Eine eindrucksvolle Goldmedaille, die am 16. März 2017 bei Künker versteigert wird, gibt die offizielle Version einer Geschichte wieder, die wir eher aus Folksongs, Romanen und dem Kino kennen: Am 16. April 1746 wurde Bonnie Prince Charles in der Schlacht von Culloden geschlagen.
1814 veröffentlichte Sir Walter Scott unter dem Titel „Waverley“ seinen ersten historischen Roman. Er hatte sich dafür ein Thema ausgesucht, das heute noch jeden Bestsellerautor zum Jubeln bringen dürfte: Ein junger Prinz, der gegen jede Vernunft versucht, das Königreich seines Vaters zurückzuerobern. Ihm helfen dabei natürlich nicht die Mächtigen, sondern die am Rande der Gesellschaft lebenden, technisch rückständigen, aber moralisch überlegenen Clans. Sie werden von der modernen Technik der Herrschenden geschlagen, doch dem jungen Prinz gelingt in letzter Sekunde die Flucht. Tatsächlich entsprechen all diese Klischees der Wahrheit. Bonnie Prince Charles, der hübsche Prinz Charles, wie ihn die Briten heute noch nennen, war der letzte Stuart, der mit Hilfe der Clans der schottischen Highlands ernsthaft versuchte, die Glorious Revolution rückgängig zu machen.
Sein Großvater, Jakob (James) II. herrschte von 1685 bis 1689. Er war Katholik und hatte versucht, dem protestantischen Establishment ein bißchen mehr Toleranz gegenüber Katholiken und Quäkern abzuringen. Das hätte allerdings bedeutet, daß die traditionellen Oberschichten Macht hätten abgeben müssen. Dazu waren sie natürlich nicht bereit. So lud man den Schwiegersohn Jakobs II., den Calvinisten Wilhelm von Oranien ein, die Herrschaft zu übernehmen. Jakob mußte fliehen.
Wie das neue Königshaus die Glorious Revolution sah, davon zeugt eine Medaille, die in Künker-Auktion 292 am 16. März 2017 zur Versteigerung kommt. Die Vorderseite zeigt unter dem Motto (in Übersetzung) „Mit der Hilfe Gottes und der Gerechtigkeit“ den neuen Herrscher Wilhelm, dem die Personifikation der drei Königreiche mit ihren drei Kronen huldigt. Wilhelm zertritt mit dem linken Fuß die Schlange der Zwietracht und erhebt zum Zeichen der Macht ein Schwert. Rechts davon ist ein Orangenbaum als sprechendes Wappen zu sehen, auf dem ein Schild mit den vereinigten Wappen Englands, Schottlands und Irlands angebracht ist. Im Hintergrund flieht der jesuitische Beichtvater des Königs. Er trägt auf seinem Arm den kindlichen Prinzen. Dessen Spielzeug-Windmühle weist darauf hin, daß die gegnerische Propaganda den Sohn Jakobs II. als Kind eines Müllers verleumdete. Daß Wilhelms Revolution eigentlich ein Staatsstreich war, davon läßt das Motto der Rückseite „Gegen das Kind des Verderbens“ nichts ahnen. Wilhelm herrschte in England, und Jakob zog Kind und Kindeskind am päpstlichen Hof in der Überzeugung groß, daß einzig die Stuarts die rechtmäßigen Herrscher von England und Schottland seien. Die Zeit stand dabei auf Seiten der Revolutionäre. Auf Wilhelm und Maria folgte Anna, die aus den nur durch Personalunion vereinigten Königreichen England und Schottland das Vereinigte Königreich machte, ehe sie ihre Herrschaft Georg I. vererbte. Georg war deutscher Abstammung, Herzog von Braunschweig und Lüneburg, Urenkel Jakobs I. und – von entscheidender Bedeutung – überzeugter Protestant. Ihm war bereits sein Sohn auf den Thron gefolgt, als der Enkel Jakobs II., Charles Edward Stuart, eben der hübsche Prinz Charles, sich aufmachte, den Thron seiner Väter zurückzuerobern.
Möglich gemacht hatte dies die politische Großwetterlage. Frankreich führte mal wieder Krieg gegen Großbritannien. Und es wäre doch zu schön gewesen, hätte man Georg II. durch einen katholischen, Frankreich zu Dank verpflichteten Stuart ersetzen können. Die französische Flotte, die Charles die Invasion ermöglichen sollte, stand also schon bereit, doch ein Sturm machte alle Planung zunichte. So landete der zu diesem Zeitpunkt gerade mal 24jährige Charles mit nur wenigen Gefährten in Schottland. Ein Heer mußte er erst um sich sammeln.
Charles fand Hilfe bei den Clanchefs der schottischen Highlands. Ob protestantisch oder katholisch, sie waren nicht glücklich über die Vereinigung Schottlands mit England. Sie unterstützten Prince Charles, erst bei der Eroberung von Edinburgh, dann in der siegreichen Schlachten von Prestopans und Falkirk Muir. Erst als sich ihnen der Herzog von Cumberland, dritter und jüngster Sohn von Georg II., bei Culloden entgegenstellte, riß die Siegesserie ab.
Wie die Hannoveraner diesen Sieg sahen, davon zeugt eine Goldmedaille, die am 16. März 2017 in Osnabrück bei Künker versteigert wird. Sie zeigt auf der Vorderseite das Porträt des Herzogs von Cumberland, Wilhelm August. Er ist auf der Rückseite im Zentrum des Geschehens noch einmal zu sehen. Er tritt in Gestalt des Herakles in ein Löwenfell gekleidet auf, um der Jungfrau Britannia beizustehen, die durch Speer und Wappenschild gekennzeichnet ist. Mit dem rechten Fuß tritt Herakles die Zwietracht nieder, die als gräuliche Medusa mit Schlangen geradezu um sich wirft. Die Aufschrift lautet (in Übersetzung): Er vertreibt ihn [Charles] wegen Hochverrats aus England. Er bezwingt ihn bei Culloden.
Wie die Anhänger des hübschen Prinz Charles seine Niederlage und seine Flucht – verkleidet als Mädchen in einem kleinen Fischerboot – erlebten, davon zeugen zahlreiche Filme, Romane und Lieder. Sie verherrlichen heute noch den letzten Stuart, während der Sieger von Culloden als „Butcher“ (= Metzger) in die Geschichte eingegangen ist. Und selbst heute noch sind die Schotten stolz darauf, daß keiner im Heer der Highlander versuchte, sich das für die damalige Zeit unglaublich hohe Kopfgeld von 30 000 Pfund, das die Engländer auf Charles ausgesetzt hatten, zu verdienen. Selbst ein moderner Blockbuster wie „Highlander“ kommt nicht ohne den Skye Boat Song aus, das wohl bekannteste Volkslied über die Flucht von Bonnie Prince Charles. Märchen sind manchmal eben doch schöner als die Realität. Deshalb verschweigen wir, daß Charles nach seiner Flucht zum Trinker wurde und ihn seine schottische Geliebte deshalb verließ. Charles starb 1788 im Alter von 67 Jahren an einem Schlaganfall. Von seiner einst so hübschen Gestalt war nicht mehr allzu viel übrig geblieben.
Wo Bonnie Prince Charles seinen Anspruch auf den Thron anmeldete, wurde im 19. Jahrhundert ein eindrucksvolles Denkmal erbaut.[Foto: Kutsa. CC BY 3.0.]