Vereinigte Staaten von Amerika, Libertas Americana Medaille, Kupfer, 1783, von Augustin Dupré.
Vs.: Kopf der Liberty mit langem, wehendem Haar n.l., über der rechten Schulter Stab mit Pileus, Umschriftbogen oben LIBERTAS. AMERICANA, im Abschnitt 4 JUIL. 1776; Rv.: behelmte Minerva wehrt mit Speer und Schild angreifenden Löwen ab, zu ihren Füßen der Säugling Hercules, zwei Schlangen würgend, Umschriftbogen oben NON SINE DIIS ANIMOSUS INFANS, im Abschnitt 17/19 OCT. 1777/1781.
Foto: Hess-Divo AG, Auktion 309 (28 April 2008), Nr. 670. Zuschlag 12.000 CHF
Der 4. Juli ist „Independence Day“, der US-amerikanische Nationalfeiertag, an dem man der Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1776 gedenkt, mit der 13 britische Kolonien in Nordamerika ihre Loslösung von Großbritannien erklärten und sich zum ersten Mal offiziell als „Vereinigte Staaten von Amerika“ bezeichneten. Natürlich entstanden dazu im Lauf der Zeit verschiedene Medaillen, hier soll jedoch eine frühe Prägung vorgestellt werden, die den Kampf nach der Unabhängigkeitserklärung und den Sieg über die Kolonialmacht mit einem starken Rückgriff auf die europäische Antike thematisiert.
Die Vorderseite der bereits 1783 geprägten Medaille zeigt durch die Umschrift LIBERTAS AMERICANA bezeichnet die amerikanische Freiheit, dargestellt durch die Büste einer jungen Frau (in Amerika heißt sie denn auch „Miss Liberty“), deren wehendes Haar zeigt, dass ihr der Wind kräftig entgegen bläst. Aber sie trägt auf einer Stange als Freiheitssymbol gut sichtbar einen Pileus, also die Filzkappe, die schon im republikanischen Rom freizulassenden Sklaven vom Praetor als Zeichen ihrer nun erlangten Freiheit aufgesetzt wurde.
Auf der Rückseite der Medaille wird der erst wenige Jahre alte Staat mit der Bildersprache der europäischen Antike dargestellt. Die Allegorie der Vereinigten Staaten ist Hercules noch im Kleinkindalter, aber schon sich wehrend und seine Widersacher besiegend: In jeder Faust hält er eine Schlange und würgt sie, so wie wir das aus der antiken Mythologie kennen. Aber diese beiden Schlangen stehen für ganz konkrete und gemeisterte Gefahren, die Daten im Abschnitt weisen den Weg: Im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg musste der britische General „Gentleman Johnny“ Burgoyne am 17. Oktober 1777 in der Schlacht von Saratoga vor dem US-General Horatio Gates kapitulieren. Und am 19. Oktober 1781 kapitulierte der britische General George Cornwallis nach der Schlacht bei Yorktown vor vereinigten französischen und US-amerikanischen Truppen. Im nachfolgenden Frieden von Paris erkannte Großbritannien 1783 die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten an. Die Umschrift NON SINE DIIS ANIMOSUS INFANS der Medaillenrückseite, ein Ovid-Zitat (Oden 3,4,20), liefert die Erklärung für die unerwarteten Erfolge: „Ein kühner Knabe, doch nicht ohne Götterhilfe“ (Übers. Wilhelm Plankl). Und die Götterhilfe beherrscht die Medaillenrückseite. Minerva, die Göttin der Weisheit, aber auch der taktischen Kriegführung, wehrt mit Schild und Speer bewaffnet einen anspringenden Löwen ab, der die Allegorie des wütenden Britannien ist. Der mit Lilien, dem französischen Königswappen, geschmückte Schild demonstriert die französische Unterstützung der jungen amerikanischen Republik bei der Erringung ihrer Unabhängigkeit.
Die Bildersprache der Medaille ist klar und eindringlich, aber noch interessanter sind einige weitere Fakten. Entworfen wurde das bemerkenswerte Stück von Benjamin Franklin, der als Erfinder u.a. des Blitzableiters bekannt ist, als einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten gilt und seit 1776 Botschafter in Paris war und 1783 den Frieden von Paris mit aushandelte. Bei dem Medaillenentwurf unterstützt wurde Benjamin Franklin von dem französischen Zeichner und Archäologen Esprit-Antoine Gibelin. Der Medailleur ist Augustin Dupré, dessen Name unter den Hinterläufen des Löwen zu lesen ist. Geprägt wurde dann in verschiedenen Metallen in Paris, entstanden ist eine der besten Medaillen des frühen 19. Jahrhunderts.