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Dietmar Kreutzer

„Unsereinem bleibt wirklich nichts als Geld!“ – Die Gier des belgischen Königs Leopold II.


König Leopold II. von Belgien (1835-1909). Bildquelle: Magnoliabox.

Der König der Belgier (1835-1909) war in einem lieblosen Haushalt aufgewachsen. Wollte er seinen Vater sprechen, musste der junge Prinz bei Leopold I. einen Termin ausmachen. Die arrangierte Ehe mit der Österreicherin Marie-Henriette wird gelegentlich als „Abscheu auf den ersten Blick“ charakterisiert. Das britische Königspaar gab Ratschläge, wie die Ehe dennoch vollzogen werden könne. Später ließ sich Leopold II. für 800 Pfund monatlich junge Mädchen aus einem Londoner Bordell anliefern, deren Jungfräulichkeit garantiert wurde. Einige von ihnen waren erst zehn bis 15 Jahre alt. Zudem beschäftigte sich Leopold II. mit Investments in fremden Ländern. Seine Emissäre hatten sich umzuhören, wo preisgünstig eine ertragreiche Kolonie zu erwerben sei: „Man könnte für 30.000 Francs in Abessinien ein kleines Königreich erstehen lassen … Würde sich das Parlament, statt ständig von Neutralität zu reden, um unseren Handel kümmern, Belgien würde eines der reichsten Länder der Erde.“ (Adam Hochschild, Schatten über dem Kongo, Reinbek 2002, S. 57).

In Afrika wurde er schließlich fündig. Mit Hilfe fragwürdiger Verträge, geschlossen mit einheimischen Häuptlingen, schuf Leopold II. den „Freistaat Kongo“. Legitimiert von der Berliner Afrika-Konferenz (1885) begann er Geld einzusammeln, um das Land ausbeuten zu können. Unter zahlreichen Konzessionen gewährte ihm das belgische Parlament ein zinsloses Darlehen in Höhe von 25 Millionen Francs. Salbungsvoll vermachte er dafür „sein“ Land perspektivisch dem Staate: „Wir, Leopold II., König der Belgier, Herrscher des Freistaats Kongo, wünschen unserem geliebten Vaterland die Früchte der Arbeit zu sichern, die Wir viele Jahre lang auf dem afrikanischen Kontinent verfolgt haben … und erklären deshalb hiermit unseren Willen, nach unserem Tode unsere herrschaftlichen Rechte über den Freistaat Kongo an Belgien zu vererben und zu übertragen.“ (Ebenda, S. 146).

20 Francs (Belgien, 1878, Gold). Bildquelle: Comptoir des Monnaies.

Bis zu seinem Ableben sollte die Privat-Kolonie des Königs jedoch möglichst viel Profit abwerfen. Zunächst schien der Handel mit Elfenbein erfolgversprechend. Dann folgte der Boom des Kautschuks. Mit ungeheurer Härte wurde der Rohstoff aus dem Land gepresst. Die Nachrichten über die „Kongogräuel“ an Eingeborenen (Kinder und Erwachsene) gingen um die Welt, denen bei nicht erreichter Quote Hände und Füße abgehackt wurden. Der Monarch erfreute sich derweil in Brüssel an Zahlenkolonnen. Seine Briefe waren voll von Zinssätzen für Kongo-Kredite und den Preisspannen für seine Lieferungen an den Weltmärkten: „Blättert man in der Korrespondenz des Königs, dann hat man den Eindruck, man lese die Briefe des Vorstandsvorsitzenden einer Gesellschaft, die gerade ein profitträchtiges neues Produkt herausgebracht hat und sich nun beeilt, gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil zu erlangen, bevor diese ihr Fließband anlaufen lassen kann.“ (Ebenda, S. 247).

Zum Deutschen Kaiser soll der nur noch als konstitutioneller Monarch herrschende Leopold II. einmal gesagt haben: „Unsereinem bleibt wirklich nichts als das Geld!“ Dem rücksichtlos erwirtschafteten Profit widmete er sein Leben: „1897 fing er an, die Gewinne des Kongo-Staates in den Bau einer Eisenbahn in China zu investieren, und machte bei diesem Geschäft am Ende viel Geld. China betrachtete er genauso, wie er den ‚stattlichen afrikanischen Kuchen‘ gesehen hatte, nämlich als ein Festmahl, das zu verspeisen war; und er war wie immer willens, auch nicht eingeladen an der Tafel Platz zu nehmen. Über die Trasse, die er für seine Eisenbahn zu ergattern hoffte, sagte er: „‚Dies ist das Rückgrat Chinas; wenn ich es kriege, nehme ich auch ein paar Koteletts.‘“ (Ebenda, S. 264). Letztlich holte ihn seine Skrupellosigkeit aber ein. Als er 1909 starb, war er in ganz Europa verhasst.

5 Francs (Freistaat Kongo, 1887, Silber). Bildquelle: Künker, HA 2016, Los 1519.

Seine Besitztümer hatte Leopold II. rechtzeitig vor den gesetzmäßigen Erbinnen in Sicherheit gebracht. Ein Ex-Minister berichtete kurz vor seinem Ableben: „Der König träumt nur von zwei Dingen – als Milliardär zu sterben und seine Töchter zu enterben.“ Heimlich hatte er eine Stiftung gegründet. Ihr übertrug er Wertpapiere, Gemälde, Tafelsilber, Kristallwaren, Möbel usw. im Wert von 45 Millionen Francs. Von ihm gegründete Unternehmen verfügten über seine Kongo-Obligationen im Wert von 25 Millionen Francs sowie 85 Brüsseler Immobilien und zahlreichen Villen an der Riviera. Sein Nachfolger Albert I. (1875-1934) konnte über den Reichtum seines Onkels nur staunen: „Das prunkvolle, säulengeschmückte königliche Schloss wurde mit Profiten aus dem Kongo in seinen derzeitigen prachtvollen Zustand versetzt, ebenso das noch prächtiger gelegene, von der königlichen Familie bewohnte Schloss Laeken mit seinem Kuppeldach und den überwältigenden Gewächshäusern, an denen mehr als 24.000 Quadratmeter Glas verbaut sind.“ (Ebenda, S. 449).


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