Die niederländische Wirtschaft der „Goldenen Zwanziger“ brummte. Das Land befand sich in Hochstimmung. Am 28. Juli 1928 war es endlich soweit:
„Die IX. Olympischen Sommerspiele werden in Amsterdam eröffnet. 46 Länder haben sich angemeldet, 2.971 Teilnehmer, darunter 288 Frauen. 120 Wettbewerbe in 17 Sportarten stehen auf dem Programm. Erstmals starten Frauen auch in der Leichtathletik.“ (1)
Starschwimmer Johnny Weissmuller (1904-1984) bei den Olympischen Spiele von 1928 in Amsterdam – Bildquelle: World Film Reviews.
Prinz Heinrich zu Mecklenburg, Prinzgemahl der niederländischen Königin Wilhelmina, hatte die Spiele eröffnet. Der Langstreckenläufer Paavo Nurmi gewann seine insgesamt neunte olympischen Goldmedaille. Der spätere Tarzan-Darsteller Johnny Weissmuller, der bereits 1924 in Paris fünf Goldmedaillen im Schwimmen gewonnen hatte, holte zweimal Gold. Erstmals nach dem Ersten Weltkrieg durften auch deutsche Sportler wieder an den Spielen teilnehmen. Sie gewannen zehn Goldmedaillen, siebenmal Silber und dreizehnmal Bronze. Carl Friedrich Freiherr von Langen siegte im Dressurreiten gegen Charles Marion aus Frankreich. Helene Meyer trug im Fechten gegen Muriel B. Freeman aus Großbritannien den Sieg davon. Und Hilde Schrader setzt sich im 200-Meter-Brustschwimmen gegen Mietje Baron aus den Niederlanden durch. Damit waren die Deutschen die zweitbeste Mannschaft nach den Vereinigten Staaten. Es regnete Gold-, Silber- und Bronzemedaillen. Darüber hinaus erhielt jeder Teilnehmer eine attraktive Erinnerungsmedaille aus Bronze des niederländischen Medailleurs Johannes Cornelis Wienicke. Die Wettkampfberichte, in denen es um Ehre, Freiheit und Vaterland ging, ähnelten Kriegsberichten.
Teilnehmermedaille (oben) und Preismedaille (unten) der IX. Olympischen Spiele – Bildquelle: Jean Elsen & ses Fils, Auktion 147, Los 2429.
Die Niederlande konnten sich die aufwändige Veranstaltung leisten. Den ersten Weltkrieg konnten sie ihre Neutralität wahren und den in Gold notierten Gulden unangefochten beibehalten:
„Die niederländische Wirtschaft profitierte von den Aufträgen der kriegführenden Nationen und vom Zufluss von Fluchtkapital. Die Niederlande dienten als Handelsdrehscheibe und Zufluchtsort für Kapital. Durch die Zahlungsbilanzüberschüsse vergrößerte sich das Guthaben der niederländischen Zentralbank. Zwischen 1914 und 1918 verdoppelte sich das Geldvolumen, gleichzeitig verdreifachte sich der Goldbestand der Bank. Der Gulden überrundete den Dollar an Attraktivität.“ (2)
Nach Kriegsende gingen die internationalen Lieferaufträge zeitweilig zurück. Doch ab 1925 sprang die Konjunktur mit dem Aufschwung im benachbarten Deutschland wieder an. Die niederländische Arbeitsproduktivität lag damals deutlich oberhalb der britischen und deutschen. In den Niederlanden ansässige Großunternehmen wie Shell, Philips und Unilever trugen erheblich dazu bei. Die im Jahr 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise zog allerdings auch die Niederlande in Mitleidenschaft. Die Exporte der vom internationalen Handel lebenden Wirtschaft brachen ein. Während benachbarte Länder ihre Währungen abwerteten, hielten die Niederlande an ihrem harten Goldgulden fest:
„Die niederländische Regierung weigerte sich in diesen Jahren kategorisch, den Gulden abzuwerten. Um den Wettbewerb gegen das Ausland dennoch aufnehmen zu können, waren die niederländischen Unternehmer im Rahmen einer sogenannten Anpassungspolitik gehalten, ihre Erzeugnisse durch Kosten senkende Maßnahmen zu Preisen anzubieten, die auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig waren.“ (3)
Das Experiment scheiterte, weil andere Länder mit abgewerteten Währungen ihre Produkte unterbieten konnten. Erst als die Niederlande den Goldstandard aufgaben und den Gulden im Jahr 1936 endlich abwerteten, stieg der Umfang der Exporte wieder an.
