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Horst Herzog

305 n. Chr. - ein Kaiser geht in den „Ruhestand“

Wir schreiben das Jahr 305 nach Christus, genau genommen den 1. Mai 305. Dies ist in der römischen Geschichte ein ganz besonderer Tag. Denn an diesem Tag trat der Kaiser Caius Aurelius Valerius Diocletianus, uns besser bekannt unter dem Namen Diokletian, von all seinen Ämtern zurück und zog sich in seinen Palast in Spalato (Abb. 4), dem heutigen Split, zurück. Es war dies das einzige Mal in der römischen Kaisergeschichte, dass ein Kaiser freiwillig „seinen Stuhl räumte“ und sich auf das wohlverdiente „Altenteil“ zurückzog.


Anfang der achtziger Jahre des 3. Jahrhunderts haben wir einen schnellen Wechsel der Kaiser. Im Sommer 282 wurde Marcus Aurelius Carus in Sirmium zum Kaiser erhoben. Im darauf folgenden Frühjahr ernannte Carus seine beiden Söhne Numerianus und Carinus zu Caesaren. Carus wurde im Sommer 283 in der Nähe von Ktesiphon am Tigris vom Blitz erschlagen. Daraufhin übernahmen Numerianus im Osten und sein älterer Bruder Carinus im Westen den Augustus-Titel. Auf dem Rückweg von Syrien nach Europa starb Numerianus in seiner Sänfte - ob an einer Krankheit oder durch Mörderhand muss offen bleiben. In seiner Nachfolge wurde Diokletian am 20. November 284 von den Truppen in Nikomedien durch Akklamation zum Kaiser ausgerufen. Diokletian stammte aus Dalmatien und hatte sich, obwohl niederster Herkunft, im Heer bis zum Kommandeur einer Gardeeinheit hochgedient. Sein Geburtsjahr ist nicht überliefert, es dürfte zwischen 240 und 245 liegen.


Abb. 1 AV, 284, Diocletianus, Antiochia, RIC V-2 320

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202806.


Der Aureus Abb. 1 wird noch in das Jahr 284, also in das erste Regierungsjahr Diokletians datiert. Auf dem Avers ist die nach rechts gerichtete drapierte Panzerbüste Diokletians abgebildet. Das Münzporträt ist sehr schematisch gehalten. Auf einem langen und im Vergleich zum Kopf relativ dicken Hals sitzt der Kopf mit einem kugelförmigen Hinterkopf. Die Haarkappe besteht aus kurzen, strichförmigen Strähnen, die weit in die Stirn fallen und über die Schläfe in einen Vollbart übergehen. Selbst die Augenbraue besitzt diese strichförmige Struktur. Markant ist das große Auge. Nasenrücken und Stirn bilden eine Gerade. Als Zeichen seiner Würde trägt Diokletian den Lorbeerkranz. Die Averslegende "IMP C G VAL DIOCLETIANVS P F AVG" (Imperator Caesar Gaius Valerius Diocletianus

Pius Felix Augustus - …….. der Fromme, der Glückliche …) nennt den vollen Namen Diokletians. Auf der Rückseite ist die nach rechts schreitende Victoria dargestellt. Die Personifikation des Sieges trägt ihre üblichen Attribute: Siegeskranz und Palmwedel. Passend dazu ist die Legende "VICTORIA AVG", die auf die Sieghaftigkeit des Kaisers anspielt. Im Abschnitt weist das Kürzel "SMA" auf die Münzstätte Antiochia hin. Rechts im Feld ist ein O zu lesen, hierbei dürfte es sich um ein Kontrollzeichen bzw. die Bezeichnung der Officina handeln.


Nach der Ermordung des Carinus im Spätsommer 285 war Diokletian am Ziel seiner Wünsche, er war nunmehr der alleinige Herrscher des Imperiums. Diokletian war jedoch so weitsichtig, dass er erkannte, dass die Probleme des römischen Reiches, und hier insbesondere die militärischen, nicht von einer Person gelöst werden können. Deshalb erhob er Ende 285 Maximianus zum Caesar und am 1. April 286 zum Augustus. Gleichzeitig nahm Diokletian den Beinamen Iovius (dem Jupiter gehörend), sein Mitkaiser Maximianus den Beinamen Herculius (dem Hercules gehörend) an. Diokletian war für den Osten, Maximianus für den Westen zuständig. Die Eintracht der beiden Augusti wird unter anderem durch die beiden Aurei Abb. 2 und 3 beschworen.


Abb. 2 AV, 293, Diocletianus, Kyzikos, RIC V-2 313 Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18225822.


Abb. 3 AV, 293, Maximianus, Kyzikos, RIC V-2 601

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18227675.


