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Helmut Caspar

Keine DDR-Münze „Neue Synagoge“ – Die Wiedervereinigung 1990 machte verschiedene DDR-Pläne zur Makul


Die Bundesrepublik Deutschland gibt seit 1952 Gedenkmünzen heraus, erst 1966 zog die DDR nach längerer Vorbereitungszeit nach. Mit den Münzen zu 20, 10 und 5 Mark belebte der zweite deutsche Staat die Tradition der „silbernen Ehrengedächtnisse“, wie man in der Barockzeit Gedenkmünzen und -medaillen nannte. Es gab mehrere Beweggründe, weshalb sich die DDR-Regierung entschloss, zuzüglich zu ihrem leichtgewichtigen Aluminiumgeld auch repräsentative Silber- und später auch Neusilbermünzen zu prägen. Der Arbeiter-und-Bauern-Staat wollte sich national und international als ein Land präsentieren, in dem Kunst und Wissenschaft blühen und das nationale Kulturerbe gepflegt wird. Wichtig war auch, mit besonders gut gestalteten Gedenkstücken westliche Devisen zu erwirtschaften und einen Part auf dem internationalen Münzenmarkt zu spielen.

Die Ausgabe der neuen Silbermünzen fiel in eine Zeit, als sich in der DDR das Münzensammeln zu einer Art Volkssport entwickelte und sich viele Laienforscher mit interessanten Arbeiten an die Seite der Berufsnumismatiker stellten und mit interessanten Ausstellungen Aufsehen erregten. Insgesamt hat die DDR zwischen den Gedenkmünzen für Leibniz und Schinkel von 1966 und dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung 1990 nicht weniger als 123 Sondermünzen im damaligen VEB Münze der DDR am Berliner Molkenmarkt prägen lassen.

Beteiligt waren an der Gestaltung der DDR-Münzen bekannte Bildhauer, Grafiker und Werbefachleute, u.a. Axel Bertram, Dietrich Dorfstecher, Ludwig Engelhardt, Wilfried Fitzenreiter, das Künstlerehepaar Sneschana Russewa-Hoyer und Heinz Hoyer (Abb. 1), Gerhard Rommel, Klaus Wittkugel. Axel Bertram, der langjährige künstlerische Berater der für die Emissionen zuständigen Staatsbank, bescheinigte der Staatsbank der DDR Kompetenz und das Bemühen um partnerschaftliche Zusammenarbeit.

Modell war schon fertig

Mit dem Ende der DDR waren auch deren Münzpläne Makulatur. Im Rahmen einer Serie von Münzen mit bedeutenden Bauwerken war ein Motiv mit der Ansicht der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte geplant. Partei- und Staatschef Erich Honecker wollte ein paar Exemplare in die USA mitnehmen, wenn er dorthin zu einem Staatsbesuch geflogen wäre. Der Sturz des ersten Mannes in der DDR im Oktober 1989 machte diese Pläne zunichte.

Den Entwurf eines Fünf-Mark-Stückes mit der Ansicht der 1859 bis 1866 nach Plänen von Eduard Knoblauch erbauten Neuen Synagoge hatten Heinz Hoyer und Sneschana Russewa-Hoyer bereits geschaffen (Abb. 2). Sie können auf eine stattliche Zahl realisierter Entwürfe mit dem „gestiefelten Kater“ an der Spitze verweisen, die wohl liebenswürdigste Gedenkmünze, die die DDR herausgebracht hat (Abb. 4). Da das Synagogen-Modell nach der Wiedervereinigung nicht mehr für eine Ausgabe verwendet werden sollte, wandte sich der Berliner Numismatiker Klaus Priese hilfesuchend 1990 an Bundespräsident Richard von Weizsäcker sowie an die Bundesministerien der Finanzen und des Inneren. Dort war das Interesse gering, Münzen mit Motiven aus der untergegangenen DDR zu prägen. Der Bundespräsident ließ antworten, dass es ihm nicht zustehe, „auf die Entscheidungsfindung über die Herausgabe von Münzen Einfluss zu nehmen“. Finanzminister Theo Waigel verwies auf die Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums bei der Vergabe von Aufträgen. Dieses teilte Priese mit, 1991 werde aus Anlass des 200. Jahrestages des Brandenburger Tors nur eine Gedenkmünze ausgegeben und mehr nicht.

So verschwanden nicht nur das Münzprojekt „Neue Synagoge“ im Orkus der Geschichte, sondern auch weitere Vorhaben. Heinz Hoyer bezeichnet es als bedauerlich, dass das Motiv nicht geprägt wurde, zumal ein Vertrag vom 8. Dezember 1989 zwischen der Staatsbank der DDR und ihm abgeschlossen wurde. Auf der Strecke blieben unter anderem Münzen mit dem Bildnis des Archäologen Heinrich Schliemann, mit der Ansicht des Erfurter Dombergs sowie zum 100. Todestag des Motorenkonstrukteurs Nikolaus Otto. Während von diesen Motiven nur Zeichnungen existieren, können sich Heinz Hoyer und seine Frau darüber freuen, dass es ihr schon sauber ausgearbeitetes Gipsmodell mit der Synagoge zu einer sehenswerten Silbermedaille gebracht hat (Abb. 3). Die Arbeit war also nicht ganz umsonst.

