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Dietmar Kreutzer

Ungewöhnliche Casino-Jetons: Vom monegassischen Gold zum Talisman von Campione


Casino Campione d’Italia (Neubau des Schweizer Architekten Maria Botta von 2007)

Bildquelle: Wikimedia, AdmComSRL

Im Sommer 2018 wurde das Casino Campione d’Italia wohl für immer geschlossen. Grund ist ein Schuldenberg von 132 Millionen Euro, veranlasst unter anderem durch den hohen Wechselkurs des Schweizer Franken in jüngster Zeit. Die 500 Mitarbeiter des 1917 gegründeten Casinos, das in einer italienischen Exklave am Luganer See (Schweiz) liegt, wurden entlassen. Die numismatisch interessanten Sonder-Jetons aus Campione geben Anlass, auf außergewöhnliche Gold- und Silberprägungen von Jetons zurückzublicken.

Casino Monte Carlo

100 Francs (Monaco, 1884, 900er Gold, 32,2 Gramm)

Bildquelle: Sovereign Rarities Ltd.

Das wohl schillerndste europäische Casino am Ende des 19. Jahrhunderts war jenes von Monte Carlo. Anfangs machte die von Fürst Florestan I. von Monaco (1785–1856) gegründete Casino-Gesellschaft nur Schulden. Erst nachdem der französische Börsenspekulant Francois Blanc im Jahr 1863 einstieg, ging es bergauf. Bereits vier Jahre später wurde mit Jetons gespielt. Die kunstvoll verzierten Stücke nahmen jedoch ungewöhnliche Wege: „Aus verschiedenen Gründen verließen zahlreiche Spielmarken im Wert von 2 Francs das Fürstentum. Trotz ihrer theoretischen Wertlosigkeit begannen sie in der Umgebung wie Bargeld zu zirkulieren. In den Cafés und Tabakgeschäften von Nizza und sogar in Menton wurden sie als Zahlungsmittel akzeptiert.“ (Monte Carlo Anecdotes, London 1910) Als dann noch Falschmünzer auf den Plan traten, wurden die Marken eingezogen. Der Mindesteinsatz betrug fortan 5 Francs. Für höhere Einsätze wurden anfangs 20 Francs in Gold gesetzt. Im Jahr 1878 sind erstmals monegassische Goldmünzen mit diesem Nominal geprägt worden. Vier Jahre später folgte eine erste Ausgabe zu 100 Francs, geprägt im Auftrag von Fürst Karl III. (1818–1889) an der Monnaie de Paris. Ölmilliardär Nubar Gulbenkian: „Die goldenen 100-Francs-Stücke waren damals ein beliebter Spieleinsatz im Casino von Monte Carlo.“ Bis 1904 wurden 105.000 Exemplare geprägt. Als Zahlungsmittel offiziell nur innerhalb des Fürstentums zugelassen, kursierten sie jedoch in weiten Teilen Europas und Russlands. Reiche Besucher des Casinos nahmen sie gern als Souvenir mit nach Hause.

Casino Baden-Baden

Jubiläums-Jeton zu 500 Mark (Baden-Baden, 1955, 750er Gold, 31,9 Gramm)

Bildquelle: SINCONA AG, Auction 9, Lot 4209, Zuschlag: 1.500 CHF

Im Umkreis der badischen Thermalquellen hat das Spielvergnügen eine noch längere Geschichte: „In Baden-Baden, wo schon 1755 Hazard gespielt wurde, begann das Glücksgeschäft zu florieren, als der französische Casino-Unternehmer Bénazet den Schwarzwaldort ab 1838 in ein modernes Babel verwandelte.“ (Der Spiegel, Heft 1-2/1966) Tatsächlich war es Jacques Bénazet (1778–1848), der das Publikum der französischen Spielbanken aus dem Palais-Royal mitbrachte. Für die Werbung bediente er sich eines einfachen Tricks: „Literaten und Feuilletonschreiber kamen aus Paris. Bénazet bezahlte. Und sie fanden jeden Morgen Gold auf ihrem Nachttisch, damit sie am Glücksspiel teilnehmen konnten.“ (Das Casino und seine Geschichte, auf: www.casino-baden-baden.de) Als das Glücksspiel im Deutschen Reich verboten wurde, schlossen die Spielsäle am 31. Oktober 1872. Erst im Oktober 1933 ist der Spielbetrieb nach Aufhebung des Verbots wieder aufgenommen worden. Aus dieser Zeit stammt der wohl ungewöhnlichste Jeton, den Sammler Reinholt Schmitt erwerben konnte. Der „Diamant-Jeton“ von 1940, ausgegeben im Grand Cercle der Spielbank Baden-Baden, hatte einen Wert von 200 Reichsmark. In der Mitte prangt ein Diamant. Nach einer weiteren, kriegsbedingten Spielpause öffnete das Casino am 1. April 1950 zum dritten Mal seine Pforten. Anlässlich der Neueröffnung wurden silberne Gedenk-Jetons zu 5, 10 und 20 Deutschen Mark ausgegeben. Außerdem erschienen goldene Spielmarken zu 20, 50, 100, 500 und 1.000 Mark. Entworfen vom Münchner Medailleur Karl Roth, tragen sie auf der Vorderseite die Wertangabe, umgeben vom Schriftzug „Casino Baden-Baden 1750–1950“. Auf der Rückseite ist der bekannte Drei-Schalen-Brunnen abgebildet.

