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Sebastian Wieschowski

Nachruf auf Wolfgang Haney: Ein Mahner, Erinnerer und leidenschaftlicher Sammler


Geldscheine sind viel mehr als nur Sammlerstücke oder millionenfach gedruckte Alltagsgegenstände – das schlichte Stück Papier kann ein beeindruckendes oder beängstigendes Zeugnis ablegen von Glanz- sowie Angststunden der Geschichte.

Deshalb ist das Buch „Das Geld des Terrors“ auch mehr als ein Katalog aller historischen Geldzeichen aus Lagern und Gettos. Es dokumentiert in bedrückender und gleichzeitig lebendiger Weise die Ausbeutung der Juden und anderer Minderheiten durch die Nazis in den Konzentrationslagern und Ghettos des Zweiten Weltkriegs.

Und es ist Teil des Vermächtnisses von Wolfgang Haney, der am 13. Oktober 2017 im Alter von 93 Jahren in Berlin gestorben ist.

Haney hat sich in vielfältiger Weise für mehrere Buchprojekte des Battenberg Gietl Verlags engagiert. Er hat Dokumente zur Verfügung gestellt, als Herausgeber fungiert, mit Druckkostenzuschüssen das Erscheinen gesichert. Er war in dieser Form an insgesamt drei Grundlagenwerken zur Geschichte der Papierbelege des Dritten Reiches beteiligt: „Geld des Terrors“ (2008), „Kennzeichen Jude“ (2014) sowie „Der Jude nahm uns Silber, Gold und Speck“ (2015).

Ohne die Jahrzehnte währende Sammelleidenschaft des 1924 geborenen Berliners, der einen regelrechten Jägerinstinkt an

den Tag legte, wären diese Bücher nicht möglich gewesen. Denn Haney trug in seinem langen Sammlerleben eine Vielfalt an Judaika zusammen, welche in dieser Form wohl in keiner anderen privaten Sammlung dieser Welt zu finden ist. Mehr als 12.000 Objekte umfasste sie zuletzt, bereitwilligt stellte er einzelne Stücke immer wieder für Ausstellungen der Bundeszentrale für politische Bildung oder anderer Einrichtungen in aller Welt zur Verfügung. Er unterhielt enge Kontakte nach Auschwitz sowie zur Gedenkstätte Yad Vashem und war bis ins hohe Alter regelmäßig auf Auslandsreisen unterwegs. Und Haney hatte noch viele Ideen für weitere Bücher, beispielsweise zu Partisanenauszeichnungen des Zweiten Weltkrieges. Ein anderes Projekt zur „Kunst hinter Stacheldraht“ über Tuschezeichnungen und Aquarelle aus dem Ghetto Kolymna, welches Haney mit großer Leidenschaft verfolgte, zerschlug sich: Es handelte sich bei den Malereien um Fälschungen.

Wolfgang Haney sammelte allerdings nicht um des Sammelns Willen, er wollte nicht die größte oder die beeindruckteste Sammlung besitzen oder gar blanke Sachwerte anhäufen. Die vielen Postkarten, Banknoten und Abzeichen sind Erinnerungsstücke an seine eigene Lebensgeschichte: Der Vater war wohlhabender und erfolgreicher Musiklehrer, die Mutter war Jüdin und überlebte den Krieg wohl nur, weil sie in einer Bretterhütte im Wald vor Berlin versteckt wurde. Gleich mehrere Familienangehörige fielen dem Holocaust zum Opfer. Die Objekte, welche den abscheulichen Hass gegenüber Juden in Nazi-Deutschland verdeutlichen, halfen auch beim Gedenken an seine Verwandten, die den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt hatten.

Insbesondere nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung trug Wolfgang Haney mit einer Akribie und Hartnäckigkeit, die Ihresgleichen sucht, alle denkbaren Judaika zusammen, also beispielsweise Fotos, Flugblätter sowie Zahlungsmittel. Über diesen Weg entstand auch die Zusammenarbeit mit dem Battenberg Gietl Verlag, die dafür sorgte, dass auch nachfolgende Generationen anhand von Lebensmittelkarten sowie Propagandascheinen über das Leid der Juden lernen konnten. Wehret den Anfängen – dieses hehre Sprichwort hat Wolfgang Haney durch seine Sammelleidenschaft mit Leben gefüllt. Und mit den so gemeinsam mit Hans-Ludwig Grabowski entstandenen Büchern wird er auch künftig einen Beitrag gegen das Vergessen leisten.

Auch wenn der Name „Wolfgang Haney“ bei Jung und Alt in der deutschen sowie internationalen Numismatik vor allem mit Büchern zu Belegen aus der NS-Zeit in Verbindung gebracht wird, verstand sich Wolfgang Haney aber nicht nur als Mahner und Erinnerer, sondern auch als leidenschaftlicher Sammler. Als Mitglied der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin und Vorsitzender der Berliner Münzfreunde sowie enthusiastischer Besucher von Münzbörsen und Tauschtagen verkörpert er auch das Bild des passionierten Münzfreundes. Dieses Bild wird bleiben, doch der Mensch Wolfgang Haney wird der deutschen Münzensammlergemeinde fehlen.

Einen Überblick über das Leben von Wolfgang Haney sowie seine Bücher aus dem Programm des Battenberg-Gietl-Verlags finden Sie hier.

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