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Helmut Kahnt

Vor 225 Jahren: Die Deklaration von Pillnitz – Korrektur eines Irrtums


In den Katalogen selbst renommiertester Auktionshäuser steht bei den Texten zu Medaillen auf die Deklaration von Pillnitz fast immer „auf die Zusammenkunft und den Frieden von Pillnitz“. Das ist purer Unsinn! Es gab keinen Friedensvertrag, Österreich und Preußen führten ja keinen Krieg gegeneinander. In einem Auktionskatalog wurde das im 18. Jahrhundert erbaute Lustschloß sogar als Burg bezeichnet.

Im August 1791 trafen sich in Pillnitz an der Elbe (seit 1950 Stadtteil von Dresden) Leopold II., Erzherzog von Österreich und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, und König Friedrich Wilhelm II. von Preußen. Gastgeber war der sächsische Kurfürst Friedrich August III., der aber an den Verhandlungen nicht beteiligt war. Mehrere Gespräche gab es auch mit Charles Philippe, Graf von Artois (später König Karl X. von Frankreich) und Bruder des französischen Königs Ludwig XVI., zu der Zeit einer der Führer der französischen Emigranten.

Das Pillnitzer Fürstentreffen 1791. Ölgemälde von J. H. Schmidt. Kaiser Leopold II., Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen und König Friedrich Wilhelm II. von Preußen (von links).

Hauptgegenstände der Verhandlungen zwischen den beiden deutschen Großmächten waren die „polnische Frage“ und die Beendigung des Krieges Österreichs gegen das Osmanische Reich. Erst am Ende der Zusammenkunft wurde nach massiver Lobbyarbeit des französischen Grafen von Artois die Pillnitzer Erklärung abgegeben. Das darin formulierte Ziel war es, „… um den König von Frankreich in den Stand zu setzen, in vollkommenster Freyheit die Grundlagen einer monarchischen Regierung zu bevestigen, die den Rechten der Souverains eben so zuträglich sey, als dem Wohl der französischen Nation. Alsdann und in diesem Falle sind besagte Ihre Majestäten, der Kaiser und der König von Preußen entschlossen, in wechselseitiger Uebereinstimmung, mit der nöthigen Macht schnell zu agiren, um den vorgesetzten und gemeinschaftlichen Endzweck zu err

eichen.“, d. h. ihn wieder in seine alten Rechte als absoluter Monarch einzusetzen. Ein kriegerisches Vorgehen gegen die Revolution wurde aber von dem Zustandekommen einer einheitlichen Meinung unter den Großmächten abhängig gemacht. Davon war wegen der ablehnenden Haltung Großbritanniens nicht auszugehen.

Schloß Pillnitz. Mittelpavillon des Wasserpalais mit Pöppelmann Treppe (1724) zur Anlegestelle der aus Dresden eintreffenden Gondeln [Wikipedia]

Diese Erklärung („Punktation“) wurde dennoch in Frankreich als konkrete Kriegsdrohung aufgefaßt, da sie auch den Einsatz militärischer Mittel vorsah. Sie war ein willkommenes Argument für die Propaganda derjenigen Kräfte, die mit Hilfe eines Krieges die Französische Revolution radikalisieren wollten. Sie wurde als Beweis der Absicht Österreichs und Preußens aufgefaßt, die Revolution zu stoppen und das Ancien Regime wiederzuerrichten. Insbesondere Jacques-Pierre Brissot de Warville (Führer der Girondisten im Konvent) war davon überzeugt, Krieg sei zur „Festigung der Freiheit unumgänglich" und so erwirkte er am 20. April 1792 bei der Nationalversammlung die Kriegserklärung gegen Österreich. Seine Berichte im „comité diplomatique“ führten dann auch zu Kriegserklärungen an Großbritannien und die Niederlande am 1. Februar 1793. Am 30. Oktober 1793 wurde er als Landesverräter vom Revolutionstribunal zum Tode verurteilt und am Folgetag – leider zu spät – mit der Guilotine hingerichtet.

Die Pillnitzer Erklärung sollte die Franzosen einschüchtern und zu einem gemäßigten Verhalten bewegen. Das Gegenteil war der Fall. Auch weil der Wortführer der Emigranten, der Graf von Artois, die Erklärung als Ultimatum interpretierte, verstärkte sich die französische Konfliktbereitschaft. Zu Beginn des Jahres 1792 stellte Frankreich die ultimative Forderung, daß die Nachbarstaaten bis zum 1. März die Emigrantentruppen vertreiben sollten.

Wegen des Todes von Leopold II. wurde das Ultimatum bis April verlängert. Sein Nachfolger, Franz Joseph Karl von Habsburg-Lothringen, der spätere Kaiser Franz II., schloß daraufhin mit Preußen am 18. März 1792 ein Defensivbündnis. Dabei garantierten sich die beiden beteiligten Seiten ihren jeweiligen Besitzstand. Am 18. März kam es zu einem neuen französischen Ultimatum, in dem das Ende des Bündnisses mit Preußen gefordert wurden. Der Kaiser lehnte dies ab. Der Erste Koalitionskrieg nahm seinen Lauf.

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