Florian Haymann
Unter Numismatikern ist mit Patina die Korrosionsschicht, die sich auf Kupfer, Bronze und ähnlichen Metalllegierungen bildet, gemeint. Ursache ist Sauerstoffeinwirkung, vor allem aber der Kontakt mit korrosionsfördernden Stoffen im Boden. Die Oxidationsprozesse unterliegen vielfältigen Zufällen, wobei Funde zeigen, dass hauptsächlich die Zusammensetzung des Bodens mit seinen Säuren und Mineralen das Ergebnis, also die Farbe und Struktur der Patina, bestimmt: Fundmünzen, die aus dem gleichen Fundkontext stammen, weisen in aller Regel die gleiche Färbung auf, wobei die Nuancen der jeweiligen Metalllegierung keine nennenswerte Rolle spielen. In verschiedenen Böden gelagert, können zwei Münzen von exakt der gleichen Legierung wiederum völlig verschiedene Patinas bilden. Es ist insbesondere der Nuancenreichtum der Patina, der den ästhetischen Reiz antiker Buntmetallmünzen ausmacht. Die Patina verleiht einer solchen Münze Individualität und unterstreicht ihre Authentizität. Zugleich stellt sie – wenn sie geschlossen und ungestört ist – die perfekte, natürliche Konservierung dar. Aus diesen Gründen lohnt es sich, dieses Phänomen etwas eingehender zu betrachten.
Die Bildung der Patina bedeutet eine tiefgreifende Umwandlung des Metalls in seine chemischen Verbindungen. Beim Kupfer sind das außer beträchtlichen Mengen von basischem Kupfersulfat die Hydroxy-Carbonate Malachit und Azurit, Cu₂ [(OH)₂|CO3₃] und Cu₃ (CO₃)₂(OH)₂. Malachit hat eine smaragdgrüne, Azurit eine lasurblaue bis tiefblaue Färbung. Daneben gibt es noch Übergangsformen, die durch unterschiedliche Um- wandlungsstufen beider Minerale zustande kommen. Diese beiden Verbindungen verursachen die meisten der grünen und blauen Färbungen, die bei der Patina auftreten können. Die unterste, dem Metall am nächsten liegende Schicht wird dagegen von Oxiden des Kupfers gebildet, dem tiefroten bis rotbraunen Kupfer-2-Oxid Cu₂O und dem schwarzen Kupfer-1-Oxid CuO.
Malachit entsteht durch Verwitterung aus Azurit und bildet daher meist die äußeren Schichten unmittelbar am Übergang zum Boden bzw. Wasser. Eine solche Patina wird daher aus mindestens drei Schichten bestehen, die unter einem Mikroskop deutlich zu erkennen sein sollten. In Wirklichkeit sind es wesentlich mehr, je nachdem, wie lange und wie unterschiedlich stark die Umwelteinflüsse auf die Münze eingewirkt haben. Eine solche aus dem Metall der Münze gebildete Patina ist zu unterscheiden von einfachen Auflagen, die sich durch kalk- bzw. silicatreiche Lösungen gebildet haben und lediglich auf der Oberfläche sitzen. Dabei kann unter einer solchen Verkrustung bereits das fast blanke Metall liegen oder aber die eigentliche Patinaschicht. Die Übergänge zwischen noch zur Verkrustung gehörenden Schichten und Teilen, welche zur Patina gerechnet werden können, sind mitunter schwer auszumachen, dazu wird eine starke Lupe oder noch besser ein Stereomikroskop benötigt.
Da die Oberfläche einer gründlich patinierten Münze samt allen enthaltenen Details nach einer gewissen Zeit völlig aus den Verbindungen der Metalle besteht, bedeutet die chemische Entfernung der Patina zumeist auch die Zerstörung eines beträchtlichen Teils der Münze. Tritt noch eine mechanische Reinigung hinzu, ist die Münze bald nicht mehr als ein kupfriges Metallstück. Insofern die Patina das Relief der Münze betonen hilft und dem ästhetischen Empfinden des Antikenliebhabers gerecht wird, steigert sie den Wert einer Münze – teils sogar beträchtlich.
Wichtig ist dabei, dass die Patina möglichst geschlossen und homogen ist, dass also keine Flecken, Einschlüsse oder gar Korrosionslöcher vorhanden sind. Auch sollte die Farbigkeit von Vorder- und Rückseite keine allzu starken Unterschiede aufweisen, was oft vorkommt.
Der Grad der Wertsteigerung, den eine hübsche (echte!) Patina erbringt, ist noch einmal subjektiver, als es die Zuordnung zu einem Erhaltungsgrad ist. Er richtet sich vor allem nach der Häufigkeit bzw. Seltenheit der von Mutter Natur bewirkten Verfärbungen:
Hellgrüne Patina gilt als junge, oberflächliche Korrosion (1). Sie kann auch ins Olivgrüne tendieren und mit- unter sehr ansprechend sein. Bläulich-grüne (malachitgrüne) Patina ist seltener und kann eine Wertsteigerung von etwa 50 % bewirken (2), wenn sie ebenmäßig und nicht zu dick ist. Die blaugraue, sog. „Rauch-Patina“, die vermutlich in vulkanischen Böden gebildet wird, ist sehr selten (3).
