Da die Ikonografie der silbernen Dekadrachmen, Tetradrachmen, Didrachmen, Drachmen, Hemidrachmen und Obole, die Alexander der Große im attischen Standard prägen ließ, bei Sammlern antiker Münzen sehr wohl bekannt ist, zumal Tetradrachmen und Drachmen zu den am häufigsten vorkommenden antiken Silbermünzen zählen, gibt es wohl kaum jemanden, der die Bildmotive dieser Münzen nicht schon einmal gesehen hat. Schließlich sind all die erwähnten Nominale motivgleich und zeigen auf ihren Vorderseiten den Kopf des Herakles im Fell des Nemeischen Löwen nach rechts gewandt und auf ihren Rückseiten Zeus mit einem um die Hüften gelegten Himation (Tuchmantel) nach links thronend, auf der Rechten einen Adler haltend und die Linke auf ein Langzepter gestützt. Die Münzumschriften lauten dabei entweder auf ALEXANDROU ([Münze] Alexanders) oder auf BASILEOS ALEXANDROU ([Münze] des Königs Alexander).
Abb. 1: Tetradrachmon Alexanders des Großen (um 336-323 v. Chr.), Silber, 17,13 g, 27 mm, Münzstätte Amphipolis (Makedonien). Bildquelle: Numismatik Lanz, Auktion 146 (25. Mai 2009), Los 110.
Abb. 2:Tetradrachmon Alexanders des Großen (um 327-323 v. Chr.), Silber, 17,26 g, 28 mm, Münzstätte Tarsos (Kilikien). Bildquelle: Künker, Auktion 284 (14. März 2014), Los 7181.
Abb. 3: Tetradrachmon Alexanders des Großen (um 325-323 v. Chr.), Silber, 17,17 g, 26 mm, Münzstätte Babylon (Babylonien). Bildquelle: H. D. Rauch, Auktion 88 (17. Mai 2011), Los 99.
Abb. 4: Tetradrachmon des Satrapen Ptolemaios im Namen Alexanders des Großen (um 323/22 v. Chr., nach C. C. Lorber), Silber, 17,09 g, 26 mm, Münzstätte Memphis (Ägypten). Bildquelle: Künker, Auktion 97 (7.-8. März 2005), Los 460.
Abb. 5: Tetradrachmon des Satrapen Antigonos Monophthalmos im Namen Alexanders des Großen (Sigma = Jahr 18; 316/15 v. Chr.), Silber, 17,16 g, 27 mm, Münzstätte Sidon (Phönikien). Bildquelle: Künker, Auktion 54 (7.-8. März 2000), Los 1829.
Abb. 6: Tetradrachmon des Königs Seleukos´ I. Nikator im Namen Alexanders des Großen (um 295 v. Chr.), Silber, 17,16 g, 26 mm, Münzstätte Ekbatana (Medien). Bildquelle: Künker, Lagerliste 138 (31. März 1998), Nr. 22.
Weil aber nicht allein die Zahl der Münzstätten, in denen diese Münzen von Alexander und seinen Nachfolgern (den Diadochen) geprägt wurden, sehr groß war, sondern auch die Münzmenge, die auf uns gekommen ist, beachtlich ist und diese Münzen auch künstlerisch und stilistisch sehr unterschiedlich sind, braucht man heute „gute Literatur“, um durchzublicken und sagen zu können, aus welcher Münzstätte die eine oder andere Alexandermünze stammt. Das Standardwerk, auf das Fachleute heute in aller Regel zurückgreifen, um Klarheit in dieser Richtung zu erlangen, ist das zweibändige Werk: Martin Jessop Price, The Coinage in the Name of Alexander the Great and Philip Arrhidaeus, A British Museum Catalogue, Zürich, London 1991. Denn letztlich sind es eine Vielzahl an Beizeichen, Monogrammen und Buchstaben, die uns die entsprechende Münzstätte verraten und die der besagte Katalog peinlich genau verzeichnet.
Ob eine Alexandermünze allerdings noch zu seinen Lebzeiten oder erst posthum geprägt wurde, dafür braucht man trotz all der Fülle an Münzen nicht erst lange im Standardkatalog zu suchen. Den Schlüssel hierzu liefert nämlich der thronende Zeus, genauer gesagt, die Position seiner Beine. Vergleicht man Abb. 1-3 mit Abb. 4-6 so erkennt man, dass die Beine auf den ersten drei Münzen (Lebzeiten-Ausgaben) steif und recht eng zusammenstehen, während auf den letzten drei Münzen (posthume Ausgaben) das rechte Bein hinter das linke zurückgezogen wurde. Bei Price heißt es diesbezüglich: „The figure changes dramatically during the lifetime issues, and later the position of the legs is changed so that one leg is pulled back behind the other. This occurs first at Sidon in 325/4 BC (3487), and becomes the recognised design for the posthumous issues. The original design shows the two legs set stiffly side by side.“ („Die Figur [gemeint ist die des thronenden Zeus] verändert sich dramatisch während der Lebzeiten-Ausgaben, und später wird die Position der Beine verändert, so dass ein Bein hinter das andere gezogen wird. Dies geschiet erstmals in Sidon 325/4 v. Chr. ([Münze Nr.] 3487), und wird dann das anerkannte Design für die posthumen Ausgaben. Das ursprüngliche Design zeigt die beiden Beine steif nebeneinander gestellt.“) (M. J. Price, The Coinage in the Name of Alexander the Great and Philip Arrhidaeus, Bd. 1, S. 30). Durch das zurückgezogene Bein, auf den posthumen Ausgaben, ändert sich auch die Sitzposition des Zeus, sodass er insgesamt entspannter, lockerer und auch eleganter wirkt. (Paradebeispiel: Abb. 6, Rückseite).