George Clive & Familie mit indischer Dienerin, Gemälde von Sir Joshua Reynolds (um 1765).
Bildquelle: Wikimedia, SMB-Museum.
In der „Bildbefragung“ einer Ausgabe der Kunstzeitschrift Art wird ein hierzulande wenig bekanntes Kapitel der Prägung von Kolonialmünzen angestoßen. Das Gemälde zeigt die Familie eines im Handel tätigen Briten in Fernost. Der historische Kontext: König Georg III. (1738-1820) sah die Zukunft seines Landes auf dem Wasser. Deshalb förderte er den Bau von Handelsschiffen: „Es ging nicht mehr nur darum, Gold aus Mexiko oder Gewürze aus Asien nach Europa zu importieren, wie es früher die Republik Venedig oder Spanien praktiziert hatten. Im 18. Jahrhundert wurden weltweit Handelsnetze aufgebaut. Berühmtestes Beispiel ist der Dreiecksverkehr zwischen Europa, Afrika und der Karibik. Engländer brachten auf ihren Schiffen Waffen nach Westafrika, kauften für den Erlös Sklaven, die sie in die Karibik transportierten, um dort wieder Tabak und Zucker für England zu laden.“ (Rose-Marie und Rainer Hagen, In Kalkutta wird der Glücksritter zum Krösus; in: Art, Heft 9/1997, S. 80).
Die britische East India Company besaß das königliche Monopol für den Handel mit Indien. Wer im aristokratisch geprägten England keine Chance hatte, versuchte in Indien reich zu werden. Eine fünfjährige Verpflichtung als Soldat der East India Company schien der Schlüssel zum Glück zu sein. Doch die Interessen der Gesellschaft waren die eine Sache, die eigenen eine andere. Korruption ist an der Tagesordnung gewesen. Auf diese Weise konnten sich viele Briten einen Haushalt mit 100 Beschäftigten leisten. Unter den indischen Dienern waren ein Träger für die Wasserpfeife, ein Friseur bzw. Perückenmacher sowie mehrere Sänftenträger. Von den Gehältern der Company ließ sich ein solcher Wohlstand nicht finanzieren. Erst die von Fürsten und Händlern angebotenen Geschenke und Bestechungsgelder ließen die Angestellten in kurzer Zeit so reich werden.
Das Gemälde zeigt Robert oder George Clive. Welcher der beiden es ist, konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden. Robert (1725-1774) war der „Eroberer Bengalens“ und ist von der East India Company vor Ort als Gouverneur eingesetzt worden. Sein Vetter George kam ebenfalls in Indien zu Geld. Die East India Company, eigentlich nur eine Aktiengesellschaft Londoner Kaufleute, herrschte zu dieser Zeit über ein staatsähnliches Gebilde, das weitgehend den asiatischen Handel beherrschte. Sie prägte nicht nur eigene Münzen für ihr Geschäft, sondern hielt sich zum Schutz vor Konkurrenz sogar eine eigene Armee. Erst 1773 musste sich das Handelsunternehmen einer parlamentarischen Kontrolle unterwerfen. Britisch-Indien entstand. Im Jahr 1876 wurde Königin Viktoria von Großbritannien zur „Kaiserin von Indien“.
Den ersten Freibrief für die Gesellschaft hatte Königin Elisabeth I. im Jahr 1600 ausgestellt. Um das Unternehmen der Holländischen Ostindien-Gesellschaft gleichzustellen, vergab Karl II. (1630-1685) ein Münzrecht für die Niederlassung in Bombay. Durch den regionalen Mogul-Kaiser Farrukhsiyar wurde dieses Recht erst 40 Jahre später bestätigt. Ungeachtet derartiger Formalitäten nahm die East India Company bereits im Jahr 1672 ihre erste eigene Münzstätte in Bombay in Betrieb. Im Lauf der Zeit entstanden weitere im ganzen Land. Die Gesellschaft teilte ihren Einflussbereich in drei Verwaltungsregionen ein: die Gouvernements von Bombay im Westen, Bengalen im Osten und Madras im Süden. Jedes von ihnen gab seine eigenen Münzen aus. Weil die Akzeptanz der europäisch wirkenden Münzbilder zu wünschen übrigließ, wurden anfangs auch Prägungen der Mogul-Kaiser nachgeahmt. Gemeinsam mit den örtlichen Prägungen gab es damit eine kaum überschaubare Vielfalt. Diverse Gold- und Silbermünzen wurden zu Handelszwecken ausgeprägt. Im Kleinhandel dominierte das Kupfer. Um den Handel zu vereinfachen, ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts über ein universell gültiges Währungssystem für ganz Indien nachgedacht worden. Der britische Coinage Act von 1835 verfügte, dass in allen britischen Kolonien standardisierte Münzen auszugeben waren. In diesem Kontext entstand das System der silbernen Rupie von 1835.
