Zum Auftakt der TV-Reihe „100 Meisterwerke und ihre Geheimnisse“ ist kürzlich „Der Geldwechsler und seine Frau“ von Quentin Massys vorgestellt worden: „Vor dem Mann liegen eine Anzahl Münzen unterschiedlicher Herkunft und mehrere Gewichte. (…) Die Komposition lenkt den Blick auf das Geld und eine Waage.“ (ARTE-Mediathek: 22. Juni 2018). Zunächst wird erläutert, dass um 1500 in Antwerpen ankommende Seeleute und Händler ihre Münzen bewerten ließen. Dann werden die verschieden großen Gewichte erklärt, die auf dem Tisch liegen: „Die kleinen Becher lassen sich ineinander stapeln wie russische Puppen und bilden eine sogenannte Pile de Charlemagne, den ‚Kegel‘ Karls des Großen.“ Werfen auch wir einen Blick auf das Geschäft der Geldwechsler in vergangenen Zeiten.
„Der Geldwechsler und seine Frau“ von Quentin Massys (1466–1530). Bildquelle: Absolutmedien
Beim Wechsler vorgelegte Goldmünzen aus England, Frankreich, Italien und Spanien. Bildquelle: Pinterest, Florenskaya
Weithin bekannt ist die Vertreibung der Händler und Geldwechsler aus dem Tempel von Jerusalem. Mit einer Geißel aus Stricken in der Hand habe der junge Jesus die Tische der Händler umgestoßen und das Geld der Wechsler verschüttet: „Machet nicht meines Vaters Haus zum Kaufhause!“ Johannes 2,16). Die dortigen Geldwechsler tauschten gebräuchliche Umlaufmünzen in tyrische Schekel bzw. Doppeldrachmen um, die als alleinige Tempelwährung galten. Diese Silbermünzen trugen auf einer Seite eine Abbildung des tyrischen Stadtgottes Melkart, häufig als Herakles dargestellt. Auf der anderen Seite befand sich ein Bild des ptolemäischen Adlers, der Zeus symbolisierte. „Unreine“ römische Provinzialmünzen wurden dagegen nicht akzeptiert.
Schekel (Tyros, 91/92 v. Chr., Silber, 14,26 Gramm). Bildquelle: Künker, Herbstauktionen 2017, Los 379, Zuschlag: 4.200 Euro
Mit den Münzen konnte unter anderem die vorgeschriebene Tempelsteuer entrichtet werden. Die Steuer in Höhe eines halben tyrischen Schekels hatte jeder männliche Israelit vom 20. Lebensjahr an zu bezahlen. Sie diente dem Unterhalt des öffentlichen Kultes am Jerusalemer Tempel. Bei den angestellten Geldwechslern konnten ausländische Währungen in Schekel getauscht sowie große Nominale gewechselt werden. Als Wechselgebühr fielen zwischen vier und fünf Prozent des Nennwertes an. Die tyrischen Schekel wurden vermutlich auch für den Erwerb von Tempelopfern benötigt. Wohlhabende Pilger kauften Rinder und Schafe. Tauben galten als Opfer der Armen. Neben den kultisch reinen Schlachttieren wurden aber auch Mehl, Wein und andere Naturalien geopfert.
Christen durften bis zum 15. Jahrhundert nach kanonischem Recht kein Geld gegen Zinsen verleihen. Juden schon. Da ihnen Zunftgewerbe hierzulande verboten waren, verdienten sich viele Juden ihren Lebensunterhalt im Handel, als Pfandleiher oder im Zins- und Wechselgeschäft. Nach der Lockerung des Zinsverbotes für die Christen nahm der wirtschaftliche Einfluss der Juden im Spätmittelalter ab. Nun waren mitunter sogar hohe Geistliche als Geldverleiher tätig. Aus Bremen ist bekannt, dass Erzbischof Adaldag im Jahr 966 eine Wechselstube errichtete. Aufgrund der verwirrenden Münzvielfalt blühte der Geldwechsel vor allem in Italien auf. In Genua, Mailand oder Venedig gab es unzählige Wechseltische. Von dort aus verbreitete sich das Gewerbe über ganz Europa.
Eine besondere Position erlangten die Ritterorden. Die geistlichen Gemeinschaften sind während der Kreuzzüge zum Schutz der Pilger ins Heilige Land sowie der Verteidigung der heiligen Stätten gegründet worden. Legendär wurde der Templerorden mit seinen zahlreichen europäischen Komtureien. Dessen Geldtransporte ins Heilige Land begründeten die Finanzaktivitäten des Ordens. Dienten die Tempelhäuser im Osten zunächst nur als Tresore und Schatzkammern, sind ab dem Jahr 1135 erste Verleihgeschäfte nachweisbar. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts machten die Templer Geldanleihen zu einer regulären geschäftlichen Betätigung. Die Templer stellten auch Kreditbriefe aus. In Deutschland wurden solche Geldgeschäfte vor allem durch die Ritter der Mark Brandenburg betrieben.
„In der Geldwechslerstube“ von Max Gaisser (1857–1922). Bildquelle: Pinterest, Winterchild
Aus dem Geldwechsel vor Ort ging der Wechselschein hervor. Er wurde ausgestellt, um den Zahlungsverkehr zwischen Kaufleuten und auswärtigen Zahlungsempfängern zu erleichtern. Mit dem Papier wurde die Auszahlung einer bestimmten Summe an einem anderen Ort vermittelt. In Lübeck tauchte im Jahr 1290 der erste Wechsel auf. An wichtigen Handelsplätzen wie Antwerpen, Amsterdam und Hamburg wurde um 1600 ein städtisches Wechselrecht eingerichtet. Im Januar 1609 entstand die Amsterdamer Wechselbank, die erste städtische Wechselbank in Westeuropa. Am 2. März 1619 gründete der Rat der Stadt Hamburg nach dem Vorbild aus Amsterdam die Hamburger Bank. Sie diente als Wechselstube, Girobank und Kreditbank auf Silberbasis für die ortsansässigen Kaufleute.
Auch das legendäre Bankhaus Rothschild ging aus dem Geldwechsel hervor. Amschel Moses Rothschild betrieb in der Frankfurter Judengasse einen Handel mit Kleinwaren sowie den Geldwechsel. Sein Sohn Mayer Amschel musste im elterlichen Geschäft früh Geld sortieren. So kam er mit seltenen ausländischen und antiken Sammlermünzen in Kontakt. Bald packte ihn die Sammelleidenschaft. Während einer Banklehre bei Wolf Jakob Oppenheim in Hannover konnte er numismatische Literatur studieren. So reifte er zum Experten heran. Im Jahr 1764 machte sich der Zwanzigjährige als Münz- und Wechselhändler in Frankfurt selbstständig. Ein Jahr später verkaufte er dem Hanauer Erbprinzen Wilhelm einige Medaillen. Die Kontakte ermöglichten ihm den Einstieg ins Bankgeschäft.
Medaille zum 10. Jahrestag der Münzfreunde Moers (1980) nach dem Gemälde „Der Geldwechsler und seine Frau“ von Marinus van Reymerswaele (1490–1546). Bildquelle: Münzhandlung Höhn