Als am 12. März 1938 mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich der „Anschluss“ der Alpenrepublik an das Deutsche Reich vollzogen wurde, war der Jubel unübersehbar. Überall erschollen „Heil“-Rufe,
aus zahllosen Fenstern hingen Hakenkreuzfahnen. Für die jüdische Bevölkerung und Nazigegner brachen schreckliche Zeiten an. Wer konnte, flüchtete ins Ausland, doch das schafften nicht viele Menschen. Es dauerte nur wenige Tage, bis durch eine von Hitler unterzeichnete Verordnung die Reichsmarkwährung im „Lande Österreich“ eingeführt wurde. Die Rechtsgrundlage dafür war das „Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ vom 13. März 1938.
Das Hauptmünzamt Wien – hier auf einer Medaille aus der k. und k.-Monarchie – war und ist eine hochproduktive und mit neuester Technik arbeitende Geld- und Medaillenfabrik. Quelle: Caspar.
Neben dem Schilling war die Reichsmark gesetzliches Zahlungsmittel, wobei eine Reichsmark mit einem Schilling und 50 Groschen bewertet wurde. In einer weiteren Verordnung vom 23. April 1938 wurden die Geldscheine der „in Liquidation“ befindlichen Österreichischen Nationalbank zur Einziehung aufgerufen und durch reichsdeutsches Papiergeld ersetzt. Außerdem wurde festgelegt, dass die auf Schilling und Groschen lautenden Scheidemünzen weiterhin ihre Gültigkeit behalten sollen und Münzen zu einem und zwei Groschen den Nennwert von einem und zwei Reichspfennigen haben.
Am 25. Mai 1938 wurden die österreichischen Goldmünzen zu hundert und 25 Schilling sowie die Silberstücke zu fünf und zwei Schilling außer Kurs gesetzt und die bei der Nationalbank und in anderen Kassen befindlichen Prägungen aus Edelmetall wurden in großen Mengen eingeschmolzen und in Form von Barren dem nunmehr „großdeutschen“ Staatsschatz in Berlin zugeführt. Dieser Aktion fielen nicht nur ältere Stücke, sondern auch ganz prägefrische Ausgaben zum Opfer. Das seit 1935 in Wien zu Ehren von St. Leopold hergestellte Fünfundzwanzig-Schilling-Stück mit der Heiligenfigur auf der Vorderseite und dem Doppeladler auf der Rückseite erlebte 1938 eine Auflage von 1357 Exemplaren und wurde kaum ausgeliefert. Als Teil der österreichischen Goldreserve erlitt die Gedenkmünze, wie viele andere Stücke auch, den Feuertod im Schmelztiegel, was das seltene Vorkommen dieses Jahrgangs, aber auch weiterer Emissionen im Handel und den hohen Preis erklärt, der für sie erzielt wird.
Viele österreichische Gold- und Silbermünzen wurden nach ihrer Außerkurssetzung eingeschmolzen. Das Fünfundzwanzig-Schilling-Stück mit dem Heiligen Leopold aus dem Jahr 1938 ist nur in wenigen Exemplaren überliefert. Es war motivgleich mit dieser Ausgabe von 1936. Quelle: www.khm.at/de/object/1364099/, 24.02.2024.
Es dauerte nur wenige Wochen, bis nach dem „Anschluss Österreichs“ dem technisch und personell gut ausgestatteten Hauptmünzamt in Wien eine neue Kennung, der Münzbuchstabe B, zudiktiert wurde. Sammler von Reichsmünzen ist das B als Zeichen geläufig, das die Münze zu Hannover von der preußischen Annektion 1866 bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1878 benutzt hat. Der auf das Hauptmünzamt in Wien entfallende Prägeanteil wurde entsprechend der Einwohnerzahl auf 8,6 % festgesetzt.
Bedeutende Persönlichkeiten wie der herausragende Komponist Franz Schubert wurden durch Münzen der Ersten Republik geehrt. Quelle: www.khm.at/de/object/1364117/, 24.02.2024.
Da bis dahin österreichische Münzen keinen Buchstaben trugen, war die Weisung gewöhnungsbedürftig. Die Mitarbeiter des Wiener Hauptmünzamtes haben sie als Degradierung empfunden, da aber das A bereits auf allen Berliner Münzen stand und das B seit 1878 frei war, mussten sie sich wohl oder übel mit dem zweiten Buchstaben des Alphabets zufrieden geben. Die Umstellung war im Übrigen noch das kleinste aller Übel, die sich das „Anschluss“-Gebiet von der Zentrale in Berlin gefallen lassen musste.
Der Buchstabe B auf dem Zwei-Mark-Stück von 1938 signalisiert seine Herkunft aus dem Wiener Hauptmünzamt. Quelle: Caspar.
Die Zukunft der Wiener Münze sah alles andere als rosig aus, denn die bisher interessante Münzprägung mit beachtlichen Gedenkausgaben aus Gold und Silber drohte einzuschlafen, man machte sich auch um die Weiterbeschäftigung von Gestaltern und Graveuren Sorgen. Daher wurde um die Beteiligung des Hauptmünzamtes in Wien an der Erstellung von Entwürfen gebeten. Das alles fruchteten nichts, das Wiener Hauptmünzamt hat wie die anderen deutschen Münzstätten Pfennige und Groschen sowie 1938 und 1939 Silbergeld hergestellt, und zwar 1938 und 1939 zu zwei Reichsmark und 1939 zu fünf Reichsmark mit dem Kopf des 1934 verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, dem Hitler zu Dank verpflichtet war, weil er ihn am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt hatte. Zu weiteren Gedenkmünzen kam es in Hitlers Reich nicht mehr, eine Silberausgabe mit dem Kopf des „Führers“ sowie solche auf den erhofften Endsieg kamen über Planungen und einige Probeabschläge nicht hinaus. Die letzten Kleinmünzen aus Wien mit dem „B“ tragen die Jahreszahl 1944.
Nach dem Ende des so genannten Tausendjährigen Reiches schaffte das Wiener Hauptmünzamt das ungeliebte „B“ ab und begann schon bald mit der Herstellung der ersten Schilling- und Groschenmünzen.
Der Landesadler hält wie schon in den frühen Jahren der Republik statt des mit dem Ende der Monarchie obsolet gewordenen Zepters und der Reichsapfels einen Hammer und eine Sichel in den Klauen. Die zerbrochene Kette sagt, dass die unselige Nazizeit von 1938 bis 1945 glücklich überwunden ist.
Das Wiener Hauptmünzamt konnte froh sein, dass es noch ein paar Jahre in Anspruch genommen wurde, denn es gab Pläne, irgendwann die Münzstätten in München (Münzzeichen D), Muldenhütten (E), Stuttgart (F), Karlsruhe (G) und Hamburg aufzugeben und Reichsmünzen nur noch in Berlin herzustellen. Der am 1. September 1939 von Hitlerdeutschland vom Zaun gebrochene Zweite Weltkrieg sorgte jedoch dafür, dass diese Pläne aufgeschoben wurden. So blieben die Münzstätten weiter bestehen und prägten zum Teil bis wenige Wochen vor dem Kriegsende Hartgeld mit dem Hakenkreuz. Österreich entfaltete nach der Befreiung 1945 eine umfangreiche, um nicht zu sagen überbordende Münzproduktion, die komplett zusammen zu bekommen nicht ganz einfach sein dürfte. Dicke Kataloge und Preislisten in Münzzeitschriften helfen bei der Suche und Orientierung.
Helmut Caspar
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