Es war fast wie im Krimi. Durch die Eingangstür des Amsterdamer „Hotel Victoria“ zwängten sich gegen Mitternacht zwei Männer. Sie wuchteten zwei prall gefüllte Geldsäcke auf den Tresen und verlangten Unterkunft. Der Portier bat die beiden Herren aus Deutschland, einen Moment zu warten. Dann rief er die Polizei. Auf der Wache erklärten die beiden, dass sie das Silbergeld im Wert von 40.000 DM an einen Amsterdamer Edelmetallhändler verkaufen wollten. Da keine Straftat vorlag, ließen die Beamten die Männer frei.
Die beiden Herren waren nicht die einzigen, die im Frühjahr 1968 grenzüberschreitend mit Silbermünzen unterwegs waren. Zahlreiche Spekulanten stürzten sich infolge des gestiegenen Silberpreises auf Münzen, deren Materialwert den Nennwert überstieg. Im Zentrum des Interesses standen holländische „Rijksdaalder“ zu 2 ½ Gulden sowie „Zweifränkler“ aus der Schweiz. Schalterbeamte des Postamts 1 in Basel berichteten, dass laufend „Neukunden“ aus Deutschland auftauchten. Sie verlangten Silbergeld im Tausch für Banknoten im Wert von mehreren tausend Franken. Auf Nachfrage antwortete einer der Herren, dass er bei einer deutschen Firma für Edelmetalle arbeite. Die Münzen würden zu Barren eingeschmolzen, die anschließend mit Gewinn weiterverkauft würden. Als die Methoden publik wurden, titelte die Schweizer Boulevardpresse: „Die Deutschen rauben uns aus!“
Innerhalb kürzester Zeit landeten etwa 100 Tonnen Silbergeld im Schmelztiegel. Als das Kleingeld knapp zu werden drohte, reagierte der Schweizer Bundesrat. Am 25. März 1968 verbot er die Ausfuhr größerer Beträge von Silbermünzen. Gleichzeitig wurde der Ersatz des Silbergeldes vorbereitet. Im April sprach sich herum, dass die Eidgenössische Münzstätte bereits neue Münzen aus Kupfer-Nickel ausprägte. Betroffen waren zunächst die Münzen mit dem höchsten Silbergehalt: 2 Franken, 1 Franken sowie 50 Rappen. Zur schnellen Lösung des Problems war zudem die Londoner Royal Mint mit einem Auftrag zur Prägung ausgestattet worden. Am 10. Mai 1968 kamen die ersten neuen Geldstücke in den Verkehr.
Mit der Auslieferung größerer Stückzahlen im Lauf des Sommers begann sich die Situation zu entspannen. Auf den Wert des Münzsilbers aufmerksam geworden, wurde in der Bevölkerung nun die einzig verbliebene Silbermünze gehortet, der „Fünfliber“ zu 5 Franken, der seit seiner Neugestaltung von 1931 allerdings nur noch einen relativ niedrigen Silbergehalt aufwies. So beschloss der Bundesrat am 10. Juli 1968 auch den Ersatz dieser Münzen durch Stücke aus Kupfer-Nickel.
Die Schweiz war damit eines der letzten Länder, das die Ausprägung von Silbermünzen für den gewöhnlichen Umlauf beendete. Viele Länder, darunter die USA, waren diesen Schritt bereits während der 1960er Jahre gegangen. Österreich stellte 1973 die Prägung der silbernen 10-Schilling-Münzen ein. Die Bundesrepublik folgte 1975 mit dem Austausch der silbernen „Heiermänner“ gegen „Fünfer“ aus Magnimat.
Die Silberkrise in der Schweiz war jedoch nicht die letzte. Mitte der 1970er Jahre kauften die Gebrüder Hunt (USA) gemeinsam mit vermögenden Geschäftsleuten aus Saudi-Arabien riesige Silbermengen an den Warentemin-Börsen auf. Der Preis des Edelmetalls stieg daraufhin von 2 Dollar pro Unze (1973) auf über 50 Dollar pro Unze (1980). Als die US-Börsenaufsicht COMEX neue Käufe von „Long-Positionen“ untersagte, brach das Kartenhaus im Januar 1980 aber zusammen. Der Preis stürzte ab. Die Hunts waren bankrott!
Sitzung des Schweizer Bundesrates in Bern. Bildquelle: Wikimedia, Rutishauser
Der „Zweifränkler“ stand im Zentrum des Interesses. Bildquelle: Uncut-News
DDer „Fünfliber“ war die letzte silberne Umlaufmünze. Bildquelle: Ebay, Numissnel