacht.
Die von ihm gestiftete sogenannte Centenarmedaille (zu Deutsch: Jahrhundertmedaille) erhielt wegen der Farbe des Bandes, an dem sie hing, den Spitznamen Apfelsinenorden. Die Kaiser-Wilhelm-Erinnerungsmedaille, so ihr offizieller Name, wurde nach einem Modell des Bildhauers Walter Schott in der gewaltigen Auflage von rund 1,23 Millionen Exemplaren von der Berliner Medaillenmünze Otto Oertel geprägt. Eine Rechnung von 1900 nennt Kosten von mehr als 561 000 Mark, von denen rund 550 000 Mark aus dem Allerhöchsten Dispositionsfonds des Kaisers bezahlt wurden. Die inflationsartige Ausstreuung der auf der linken Brust zu tragenden Medaille quer durch das Land war nicht jedermanns Sache. Über die großzügige Verleihung an Hinz und Kunz, wie man auch sagte, gab es kritische Bemerkungen. So wurde gefragt, welchen Wert denn die anderen Auszeichnungen haben sollen, wenn neben ihnen die massenhaft verausgabte Auszeichnung aus billigem Material getragen wird. Für ihre Verleihung musste man keine besonderen Verdienste vorweisen, es reichte bereits die Teilnahme an den Jubiläumsfeierlichkeiten von 1897 oder auch deren polizeiliche Absicherung. Selbst Klavierlehrerinnen preußischer Prinzen oder Darstellerinnen in der dem kaiserlichen Jubilar gewidmeten „dramatischen Legende Willehalm“ bekamen das runde Metall. Kurioserweise wurde dem Königlichen Münzkabinett in Berlin nicht mit der Medaille bedacht, weil Kaiser Wilhelm II. der Meinung war, sie gehöre nicht dorthin. Stattdessen wurde ein Exemplar dem Zeughaus Unter den Linden in Berlin überwiesen, das als Siegeshalle und Heeresmuseum im Dienste des wilhelminischen Heldenkultes stand. Die Prägefirma Otto Oertel hatte Probleme mit dem Kanonenmetall, das vom Kriegsministerium zur Verfügung gestellt wurde. Da die „Bronce von eroberten Geschützen“ nicht prägefähig sei, verlangte die Medaillenfabrik eine andere Zusammensetzung der Legierung. So konnten die Kosten von bisher 1 Mark und 6 2/5 Pfennigen pro Stück auf 50 bis 56 Pfennige gedrückt werden. An dieser Stelle sei auf Reichskanzler Otto von Bismarck verwiesen, der sich in seinem Buch „Gedanken und Erinnerungen“ ziemlich abfällig über die Sucht seiner Zeitgenossen äußerte, mit bunten Kreuzen, Sternen, Bändern und Schärpen brillieren, um sich mit diesen Auszeichnungen vor anderen hervorzutun. Er habe sich durch seine erste Auszeichnung, die Rettungsmedaille, erfreut und gehoben gefühlt, schrieb der Kanzler. Später nahm er gern hohe und höchste Orden als Beweise für das Wohlwollen seines königlichen Herrn und von auswärtigen Fürstlichkeiten an. Seine Meinung über diesen Punkt fasste Bismarck mit dem Hinweis zusammen, er habe die Dekorationen immer nur dann angelegt, wenn es das Amt gebot. „Es ist mir immer als eine Chinoiserie erschienen, wenn ich wahrnahm, wie krankhaft der Sammeltrieb in Bezug auf Orden bei meinen Kollegen und Mitarbeitern entwickelt war“.
Medaillen mit Inschriften wie „Aus erobertem Geschütz“ oder „Aus der Bronze der zerstörten Kronleuchter der zerstörten Kirche“ fristen in manchen Sammlungen ein Mauerblümchendasein. Wer nach ihnen systematisch sucht, wird bald eine kleine, aber feine Kollektion zum Thema „Reliktmedaillen“ zusammenstellen können, wie der Fachbegriff für sie lautet. Während der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 hat der preußische König Friedrich Wilhelm III. nicht nur das von ihm gestiftete und von Karl Friedrich Schinkel gestaltete Eiserne Kreuz an tapfere Offiziere und Soldaten sowie verdienstvolle Zivilisten verliehen, sondern auch Medaillen aus der Bronze eroberter Kanonen. Man hätte auch anderes Material nehmen können, aber die Verwendung von Metall aus Feindesland hatte etwas Rührendes und Patriotisches an sich, denn manch ein Träger wird sich noch nach Jahren an Kanonendonner und Pulverdampf erinnert haben.
Wenn es keine Kanonenbronze war, dann hat man auch Glocken oder Reste von kupfernen Kirchen-, Schloss- und anderen Dächern, die durch Brand und Beschießung zerstört wurden, als Ausgangsmaterial verwendet und dies auch auf den Prägungen erwähnt.
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