Das Münzporträt auf dem Aureus Abb. 2 besitzt die gleichen Grundzüge wie das des Aureus Abb. 1. Nur ist jetzt die Gesichtsoberfläche feiner modelliert. Deutlich sind die horizontal verlaufenden Stirnfalten sowie die Nasolabialfalte zu erkennen. Die Legende "DIOCLETIANVS AVGVSTVS" ist kurz und präzise gehalten. Die Reversdarstellung erhält ihre Erklärung durch die Umschrift "CONCORDIAE AVGG N N" (Concordiae Duorum Augustorum Nostrorum - für die Eintracht unserer beiden Kaiser). Demzufolge sehen wir hier Diokletian und Maximian einträchtig auf einem Amtsstuhl, der sella curulis, sitzen. Beide halten in ihrer vorgestreckten rechten Hand einen Globus und mit der Linken ein Zepter. In der Mitte über den beiden Kaisern schwebt frontal Victoria, die die beiden Augusti bekränzt. Abb. 3 entspricht weitestgehend der Abb. 2, nur ist hier auf der Vorderseite Maximianus abgebildet. Sein Porträt gleicht dem des Diokletian, wobei das Gesicht des Maximianus fülliger wirkt. Die Eintracht der beiden Augusti hielt weitestgehend rund zwanzig Jahre. Zwischenzeitlich wurden den beiden Kaisern jeweils ein Caesar zugeordnet. Dieses von Diokletian eingeführte System wird als Tetrarchie bezeichnet.


Nach zwanzig Jahren als Kaiser trat Diokletian wie oben schon erwähnt am 1. Mai 305 in einer feierlichen Zeremonie an der Stelle in Nikomedien, an welcher er zum Kaiser ausgerufen worden war, zurück. Der Kirchenvater Laktanz beschreibt diese Zeremonie ausführlich (Laktanz, De mortibus persecutorum 19; übersetzt von Aloys Hartl):

„Nachdem diese Abmachungen getroffen waren, fand am ersten Mai ein feierlicher Aufzug statt. [ …. ] Außerhalb der Stadt lag in der Entfernung von drei Milien eine Anhöhe, auf deren Gipfel einst auch Diokletian den Purpur erhalten hatte. Es war dort eine Säule errichtet mit dem Bildnisse Jupiters. Dorthin ging der Zug. Die Soldaten werden zur Versammlung berufen. Mit Tränen beginnt der Greis [Diokletian] seine Ansprache an die Soldaten: Seine Kräfte seien erschöpft, er suche Ruhe nach der Arbeit. Die Herrschaft wolle er auf kräftigere Schultern übertragen und andere zu Cäsaren ernennen. Höchste Erwartung aller, was er vorbringen werde. Da verkündet er mit einem Male Severus und Maximin als Cäsaren. [ …. ] Dem Daja [Maximin] warf Diokletian den eigenen Purpur über die Schulter, den er ablegte, worauf er wieder Diokles wurde. Dann stieg man herab. Ein Reisewagen brachte den gewesenen Kaiser zur Stadt hinaus nach der Heimat.“

Es muss hier noch erwähnt werden, dass gleichzeitig auch Maximianus, Diokletians Kollege im Amt, in Mailand ebenfalls in einer feierlichen Zeremonie zurücktrat, auch wenn dessen Rücktritt nicht ganz freiwillig, sondern auf Druck Diokletians erfolgte.


Diokletians „Heimat“ war sein Altersruhesitz (Abb. 4) in Spalato, dem heutigen Split. Dieses kastellartige Bauwerk mit Seitenlängen von rund 215 mal 180 m umschließt etwa 30.000 Quadratmeter. Der Baubeginn wird gemeinhin in die Jahre 295/296 datiert. Wie die erhaltenen Bauteile zeigen, war der Baukomplex bei seinem „Bezug“ im Jahre 305 nicht in allen Teilen komplett fertiggestellt. Der Alterssitz war von einer hohen Mauer umgeben, die ursprünglich mit sechzehn Türmen bewehrt war. Wie bei einem Kastell üblich, besaß der „Palast“ vier Tore und den entsprechenden Straßenverlauf, drei der Tore gingen auf die Landseiten und eines, die sogenannte Seepforte, auf die Meerseite. Innerhalb der Mauern befand sich all das, was das Leben eines Kaisers im Ruhestand angenehm machen sollte: der eigentliche Palast, Wandelhallen, Bibliothek, verschiedene Thermen, die mittels eines Aquäduktes mit Frischwasser versorgt wurden, Tempel, Gebäude für das Personal und schließlich auch das Mausoleum, in dem Diokletian seine letzte Ruhe fand.


Abb. 4 Zeichnung zur Rekonstruktion des Diokletianspalastes in Split (Kroatien), von Ernest Hébrard (1912) Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Diocletian%27s_Palace_(original_appearance).jpg.