Bei den Brauntönen macht die sog. Tiber-Patina, die oft römischen Bronzen zugeschrieben wird, den Anfang in der Farbskala (4). Dies ist eine gelbockerfarbene Tönung, die vermutlich durch Lagerung im Schwemmsand von Flüssen entsteht und das Prägebild vorteilhaft unterstreichen kann. Häufig ist die Oberfläche etwas rau, selten völlig glatt. Eine dezente Messingpatina von Orichalcum-Sesterzen kann eine ähnliche Optik aufweisen (5).
Besonders Kupfermünzen können eine attraktive, rotbraune Tönung annehmen (6). Allerdings neigt die Bildung von Kupferoxydul dazu, nur stellenweise aufzutreten, also Flecken zu bilden (7, sattrote Einschlüsse sind meist Kuprit). Dies ist dann nicht so sehr wertsteigernd.
Eine mokkabraune Patina ist hingegen fast immer vorteilhaft – sofern sie nicht berieben ist und das blanke Metall hindurchscheint, was aufgrund der Zartheit dieser Patina gelegentlich der Fall ist (8). Sie ist die Vorstufe zur tiefschwarzen Glanzpatina, die sich nach jahrelanger Lagerung in mineralhaltigem Wasser schützend über Buntmetallmünzen legt (9). Da sie oft auch besonders dick ist, kann sie jedoch die Details des Münzbildes abschwächen.
Dankenswerterweise erleichtern es die hochauflösende Digitalfotografie und die meist im Internet verfügbaren, vergrößerbaren Bildansichten von professionell angebotenen Münzen, sich ein eigenes Urteil darüber zu bilden, welche Patina einem zusagt und welchen
(Auf)Preis man dafür zu zahlen bereit ist.
Vorsicht! Viele der oben beschriebenen, naturwüchsigen Oberflächeneffekte lassen sich auch durch chemische Behandlung erzielen. Seit der Renaissance bedienen sich Fälscher und Restauratoren künstlicher Patinierungen (10). Auf dem Markt tauchen immer wieder Stücke mit zunächst eindrucksvoll erscheinender, makelloser Patina auf – meist ist diese tiefschwarz oder sattgrün, fast immer glänzt die Oberfläche speckig. In jüngster Zeit wurden zudem Sesterzen mit olivbrauner, körnig-matter „Patina“ gesichtet, die wirken, als hätte man sie sandgestrahlt. Erkennt man unter der Lupe Bearbeitungsspuren wie Glättungen oder Nachschnitte, so darf man sich sicher sein, dass das entsprechende Stück auch künstlich patiniert wurde. Solche Stücke können durchaus noch einen ästhetischen Reiz entfalten. Jedoch sollte man sich dessen bewusst sein, dass sie manipuliert sind und nicht mehr zuviel dafür bezahlen (ca. 50 % eines unbehandelten Stücks). Abb. 10a zeigt eine Münze, die durch scharfe Reinigung entpatiniert wurde. „Restauratoren“ behandeln solche Stücke dann beispielsweise mit Pariser Oxyd, um eine gleichmäßige, künstliche Patina zu erzeugen.
Ist die Frage nach der Echtheit der Patina nicht so leicht zu klären, hilft zum einen ein Stereomikroskop weiter, mit dessen Hilfe man auf die Suche nach mindestens drei Oberflächenschichten gehen kann. Zum anderen kann ein Aceton-Test erweisen, ob das fragliche Stück in jüngerer Zeit „angepinselt“ worden ist. Echte Patina ist gegen das in Nagellackentferner enthaltene Keton völlig unempfindlich, künstliche jedoch kann sich lösen.
Eng mit der Patina verwandt ist eine gefährliche Korrosionsform, die sog. „Bronzepest“ (11). Sie ist gekennzeichnet durch eine hellgrüne Farbe. Bronzepest tritt meist nur punktuell auf und frisst sich von innen nach außen. An der Oberfläche entstehen dann hellgrüne Ausblühungen in Form eines kleinen Kraters. Das Münzmetall korrodiert an diesen Stellen zu einer pulverigen Substanz: Kupferacetat. Bronzepest ist nicht nur zu einzelnen Münzen äußerst aggressiv, sondern sogar auf andere Münzen übertragbar. „Infizierte“ Münzen sollte man also tunlichst meiden. Eine mehrstündige Behandlung mit dem Korrosionsinhibitor Benzotriazol (BTA) beseitigt das Problem dauerhaft. Weitere Hinweise zur Reinigung und Pflege von Münzen finden sich bei Mehlhausen 2015.
Eine harmlose, aber unschöne optische Beeinträchtigung ist das sogenannte Hornsilber, eine Silberchloridverbindung (AgCl), die offiziell Chlorargyrit heißt. Dabei handelt es sich um krustige Auflagerungen mit gelblichem bis grauem Farbton. Dieses Hornsilber ist zwar kein besonders hartes Material. Allerdings benötigt man zu seiner Entfernung einen Stichel oder ähnliches Feinwerkzeug, was Beschädigungen auf der Münze hinterlassen kann. Eine spätere Stufe von Hornsilber ist das schwarze Silbersulfid (Ag₂S), das allenfalls noch in einem langen Ammoniakbad zu lösen ist.
Finden Sie diesen Text und viele weitere Informationen rund um das Sammeln antiker Münzen in Florian Haymanns Buch „Antike Münzen sammeln. Einführung in die griechische und römische Numismatik, Exkurse zu Kelten und Byzantinern“.
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