Casino Campione d’Italia

Sonder-Jeton zu 20 Franken (Campione, 1966, 900er Gold, 6 Gramm)

Bildquelle: Coin-House SESAM Basel, Erlös bei MA-Shops: 500 Euro

„Im Gegensatz zu den zwei einzigen Casinos, die ich je als Besucher betreten hatte, nahm sich das Casino Municipale in Campione dürftig aus. Nicht nur wegen seiner Ausstattung, sondern weil ihm das Flair großer Tragödien fehlte.“ (Peter Axel Knipp: Zeit im Treibsand, Neobooks 2013) Gegründet wurde es im Jahr 1917, also mitten im Ersten Weltkrieg, auf neutralem Territorium. Der Sonderstatus der italienischen Exklave inmitten des Staatsgebietes der Süd-Schweiz geht auf eine klösterliche Erbschaft aus dem Jahr 777 zurück. In dem Dörfchen mit einer Fläche von 2,6 qkm und 1971 Einwohnern wird mit Franken gezahlt. Auch das Steuerrecht ist durch Abkommen mit der Schweiz geregelt. Die besonders freizügigen Möglichkeiten für Spielhallen haben das Casino zum größten in Europa aufsteigen lassen. In dem eingangs zitierten Roman von Peter Axel Knipp tauschte Carlotta, die Bekannte des Erzählers, bei einem Casino-Besuch in den frühen neunziger Jahren ein paar rote Jetons zu 1.000 Franken: „Sie setzte sich zwischen einen älteren Herren, der ein halbes Dutzend Goldringe an den Fingern trug, und eine sehr alte Dame, die so durchsichtig aussah, als sei sie direkt vom Totenbett zu einem letzten Spielchen ins Casino gekommen. (…) Sie stieg mit fünftausend Franken ein, eine Summe, von der ich zwei bis drei Monate lebte, auf das Karree sieben, acht, zehn, elf. Wie selbstverständlich kam die Zehn, und der Croupier schob ihr ungerührt den neunfachen Gewinn hin. Fünfundvierzigtausend Franken. Ich wäre ein Jahr versorgt gewesen und hätte mir noch einen neuen Kleinwagen kaufen können.“ Die numismatisch bemerkenswerten Sonder-Jetons aus Silber und Gold mit dem heiligen Ambrosius auf der Wappenseite wurden zwischen 1950 und 1972 geprägt. Wie reguläre Jetons auf den Roulette-Tischen einsetzbar, wurden sie jedoch meist gesammelt. Das Goldstück zu 20 Franken entsprach anfangs den Normen der Lateinischen Münzunion.

Casinos Austria

Sonder-Jeton zu 1000 Schilling (Casinos Austria, 1971, 900er Gold, 17,5 Gramm)

Bildquelle: Dorotheum, Auktion v. 17.11.2016, Lot 949, Zuschlag: 560 Euro

Das Unternehmen, am 3. Januar 1934 als Österreichische Casino AG gegründet, betreibt zwölf Spielbanken in Österreich. Gestartet mit den Casinos im österreichischen Baden, Salzburg und Kitzbühel, wurde es 1967 in die Österreichische Spielbanken AG überführt. Wenig später ist im Gefolge der Hausse an den Edelmetall-Märkten damit begonnen worden, erste Sonder-Jetons auszugeben: „Seit 1971 legt die Casinos Austria AG (Sitz in Wien) mehrmals im Jahr zu besonderen Anlässen Jetons aus Gold und Silber auf, die zwar zum Spiel zugelassen, aber mehr als Sammelobjekt und Souvenir gedacht sind und vom Münzenhandel gehandelt werden.“ (Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien 1992–1997) Die Jetons zu 100, 200 und 500 Schilling aus Silber zeigen auf der Vorderseite die jeweilige Wertangabe und den Schriftzug „Casinos Austria“. Auf der Rückseite sind wie bei Gedenkmünzen aktuelle Ereignisse und Jubiläen ins Bild gesetzt. Die Erstausgabe „Fortuna“ zu 1.000 Schilling in Gold mit einer Auflage von 1.000 Exemplaren enthielt fast eine halbe Unze Gold. Im Gefolge der Preissprünge an den Edelmetall-Märkten musste das Feingewicht innerhalb von 15 Jahren jedoch auf drei Gramm reduziert werden. Nach seiner internationalen Aufstellung firmiert das Unternehmen seit 1985 unter der Bezeichnung Casinos Austria AG. Das veränderte Spielverhalten bewirkte zunächst, dass das „Lebendspiel“ mit einem Croupier am Spieltisch an Bedeutung verlor. Nach dem Vorbild von Las Vegas (USA) wurde daher 1979 im Spielcasino von Baden erstmalig das Automatenspiel eingeführt. Im Jahr 2001 startete die Firma dann ihre Casino-Spiele im Internet. Die Geschäftssparte trägt in zunehmendem Maße zum Unternehmensgewinn von zuletzt 330 Millionen Euro (inklusive Auslandsgeschäft) bei. Mit dem Ausbau der Internet-Sparte ist auf die Ausprägung der Sonder-Jetons verzichtet worden, die nun weniger nachgefragt wurden. Doch auch das stationäre Spiel im Casino ist nicht gänzlich aus der Mode gekommen: Im Jahr 2016 verbuchte das Casino im österreichischen Baden mit 1.140.000 Euro den höchsten Roulette-Gewinn der Unternehmensgeschichte!


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