Kunst und Technik

Die DDR-Gedenkmünzen von 1966 und danach unterschieden sich in künstlerischer Hinsicht und technischer Ausführung von allem, was damals international auf dem Markt war. Da man mit Absicht auf das Randstäbchen verzichtete, welches die Münzbilder vor Abrieb schützt und auch das Stapeln der Geldstücke erleichtert, wurden die Porträts und andere Motive auf der Bildseite in einer flachen Mulde oder Schüssel untergebracht. Das Verfahren erschloss den Künstlern neue, plastische Entfaltungsmöglichkeiten. Wie der Professor an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee und künstlerische Berater der DDR-Staatsbank Axel Bertram im Rückblick berichtete, war der damalige VEB Münze der DDR als Herstellerbetrieb von Anfang an bei allen Beratungen einbezogen und konnte jederzeit Einwände und Empfehlungen geltend machen. Die Gipsmodelle seien in den verschiedenen Stadien begutachtet und vermessen worden, um ihre Realisierbarkeit zu überprüfen. „Auf problematische Stellen konnte frühzeitig hingewiesen werden, ohne dass durch eine technische Unzulänglichkeit die gestalterische Idee abgewiesen werden musste“.

Die Suche nach geeigneten Ausdrucksformen war Bertram zufolge nicht einfach und führte manchmal auch zum Zusammenprall der Meinungen. „Gestaltung bleibt nun einmal eine mühselige, bröselige Arbeitsform und muss sich dem expressiven, spontanen Ausdruckswillen entziehen (ohne ihn hoffentlich zu vergessen).“ Mit einem listigen, behutsam dirigierenden Pragmatismus von Fall zu Fall habe sich laut Bertram so etwas wie eine zusammenhängende Auffassung zu Gestaltungsfragen herausgebildet. Generell hätten die Künstler „als Typus“ bei den Bankleuten in hohem Ansehen gestanden, für die Zusammenarbeit bei der Münzgestaltung habe das Selbstbewusstsein der Gestalter eine nachdrückliche Rolle gespielt und auch den kollegialen Umgangston in den Beiratssitzungen bestimmt. Die Zusammenarbeit mit den alten Graveuren der Münze sei eine seiner angenehmsten Erfahrungen gewesen. Sie seien kompetente Fachleute mit hochentwickelten Fertigkeiten gewesen, hätten zuhören können und Ideen aufgenommen und umgesetzt. „Wirklich kompetente Fachleute sind souverän und gerade deshalb zur Kooperation bereit. Denn sie sind neugierig auf neue Probleme und beweisen ihre Möglichkeiten gern an schwierigen Fragen.“

Reliefs in der Schüssel

Interesse haben laut Axel Bertram die ungewöhnlichen, schüsselförmigen, scharfrandigen Prägungen schon zu ihrer Entstehungszeit gefunden. „Der muldenförmig vertiefte Münzrand war von Anfang an vorgegeben. Er war wohl international selten, man versprach sich davon eine gewisse Attraktivität. Der Vorzug bestand in der Möglichkeit, den Entwurf stärker plastisch durchzugestalten und größere Reliefhöhen im Teller zu gewinnen.“ Eine zweite Besonderheit war die Trennung von Schrift und Bild in der technischen Realisierung. Die Schriftvorlage wurde als grafische Reinzeichnung geliefert, der Gips enthielt die plastische Vorlage ohne Schrift. Diese wurde einmontiert, das heißt mit Punzen eingeschlagen. „Ich halte das nach wie vor für ein zweckmäßiges Verfahren. Dem Niveau der Schrift kam das jedenfalls sehr zugute. Das Schneiden von Schrift verlangt neben guten Schriftkenntnissen ein enormes Maß an Erfahrung und Routine, zumal unter so extremen Präzisionsanforderungen.“

Anscheinend hat bisher noch niemand Vergleiche zwischen frühen DDR-Orden und Auszeichnungsmedaillen und den schüsselförmigen Gedenkmünzen gezogen. Die 1956 gestiftete und an ehemalige Teilnehmer des Spanischen Bürgerkriegs verliehene Hans-Beimler-Medaille (Abb. 5a) kann als Beispiel genannt werden. Die mit einer Tragöse versehene Auszeichnung bildet den kommunistischen Reichstagsabgeordneten und Kommissar des gegen die Franco-Truppen im Spanischen Bürgerkrieg kämpfenden „Thälmann-Bataillons“ der XI. Internationalen Brigade von vorn gesehen ab. Plastisch ragt das Bildnis aus einer tiefen Mulde heraus. Ähnliches kann man bei der Clara-Zetkin-Medaille (Abb. 5b), dem Rudolf-Virchow-Preis, der Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus 1933–1945 oder bei der mit dem Kopf von Robert Koch geschmückten Medaille zum Titel ,Verdienter Arzt des Volkes‘ beobachten. Wenn man sucht, wird man weitere Beispiele für schüsselförmige Prägungen aus der Frühzeit der DDR finden. Es handelt sich um gestalterisch und technisch anspruchsvolle Prägungen, die allerdings nicht die Regel waren. Denn die meisten der von allen möglichen Institutionen verliehenen Medaillen sind von einfacher Machart, man könnte auch sagen, sie sind einfallslose, schnell produzierte „Flachmänner“, für die sich nur noch Sammler interessieren. Ob und welche Parallelen es zwischen den erwähnten Medaillen und den „schüsselförmigen“ Gedenkmünzen gab, müsste noch von Fachleuten untersucht werden.

aus MünzenRevue Ausgabe 09/2016

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