Natürlich fand der „Rückzug“ Diokletians ins Privatleben auch in der zeitgenössischen Münzprägung ihren Niederschlag. In den meisten Münzstätten wurden unter den verschiedenen Regenten Münzen mit dieser Thematik ausgegeben. Als Beispiel hierfür sei eine Bronzemünze (Abb. 5), ein Follis, der Münzstätte Serdica angeführt, der unter Galerius, dem Nachfolger Diokletians, um 305/306 geprägt wurde. Auf dem Avers ist die nach rechts gerichtete Büste Diokletians abgebildet. Diokletian ist mit dem reich verzierten kaiserlichen Mantel bekleidet. Ganz unnatürlich ragen aus der Büste die zwei Hände Diokletians heraus. In seiner rechten Hand hält der Kaiser einen Olivenzweig, in seiner linken eine Mappa. Die Mappa war ursprünglich ein rechteckiges Stück Tuch, das als Tischtuch oder Serviette Verwendung fand. Seit der Zeit Neros wurden die Spiele dadurch eröffnet, dass der Spielleiter eine Mappa in die Arena warf. Daraus entwickelte sich die Mappa letztendlich zum kaiserlichen Attribut.


Abb. 5 AE, 305/306, Galerius, Serdica, RIC VI 15a

Bildquelle: https://ikmk-win.ch/object?id=ID539.


Die Averslegende "D N DIOCLETIANO FELICISSIMO SEN AVG" (Domino Nostro Diocletiano Felicissimo Seniori Augusto - unserem Herrn Diokletian, dem glücklichsten, älteren Kaiser) ist im Dativ gehalten, d. h. es handelt sich hier um eine „Für-Prägung“ des Galerius für den zurückgetretenen Diokletian. Auf dem Revers sehen wir zwei weibliche Figuren, die auf einer Standlinie einander zugewandt stehen. Durch die Legende "PROVIDENTIA DEORVM QVIES AVGG" (Providentia Deorum Quies Augustorum - die Voraussicht der Götter und die Ruhe der Kaiser) werden die beiden Figuren eindeutig als Providentia, der Personifikation der vorausschauenden Fürsorge und Vorsehung, und als Quies, der Personifikation der Ruhe, benannt. Bei der linken Figur mit der vorgestreckten rechten Hand handelt es sich um Providentia, bei der linken Figur mit einem Zweig in der rechten Hand und mit einem langen Zepter in der erhobenen Linken um Quies. Die Personifikation der Ruhe erscheint nur auf den „Abdankungsmünzen“ Diokletians und Maximians. Dagegen ist das Bild der Providentia auf römischen Prägungen weit verbreitet. Die Buchstabenkombination "SM SD" im Abschnitt bezeichnet die Münzstätte Serdica in Thracia. Bei den drei Buchstaben "S - B - F" im Feld handelt es sich wohl um interne Kontrollzeichen der Münzstätte Serdica.


Abb. 6 AE, 307, Severus II., Lugdunum, RIC VI 216

Bildquelle: https://mk-marburg.ikmk.net/object?id=ID711.


Die Bronzemünze Abb. 6 ist eine Prägung des Kaisers Severus II. für Diokletian. Auf ihrer Vorderseite sehen wir wieder die nach rechts gerichtete Büste Diokletians im kaiserlichen Ornat wie auf Abb. 5. Die Legende "D N DIOCLETIANO P F S AVG" (Domino Nostro Diocletiano Pio Felicissimo Seniori Augusto - für unserem Herrn Diokletian, dem frommen, glücklichsten, älteren Kaiser) ist ebenfalls wieder im Dativ geschrieben. Auf der Rückseite ist jetzt Quies, die Personifikation der Ruhe, im gleichen Bildschema wie auf Abb. 5 allein abgebildet. Die Legende "QVIES AVGVSTORVM" bezieht sich wiederum auf beide zurückgetretene Kaiser, die nach den Anstrengungen und Mühen ihres Amtes nunmehr die wohlverdiente Ruhe genießen können und wohl auch sollen. Die Buchstaben "PLC" im Abschnitt verweisen auf die Münzstätte Lugdunum, das große "N" im Feld rechts neben Quies ist wiederum ein Kontrollzeichen der Münzstätte. Diokletian wurde nach seinem Rückzug in den Ruhestand nur noch im Jahr 308 politisch aktiv. Auf Bitte des Galerius übernahm er 308 das Konsulat zusammen mit diesem. In seiner Eigenschaft als Konsul und als ehemaliger „Senior Augustus“ berief er im November 308 eine Kaiserkonferenz in Carnuntum ein, an der neben Diokletian sein ehemaliger Kollege Maximianus sowie die beiden Augusti Galerius und Licinius teilnahmen. Das Ziel dieses Treffens, das System der Tetrarchie zu retten, wurde zwar erreicht. Allerdings hielten die dort getroffenen Vereinbarungen nur für kurze Zeit, um dann letztendlich in der Alleinherrschaft Constantins zu enden. Danach zog sich Diokletian wieder nach Spalato zurück. Sein genaues Todesjahr ist nicht genau belegt, die Quellen schwanken zwischen 313 und 316. Bestattet wurde Diokletian in seinem Mausoleum.


Horst Herzog

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