10 Gulden (Niederlande, 1933, letzter Jahrgang, 900er Gold, 6,7 Gramm, 22,5 mm) – Bildquelle: Numismatic Guaranty Company.
Die letzte niederländische Standardgoldmünze „Tientje“ zu zehn Gulden wurde 1933 in einer Auflage von knapp 2,5 Millionen Exemplaren hergestellt. Sie zeigt auf der Vorderseite das Brustbild der Königin nach rechts mit ihrer Titulatur sowie einem Motto, das in der Übersetzung „Gott mit uns“ heißt. Auf der Rückseite prangt das Reichswappen mit Landesnamen und Wertangabe. Medailleur ist Johannes Cornelis Wienicke, also derselbe Künstler, der die attraktive Erinnerungsmedaille der Olympischen Spiele von 1928 entwarf.
Dukat (Niederlande, 1937 letzter regulärer Jahrgang, 983er Gold, 3,5 Gramm, 21 mm) – Bildquelle: Künker, eLive Auktion 77, Los 2963.
Der Dukat mit dem stehenden Ritter, eine traditionelle Handelsmünze, kam im Währungssystem der Zwischenkriegszeit längst nicht mehr vor. Dennoch wurde er bis 1937 weitergeprägt. Im Mutterland wurde die medaillenartige Prägung gern zur Geburt eines Kindes oder anlässlich einer Hochzeit verschenkt. Lediglich in den holländischen Kolonien diente er noch als Handelsmünze. Im Jahr der Olympischen Spiele von 1928 wurden fast 600.000 Exemplare hergestellt. Ein Teil dürfte als Souvenir von den Besuchern der Spiele erworben worden sein. Nach der Aufgabe des Goldstandards im Jahr 1936 war das silberne 2 ½-Gulden-Stück die Münze mit dem höchsten Nennwert:
„Der Kopf der Königin ist ohne jeglichen Schmuck, abgesehen von einem kleinen Röschen bei 6 Uhr nach links auf der Vorderseite zu sehen. (…) Die 2 ½-Gulden-Stücke zwischen 1929 und 1940 wurden in Millionenauflagen ausgeprägt. Die niedrigste Auflage hatte das Jahr 1938 mit zwei Millionen.“ (4)
Medailleur war wiederum Johannes Cornelis Wienicke, der zeitweilig Leiter der Abteilung für Münz- und Medaillenherstellung an der Königlichen Münze von Utrecht war. Im Mai 1940 überfiel die Deutsche Wehrmacht die Niederlande. Königin Wilhelmina floh nach England. Die inländischen Münzprägungen mit dem Porträt der Königin wurden eingestellt. Lediglich einige in den USA geprägte Ausgaben für die Verwendung in Übersee erschienen in alter Aufmachung. Im Land selbst gab es nur noch Besatzungsgeld aus Zink.
2 ½ Gulden (Niederlande, 1937, 720er Silber, 25 Gramm, 38 mm) – Bildquelle: Historic Heritage Photos and Coins.
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
Chronik des 20. Jahrhunderts; Gütersloh 1994, S. 392.
René Sedillot: Muscheln, Münzen und Papier – Die Geschichte des Geldes; Frankfurt/Main 1992, S. 305.
Nachbar Niederlande: Eine landeskundliche Einführung; Münster 2007, S. 147f.
Wilfried Dürr: Wilhelmina; in: Money Trend, Heft 9/2002, S. 140.
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