Im Jahr 1932 besichtigte der Schriftsteller Stefan Zweig staunend die Kellergewölbe der Bank von Frankreich
Stefan Zweig (1881–1942). Bildquelle: Gladstone Blog
100 Francs (1936, Frankreich, 900er Gold, 6,55 Gramm, Durchmesser 21 mm).
Bildquelle: Künker, Herbstauktionen 2017, Losnr. 4309, Zuschlag: 1.200 Euro
100 Francs (1932, Tunesien, 900er Gold, 6,55 Gramm, Durchmesser 21 mm).
Bildquelle: Heritage Auctions
Mit einem Lift sauste Stefan Zweig neben dem Hauptgebäude der Banque de France sechs Stockwerke in die Tiefe: „Hier unten erstrecken sich, ungeahnt und geheimnisvoll, die berühmten Kellergewölbe der Bank von Frankreich mit heute siebzig, morgen vielleicht schon achtzig Milliarden, das heißt mit siebzig- oder achtzigtausend Millionen gemünzten oder ungemünzten Goldes, plastisch unvorstellbare Summe und jedenfalls ein Hort, wie ihn nicht Cäsar und Crassus, nicht Cortez und Napoleon, nicht alle Kaiser und Clans dieser Erde und nie ein sterblicher Mensch seit Anbeginn der Welt beisammen gesehen.“ 1 Am Grunde des Schachtes stand er vor einer ersten Panzertür aus einem einzigen Stück Stahl. Dann ging es weiter. Wie auf höheren Befehl wurde eine weitere Wand beiseite geschoben. Nun stand er in einem Saal, die Decke von Hunderten Säulen getragen. Die zahllosen geschichteten Barren brachten den Schriftsteller ins Fantasieren: „Gold in Barren oder gemünzt, pures Gold, das sich ängstlich in geringer Umschalung verhüllt, Gold, das vielleicht schon seit Jahrtausenden wandert, aus Siebenbürgen oder aus skythischem oder kalifornischem Sand gegraben, zu Münzen geformt und wieder zu Barren geschweißt, Gold, gewandert oder gekauft oder geraubt, von Karthago nach Rom, von Rom nach Byzanz, von Byzanz nach Germanien oder Russland und von dort auf unergründlichen Wegen und Abenteuern durch Hunderte, durch Tausende Hände über den Ozean...“ 2
Hintergrund für das Interesse des renommierten Schriftstellers waren die Goldbestände, die Frankreich in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts angesammelt hatte. Wie in einigen anderen Ländern Europas galt zu dieser Zeit der sogenannte Goldbarren-Standard für die Landeswährung. Das heißt, jeder Bürger konnte Banknoten im Wert von 215.000 Francs zur Bank bringen und erhielt dafür einen Goldbarren zur amtlich festgelegten Goldparität des Franc: „Bis 1931 war Frankreich das Zentrum des Goldblocks. (...) Seine üppigen Goldreserven, ein florierender Handel und Budgetüberschüsse machten es immun gegen Schwierigkeiten, wie sie in Deutschland, England und selbst in den Vereinigten Staaten auftraten.“ 3 Frankreich hatte seine Währung nach dem Ende des Ersten Weltkrieges so stark abgewertet, dass sie schließlich unterbewertet war. Im Ergebnis stiegen die Exporte. Dank modernster Massenproduktion bei Citroën erreichte Frankreich bald den ersten Platz in der europäischen Autoproduktion. Weltweit stand es in der Produktion und im Export von Autos auf Platz Zwei. Zudem boomte der Tourismus. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre wuchsen die Goldreserven des Landes aufgrund der Umwandlung dieser Bilanzüberschüsse in Edelmetall rasant an.
Die „Goldlawine“ führte dazu, dass 1929 erstmals seit dem Ersten Weltkrieg die Ausgabe von Goldmünzen für den regulären Umlauf erwogen werden konnte. Nennwert: 100 Francs. Etwa 50 Probestücke wurden in jenem Jahr geprägt. Auch für das Protektoratsgebiet Tunesien wurde die Ausgabe von Goldmünzen zu 100 Francs vorbereitet. Ungeachtet der Wirtschaftskrise in zahlreichen anderen Ländern nahmen die Pläne zu Beginn der 1930er Jahre konkretere Formen an: In den Jahren 1935 und 1936 wurden an der Monnaie de Paris fast 13,8 Millionen Goldmünzen zu 100 Francs ausgeprägt. Doch die Weltwirtschaftskrise erreichte auch Frankreich. Nach der Abwertung des britischen Pfundes im Jahr 1931 widersetzte sich der „Goldblock“ aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz, Italien und Polen eine Zeit lang der weltweiten Abwertungsspirale. Schlechte Wirtschaftsdaten aufgrund der nun überbewerteten Währungen ließen die Front allerdings bröckeln. Zuerst löste sich Belgien vom fixen Goldpreis. In Erwartung einer Abwertung wurde Gold nun gehortet. Findige Franzosen schlossen sich zu kleinen Käufergruppen zusammen, erwarben einen Goldbarren und ließen ihn beim Juwelier zerlegen. Im September 1936 zog die Regierung die Notbremse. Der Franc wurde in einer konzertierten Aktion mit der Schweiz abgewertet. Die schon geprägten Goldmünzen wanderten überwiegend in den Schmelztiegel. Heute erzielen die wenigen Exemplare, die „überlebten“, gute Preise auf Auktionen.
Quellenangaben
1 Stefan Zweig: Besuch bei den Milliarden,. In: Auf Reisen, Frankfurt/Main 1993, S. 323.
2 ebenda, S. 334.
3 Charles P. Kindleberger: Die Weltwirtschaftskrise. München 1973, S. 257.