2 Mohur, William IV., East India Company, 1835, Gold. Bildquelle: Numista, Heritage Auctions.
Als höchstes Nominal wurde der Gold-Mohur im Nennwert von 15 Rupien geprägt. Zur Standardmünze wurde die Rupie im Gewicht einer Tola zu 11,664 Gramm. Das Kleingeld war traditionell in kupferne Pice und Anna aufgeteilt. Aufgrund der Regelungen des Coinage Acterschien erstmals das Abbild von König Wilhelm IV. (1765-1837) auf indischen Münzen: „Einen hohen Anteil am allgemeinen Entwurf der einheitlichen Rupie hatte James Prinsep, Münzmeister der Münze von Kalkutta und Münzsekretär im Münzausschuss. Der hauptsächliche Erfolg lag in der Anpassung der vorhandenen kupfernen Währung an das neue Rupien-System.“ (Dieter Baumgarten, Münzgeschichte Indiens, Kurzfassung, auf: www.indiacoins.privat.t-online.de). Die Münzstempel wurden über mehrere Jahre hinweg unverändert benutzt. Auch die aufgeprägte Zahl des Reformjahres 1835 blieb.
1 Rupie, Victoria, East India Company, 1840, Silber. Bildquelle: Numista, Heritage Auctions.
Nach dem Thronantritt von Königin Victoria sind die Gold- und Silberausgaben überarbeitet worden. Alle Silbermünzen, die im Zeitraum zwischen 1841 und 1858 geschlagen wurden, tragen die Jahreszahl 1840. Der Gold-Mohur erhielt 1841 als feste Jahresangabe. Mit der Übernahme der staatlichen Kontrolle über Indien im Jahr 1858 endete die Münzprägung der East India Company.
Über eine ganz besondere Münze, die er bei einem Londoner Münzhändler erwarb, berichtete vor einiger Zeit ein Sammler. Es handelt sich um ein 20-Cash-Stück, das im Jahr 1808 im Auftrag der East India Company für die südindische Region Madras geprägt wurde (Krause-Mishler, Nr. 321).
20 Cash, Madras Presidency, East India Company, 1808, Kupfer. Bildquelle: Coin Kingdom.
Die von der Soho Mint (Birmingham) hergestellte Kupfermünze wiegt 12,95 Gramm und weist einen Durchmesser von 31 mm auf. Auf der Vorderseite zeigt sie das von Löwen gehaltene Wappen der Gesellschaft mit der Aufschrift auspicio regis et senatus anglia. Übersetzt bedeutet dies, dass das Stück auf Anweisung des Königs und Parlaments von England hergestellt worden ist. Auf der Rückseite findet sich die Wertangabe in römischen Ziffern und eine Inschrift in Urdu. Sie erklärt, dass 20 Cash mit vier Fulus gleichzusetzen seien. Diese und weitere Münzen sollten im Jahr 1809 im Auftrag der East India Company mit einem Konvoi aus drei Schiffen nach Indien gebracht werden: „Den wertvollsten Teil der Fracht machten wohl die Cash-Münzen aus. 54 Tonnen aller drei Nominale (5, 10, 20 Cash) wurden – sorgfältig in Wachsbarren eingegossen – verladen. Nach der Bergung eines intakten Barrens geht man von etwa 28.000 Münzen je Barren aus. Mit weiteren Gütern für Indien bestückt, liefen die Admiral Gardner, die Britannia und die Carnatic unter gutem Ostwind am 25. Januar aus.“ (Münzen vom Meeresgrund: Die Geschichte der Admiral Gardner, zitiert aus dem Forum von emuenzen.de). An den Goodwin Sands an der Straße von Dover kam ein Sturm auf. Nebel und Regen erschwerten die Navigation. Die Admiral Gardner und die Britannia wurden immer dichter an die Sandbänke gedrückt. Um nicht aufzulaufen, sind zunächst die Segel eingeholt und die Anker geworfen worden. In der größten Not wurden schließlich sogar die Masten gekappt. Umsonst! Die Schiffe liefen auf Grund. Fischer konnten die meisten der Seemänner retten. Im Jahr 1985 wurde das Wrack der Gardner archäologisch untersucht: „Aus 60 Fuß Tiefe konnten im Tauchzeitraum etwa eine Million Kupfermünzen durch die East India Company Divers unter der Führung von Richard Larn geborgen werden. Finanziert wurde diese Tauchaktion zum Teil auch dadurch, dass man einen Teil der gefundenen Münzen an Shell Tankstationen als Souvenirs verkaufte.“