Wer die Angebote des Münzhandels betrachtet, wird von der Fülle des seit vielen Jahrhunderten geprägten Materials schier erschlagen. Im Auftrag großer und kleiner Potentaten oder, um mit dem Münzsammler Johann Wolfgang von Goethe zu sprechen, Kaiser und Kaiserlingen hergestellte Gepräge sind darunter. Von einigen Fürsten wüsste man teilweise nichts, hätten sie nicht numismatisches Material hinterlassen. Oft mit aufwändigen Wappenschilden und Reiterbildern sowie prächtigen Stadt- und Gebäudeansichten versehen, geben sie häufig Größe und Bedeutung vor, wo teilweise kaum eine war. Oft wird Tugendhaftigkeit und Sorge um das Vaterland herausgestellt, wo man letztlich hin und wieder das genaue Gegenteil antraf.
Ein Gebiet, in das man wegen des besonderen künstlerischen Reizes und der speziellen kulturgeschichtlichen Aussage relativ preiswert einsteigen kann, ist das der Miszellanmedaillen, abgeleitet vom lateinischen Wort miscellum, zu Deutsch Vermischtes. Die meist in Silber, manchmal auch in Gold ausgebrachten Gepräge lassen sich keinem Landesfürsten oder einer mit dem Münzrecht ausgestatteten Reichsstadt zuordnen. Sie wurden zu Weihnachten, Ostern und an anderen Feiertagen, aber auch bei einer Hochzeit oder Taufe verschenkt. Ein großes Thema dabei ist die Liebe. Miszellanmedaillen dieser Thematik sind mit Bildern von zärtlich einander zugetanen Pärchen, mit dem antiken Gott Cupido samt Pfeil und Bogen, ihre Eier ausbrütenden Hennen, der Glücksgöttin Fortuna und anderen Motiven und Allegorien ausgestattet. Viele Medaillen geben in Bild und Schrift gute Ratschläge dafür, wie Männer und Frauen miteinander umgehen sollten. Oft warnen sie davor, den Pfad der Tugend zu verlassen, weil sonst Ungemach droht.
Miszellanmedaillen waren nicht für den üblichen Zahlungsverkehr bestimmt. In dieser Rubrik befinden sich Ausgaben allgemein-menschlichen und moralischen Inhalts, also Themen wie Leben und Sterben, Liebe, Freundschaft sowie Ehe, Kindersegen und Eifersucht, Freigebigkeit bzw. Geiz und was sich sonst noch auf diesem „weiten Feld“ befindet, um Theodor Fontane zu zitieren. Zu den geprägten Appellen an christliche Tugenden, Moral und Anstand treten Kalendermedaillen mit Angaben von wichtigen Daten aus der Landesgeschichte und einer Herrscherfamilie, über christliche Feiertage und den Stand der Gestirne. In Gold, Silber, Zinn oder Kupfer geprägt, sind die Medaillen interessante Kunst- und Zeitzeugnisse, auf die sich zu konzentrieren manche überraschende Entdeckung ermöglicht. Die zu Hohn und Spott gefertigten Medaillen oft im Gewicht eines oder mehrerer Taler und seiner Teilstücke erzählen viel vom Geist der Zeit und bilden ein interessantes, ausbaufähiges Sammelgebiet.
Wer solche Medaillen aus Edelmetall bekam, konnte sie, wenn Not am Mann war, einschmelzen lassen oder auch mit ihnen bezahlen, wenn ihr Gewicht dem von Dukaten, Talern oder Gulden entsprach. Da das manchmal geschehen ist, kann man davon ausgehen, dass die Auflage dieser Gepräge oft relativ groß war. Mit ihnen verdienten sich Stempelschneider, Medaillenfabrikanten und wer sonst noch in diesem Metier tätig war, ein schönes Zubrot. Einer, der auf diesem Gebiet im frühen 18. Jahrhundert besonders fleißig agierte, war der in Gotha überaus produktiv tätige Hofmedailleur und Medaillenverleger Christian Wermuth. 1699 hatte er das kaiserliche Privileg erlangt, Medaillen auf eigene Rechnung herzustellen. Kaiser Leopold I. gesteht dem Künstler damit unter anderem zu, Medaillen „dem gemeinen Wesen und denen curiosen Liebhabern zu Nutz und Ergötzlichkeit“ herzustellen und stellt sie unter seinen Schutz. Schwere Geldstrafen werden denjenigen angedroht, die sich unterstehen, seine „Inventiones“ (Erfindungen) nachzuahmen und ihm die verdiente Belohnung zu entziehen. Das galt auch für Betrüger, die es wagen, diese Arbeiten ohne sein, also Wermuths Einverständnis, im Heiligen Römischen Reich und den habsburgischen Erblanden zu verkaufen. Sie alle sollen in solchen Fällen eine Strafe von fünf Mark lötigen Goldes zur Hälfte an die kaiserliche Kammer und zur anderen Hälfte an Wermuth zahlen, außerdem sollten sie der kaiserlichen Gnade verlustig gehen. Da man die kölnische Mark Silber mit rund 233 Gramm berechnete, kam über ein Kilogramm Gold zusammen, was ein enormes Vermögen darstellte. Was Wermuth für dieses Privileg leisten musste, geht aus dem barock-umständlich formulierten Dokument nicht hervor.
Mit rund 1.300 Prägungen hat sich Wermuth unübersehbar in die Geschichte der barocken Medaillenkunst eingeschrieben. Nahezu jede Person von Belang und viele zeithistorisch wichtige Ereignisse wurden von Wermuth und seiner Werkstatt haltbar durch geprägtes Metall verewigt. Um seine Arbeiten, unter denen sich auch solche zum Thema Liebe, Herz, Schmerz, Leid und Tod befinden, an Sammler und andere Kunden zu bringen, publizierte der Hofmedailleur der Herzöge von Sachsen-Gotha sie in gedruckten Katalogen, versehen mit Preisen je nach Metall, Größe und Gewicht. Ein mit dem kaiserlichen Privileg von 1699 versehener Nachdruck der Gothaer Originalausgaben von 1698 bis 1713 wurde 1976 vom Zentralantiquariat der DDR in Leipzig herausgebracht, leider ohne dass ein Kommentar beigefügt worden wäre.
Manche Medaillen geben Anlass zu Fragen, so eine Prägung von 1731, auf welcher der römische Liebesgott Cupido, auch Amor genannt, vom Galgen gelöst wird. Die auf die Tätigkeit und Nöte von Huren zielende Umschrift lautet, in moderne Schrift übertragen, so: „Ach helfet ihr Jungfern ach helfet erquicken / Cupido muss sonsten am Galgen ersticken.“ Auf der Rückseite ist in zwölf Zeilen, ergänzt durch die Jahreszahl und Signatur Wermuths „17 W 31“, dies zu lesen: „Cupido wann du uns nur wieder erquickest und uns fein die Freier zu Dutzenden zuschickest / so lassen wir nimmer dich tödlich verletzen und sollten wir Hemden und Hauben versetzen.“
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