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Michael Kurt Sonntag

Die eigenständigen Münzen des Lysimachos – wahre Meisterwerke des frühen Hellenismus


Lysimachos, der dem makedonischen Hochadel aus Pella entstammte, war nicht nur von Anfang an bei den Eroberungszügen Alexanders des Großen dabei, sondern gehörte als General und Leibwächter (somatophylax) Alexanders sogar zu seiner nächsten Umgebung. In Indien kämpfte er an Alexanders Seite gegen den Inderkönig Poros und wurde verwundet. Später diente er als Flottenkommandant der Hydaspes-Flotte und wurde 324 v. Chr. in Susa mit einem goldenen Kranz hoch dekoriert und mit einer iranischen Fürstentochter vermählt. Nach Alexanders Tod in Babylon im Juni 323 v. Chr. wurde ihm vom Reichsverweser Perdikkas in Übereinstimmung mit der makedonischen Heeresleitung die Satrapie Thrakien zugwiesen. Der wirklich große Durchbruch gelang Lysimachos aber erst, nachdem er Antigonos Monophthalmos – den Herren über Kleinasien und Syrien – 301 v. Chr. bei Ipsos im Bündnis mit Kassandros und Seleukos vernichtend geschlagen und sich Kleinasien bis zum kilikischen Tauros als Siegespreis einverleibt hatte. 287 v. Chr. besiegte er zusammen mit Pyrrhos, Demetrios Poliorketes und teilte sich anschließend mit Pyrrhos die Herrschaft über Makedonien. Den Höhepunkt seiner Macht erreichte er 284 v. Chr., als es ihm gelang, auch Pyrrhos aus Makedonien hinauszudrängen und sich zum alleinigen König der Makedonen aufzuschwingen. Allerdings konnte er dieses sich von der Donau bis zum Tauros und vom Pindos bis zum Golf von Pagasai erstreckende Reich nur für kurze Zeit behalten. Im Februar 281 v. Chr. kam es nämlich auf dem Kyros-Feld (Kuru pedion) westlich von Sardeis, am Fluss Phrygios in Lydien, zur Entscheidungsschlacht zwischen ihm und seinem früheren Kampfgefährten Seleukos, dem Beherrscher des Seleukidenreichs. Einer Schlacht, in welcher der beinahe 80-jährige Lysimachos sowohl Reich als auch Leben verlor.

Nun trug Lysimachos den Titel König schon seit 305 v. Chr., prägte jedoch zwischen 305/301 und 299/98 v. Chr. noch die alten „Alexandertypen“ im Namen Alexanders und wies sich dabei nur durch eine Löwenprotome als Prägeherr dieser Münzen aus. Zwischen 299/98 und 297/96 v. Chr. prägte er zwar immer noch dieselben „Alexandertypen“ – jetzt aber im eigenen Namen. Grundlegend neu und völlig eigenständig gestaltete sich seine Münzprägung ab 297/96 v. Chr., als er mit dem idealisierten Porträt des vergöttlichten Alexander und der Nike-tragenden Athena (der Athena Nikephoros) prägen ließ.

Tetradrachmon (297/96-282/81 v. Chr.), 17,17 g, Ø (Höhe, Vs.) 29,92 mm, Münzstätte Alexandria Troas. Bildquelle: Künker, Auktion 89 (8.-9. März 2004), Los 1165.

Alexander erscheint uns auf diesen Münzen also bereits als Gott; weist ihn doch das Widderhorn, das er über der Königsbinde (dem Diadem) trägt, eindeutig als Sohn des widdergestaltigen Gottes Amun (Zeus Ammon) aus. Zudem wird das Göttliche durch lange, bewegte lockige Haare – im übrigen ein Merkmal des jugendlichen Dionysos – sowie durch die großen, tiefliegenden nach oben gerichteten Augen betont, die im Hellenismus ein Stilmittel zum Ausdrücken von Pathos waren. Auch ist die für Alexander charakteristische Stirnlocke, die Anastole, auf diesen Münzen deutlich sichtbar. Dass Lysimachos auch als König nicht dem Beispiel der Könige Ptolemaios I. Soter und Demetrios Poliorketes folgte und wie diese sein eigenes Porträt auf seine Münzen setzte, sondern stattdessen mit dem Bildnis des vergöttlichten Alexander prägen ließ, ist bemerkenswert. Während jedoch die Vorderseite dem Gott Alexander „die Ehre erweist“, nimmt die Rückseite eindeutig Bezug auf Lysimachos und seinen überwältigenden Sieg bei Ipsos (301 v. Chr.). Denn dadurch, dass die Nike seinen Namen mit dem Lorbeer des Siegers bekränzt, selbst aber auf der Hand der mächtigen Göttin Athena steht, wird deutlich, dass es eigentlich Athena war, die Lysimachos den Sieg schenkte. Und da Ipsos sein größter Sieg war, dürfte es sich bei dieser Münzrückseitendarstellung um eine Anspielung auf jenen überragenden Sieg von Ipsos handeln. Die ikonographische Botschaft dieser Münze: die Königsherrschaft des Lysimachos ist legitim, weil vom vergöttlichten Alexander hergeleitet und Athena ist die machtvolle Gönnerin und Beschützerin des Königs. Oder anders formuliert, Lysimachos, der ehemalige Leibwächter, General und enger Vertrauter Alexanders des Großen ist der rechtmäßige König und Nachfolger Alexanders und ein Liebling der Göttin Athena.

Künstlerisch betrachtet, gehören diese Münzen mit dem idealisierten Porträt des vergöttlichten Alexander und der Nike-tragenden Athena zweifellos zu den großartigsten des frühen Hellenismus und zu den schönsten und eindrucksvollsten der gesamten griechischen Antike. Ob der Schöpfer dieses Münztypus allerdings der berühmte griechische Gemmenschneider Pyrgoteles war, der Lieblings-Gemmenschneider Alexanders des Großen, lässt sich definitiv weder mit ja noch mit nein beantworten. J. J. Pollitt schrieb diesbezüglich: „This type is one of the most beautifully conceived medallions in ancient art, the masterpiece of a skilled gem-maker. One wonders if Pyrgoteles survived long enough to be its creator.“ (J. J. Pollitt, Art in the Hellenistic Age, Cambridge 1986, S. 26). Mit anderen Worten, hätte Pyrgoteles nur lange genug gelebt, um von Lysimachos mit der Kreation dieses Münztypus beauftragt worden zu sein, dann könnte er nach Pollitt durchaus dessen Schöpfer sein. Aber auch wenn es nicht Pyrgoteles gewesen sein sollte, der diesen Münztypus schuf, der Schöpfer war zweifellos ein wahrer Meister seines Faches. Nun sind zwar längst nicht alle Münzen des Lysimochos von überragendem Stil, doch sind viele dieser lysimachischen Originale ausdrucksstark und ästhetisch. Übrigens, von diesem Münztypus wurden auch noch silberne Drachmen und goldene Statere geprägt.


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